Schadholz: Holztransporteure stoßen an Grenzen

09. Okt. 2019
Sturmschäden, Dürre, Waldbrände, Insektenbefall - deutschlandweit müssten 105 Millionen Festmeter Schadholz aus dem Forst herausgeholt werden. Als Brutstätte unter anderem für den Borkenkäfer bedroht es noch intakte Bereiche. Die Politik hat per Ausnahmegenehmigung das zulässige Gesamtgewicht für Holztransporte aus den Schadgebieten auf 44 Tonnen hoch gesetzt, in manchen Bundesländern ist die Kabotage indirekt freigegeben und das Sonntagsfahrverbot aufgehoben.
Gewicht bis 44 Tonnen
Mit der Erhöhung der zulässigen Gesamtgewichte für Holz-Lkw von 40 auf 44 Tonnen wurden wichtige Hilfestellungen zur Bewältigung der aktuellen Sturm- und Dürreschäden in den Wäldern gewährt, heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. „Staatliche und kommunale Forstbetriebe sowie private Waldbesitzer stoßen an ihre personellen, logistischen und finanziellen Grenzen, um befallene Bäume zeitnah einzuschlagen, für einen Abtransport des Holzes und somit eine gewisse Eindämmung der Schäden zu sorgen“, heißt es in einem Papier der Behörde. Ministerin Julia Klöckner (CDU) sprach auf dem Nationalen Waldgipfel von einer sehr ernsten Lage. Nach Einschätzung eines Mittelständlers, der mit zwei Fahrzeugen in Nordhessen arbeitet, reichen die bisherigen Maßnahmen bei weitem nicht aus. „Die 44 Tonnen sind ein Witz“, sagt er. In Österreich seien grundsätzlich 46 Tonnen erlaubt, und nach dem Sturm im Frühjahr 2018 habe man dort das Gewicht auf 50 Tonnen erhöht. Auch in Frankreich seien schon lange 57 Tonnen erlaubt. Ein leerer Holztransporter wiege ja bereits 22 Tonnen, für den Kran kämen nochmals zwei hinzu. „Jeder Kipper hat 25 Tonnen Nutzlast“, gibt er zu bedenken.
Hessen ist mit einem Flächenanteil von 42 Prozent das waldreichste Bundesland, aber trotz riesiger zerstörter Flächen erteilten beispielsweise kommunale Waldbesitzer für den Holzeinschlag keine Aufträge mehr, weil die Mittel fehlten. „Die Fördergelder sind viel zu gering“, kritisiert der Unternehmer. Angesichts der Katastrophe, kann die Auflastung auf 44 Tonnen durchaus gering erscheinen, aber das zu befahrende Gelände ist oft schwierig und so manche Brücke hält mehr nicht aus. „Fachleute gehen mittlerweile in Nordrhein-Westfalen von über 13 Millionen Kubikmeter Schadholz allein in der Fichte aus“, sagt der Sprecher des dortigen Landwirtschaftsministeriums, Malte Wetzel. In NRW wurde deshalb nicht nur das Gesamtgewicht auf 44 Tonnen erhöht. Zunächst bis Jahresende ist der Transport von Rundholz an Sonn- und Feiertagen möglich, zusätzlich wurde das Kabotageverbot aufgehoben, so dass auch Transportdienstleister aus dem EU-Ausland ungehindert unterwegs sein dürfen, wenn Aufnahme- und Zielort in NRW liegen.
Engpass Transport
Zu den förderfähigen Maßnahmen gehört hier auch der Transport von Holz in Rinde aus dem Wald in Trocken- und Nasslager. Aktuell gebe es keine größeren Engpässe bei den Transportkapazitäten, sagt Wetzel. „Es gibt nicht genügend Frächter, der Transport aus dem Wald funktioniert nur schleppend“, betont dagegen Jens Düring, Sprecher des Bund Deutscher Forstwirte. „Die Situation beim Holztransport ist angespannt“, sagt auch die Sprecherin des Mainzer Forstministeriums, Josephine Keller.
Zum Schutz des Waldes wären mehr Fahrten nötig, damit das mit Borkenkäfern befallene Holz in sicherer Entfernung zu bruttauglichen Wäldern auf Lagerplätzen abgelegt werden kann. „In Rheinland-Pfalz sind rund 84 Prozent der Bäume geschädigt“, betont sie. Auf Bitten des Berliner Landwirtschaftsministeriums habe das Haus von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zugesagt, dass Verstöße bei der Kabotage nicht geahndet werden, erläutert Keller. „Zurzeit sind ausländische Fuhrunternehmen aktiv. In welchem Umfang, entzieht sich unserer Kenntnis.“ Das Land fördert ihren Angaben zufolge Schadholztransporte mit sechs Euro pro Festmeter bei einer Entfernung unter 20 Kilometern und mit acht Euro, wenn die Strecke länger ist. Auch durch eine geschickte logistische Steuerung habe man in Rheinland-Pfalz vermeiden können, im Staatswald aus Waldschutzgründen Pestizide einzusetzen.
Ausnahmegenehmigung gefordert
Die Ausnahme für 44-Tonnen-Lkw könne zum Jahresende problemlos verlängert werden. Die Forstchefkonferenz hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium aufgefordert, „angesichts der dramatischen gesamteuropäischen Schadensentwicklung“ im Wald alle Maßnahmen in die Wege zu leiten, die die Forstbetriebe bei der Bewältigung der Kalamität unterstützen und Hemmnisse auszuräumen. Der Bund sei insbesondere gebeten worden, „als Sofortmaßnahme bei den Ländern eine einheitliche, auf mindestens zwei Jahre befristete Ausnahmeregelung für die Erhöhung der Transportgewichte auf 44 Tonnen ohne Verknüpfung mit Einzelstreckengenehmigungen zu erwirken“, sagt ein Sprecher des brandenburgischen Landwirtschaftsministeriums.
Die steht weiterhin aus. Derzeit gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Während beispielsweise die 44-Tonnen-Regelung in Baden-Württemberg nur bis zum nächstgelegenen Lagerplatz angewandt werden darf, gilt sie in Rheinland-Pfalz, in Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen landesweit, sagt Klaus-Heinrich Herbst, Vorsitzender des Fachbereichs Rohholzhandel im Gesamtverband Deutscher Holzhandel (GD Holz). „Das Verfahren läuft, um das erhöhte Gewicht auf das gesamte Bundesgebiet auszudehnen“, erläutert er. „Wir hier in Niedersachsen bringen unser Holz aus dem Wald zu uns ans Werk oder zur Industrie, wo es weiterverwendet wird“, erzählt der Unternehmer aus Dassel, der einen Holzhandel, ein Sägewerk und einen eigenen Fuhrpark betreibt.
Druck durch Kabotage
Arbeit gibt es für das Unternehmen in Solling zurzeit mehr als genug. „Wir fahren im Grunde rund um die Uhr, aber wir müssen uns natürlich an die gesetzlichen Regeln halten“, sagt Herbst. Er hat Schwierigkeiten, geeignetes Fahrpersonal zu finden, denn ein Waldweg ist nun einmal keine Autobahn und erfordert ganz spezielle Kenntnisse. Die Aufweichung der Kabotage und der Fahrermangel sorgen bei ihm für zusätzlichen Druck in einer ohnehin schwierigen Situation. Eigentlich müsste er ebenso wie die verarbeitende Industrie die Kapazitäten aufstocken. Aber wie soll sich das rechnen, wenn der Wald in zwei drei Jahren leergeräumt ist und es dann erst einmal für Jahrzehnte nur sehr kleine Holzernten gibt, fragt er sich.