3G: Branche sieht Lieferketten in Gefahr

24. Nov. 2021 Newsletter / Transport & Verkehr
Die neuen Corona-Regelungen für eine 3G-Kontrollpflicht am Arbeitsplatz sorgen in der Transportbranche für helle Aufregung. Kritiker halten die Auflagen, mit denen die explodierenden Infektionszahlen eingebremst werden sollen, für nicht umsetzbar und befürchten eine weitere Verschärfung bei den Lieferengpässen.
Die 3G-Kontrollpflicht für Arbeitsstätten ist zum 24. November in Kraft getreten. Aber für den Mobilitäts- und Logistiksektor sind die neuen Vorschriften im Infektionsschutzgesetz nicht praktikabel, kritisiert nicht nur das Deutsche Verkehrsforum (DVF). Die 3G-Regelung sei für stationäre Arbeitsplätze sinnvoll, betont DVF-Geschäftsführer Florian Eck. „Im mobilen Bereich droht ein Lockdown der Lieferketten“, hebt er warnend hervor.
„Die bisher berechtigte Ausnahme von Transportpersonal von der Testpflicht wird damit faktisch außer Kraft gesetzt“, kritisiert Eck. „Betriebsgelände und Logistikzentren können somit nicht befahren oder betreten werden, die Lieferketten werden lahmgelegt.“ Tests vor der Belieferung seien kaum möglich. Wenn überhaupt, sind insbesondere Fahrer aus Ländern wie Weißrussland, Russland oder der Ukraine oftmals mit Impfstoffen wie dem russischen Sputnik immunisiert, die in der EU gar nicht zugelassen sind.
Ausnahme für Transportpersonal
Eck fordert pragmatische Ausnahmeregelungen für das Transportpersonal. Außerdem müssten die Testkapazitäten an den Grenzen ausgebaut werden. „Wenn keine Ausnahmeregeln kommen, drohen diesmal keine Staus an den Grenzen, sondern an den Toren der Logistikzentren“, sagt Eck. Dabei hätten die Unternehmen seit März 2020 erfolgreich Schleusenkonzepte und Hygienestandards entwickelt.
Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) sieht die Lage genauso. „Das bewährte EU-Green-Lane-Verfahren für den Gütertransport an den innereuropäischen Grenzen gilt an den Werkstoren nicht“, kritisiert DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster die 3G-Kontrollpflicht. Auch er fordert dringend Sonderregelungen, die zumindest für Unternehmen mit umfassenden Hygienekonzepten gelten müssten. Die Aufenthalte der Fahrer auf fremden Betriebsgeländen seien zudem sehr kurz, führt Huster aus.
Betriebsfremde erfassen
Täglich lieferten tausende Lkw-Fahrer in Logistikterminals Güter an oder holten Waren von dort ab, ein Großteil von ihnen komme aus dem Ausland, argumentiert der DSLV-Chef. Es sei abzusehen, dass auch die Kunden aus Industrie und Handel an praktische Grenzen stießen, wenn sie mit der Umsetzung der neuen deutschen 3G-Regeln sämtliche Kontakte zu betriebsfremdem Fahrpersonal auf eigenem Betriebsgelände erfassen müssten.
Die Bekämpfung der Pandemie werde auch weiterhin mit betrieblichen Hygiene- und Kontaktreduzierungskonzepten unterstützt. „Bedenklich ist deshalb nicht die Zielrichtung der neuen Rechtslage als solche, sondern der dahinterstehende zusätzliche organisatorische und planerische Aufwand für die Unternehmen, der erneut binnen weniger Tage realisiert werden muss“, sagt Huster.
Mobile Tests mit Nachweis
Der Bundesverband Güterkraftverkehr und Entsorgung (BGL) geht das Problem praktisch an und untersucht die Möglichkeit einer mobilen Testung mit Nachweis, berichtet Vorstandssprecher Prof. Dirk Engelhardt. Unabhängig davon könne das Fahrpersonal auch im Betrieb in Gegenwart einer entsprechend unterwiesenen Person einen Selbsttest durchführen, dessen Ergebnis dann bescheinigt werde. Nach der Arbeitsstättenverordnung gelten Fahrzeuge nicht als Arbeitsstätten, betont Engelhardt. Aber: „Es muss damit gerechnet werden, dass an Be- und Entladestellen von sämtlichem Fahrpersonal ein 3G-Nachweis gefordert werden wird.“ Das dort gültige Hausrecht decke - davon sei auszugehen - eine solche Forderung ab.
Generelle Impflicht gefordert
Rainer Schmitt, Geschäftsführer von Logistik Schmitt aus dem badischen Bietigheim, fordert deshalb eine generelle Impfpflicht in Deutschland und sieht dabei auch Kollegen aus kleineren oder größeren Firmen hinter sich. Ein Großteil seiner Flotte mit 80 Fahrzeugen starte in der Sonntagnacht von verschiedensten Betriebshöfen. Dort gebe es keine Möglichkeit, unter Aufsicht Tests zu machen. „Das ist organisatorisch gar nicht möglich“, sagt er. Und mit einem Lkw unterwegs bei einem Testzentrum anstehen, sei auch keine Option.