Alkoholmissbrauch: Experten sehen wachsendes Risiko
Die Zahl der Lkw-Unfälle, bei denen Alkohol im Spiel ist, ist relativ klein. Gleichwohl sehen Experten ein wachsendes Risiko und fordern nach zwei schweren Unfällen Konsequenzen.
Alkohol und Fahrerhaus vertragen sich nicht. Für seriös arbeitende Flottenbetreiber ist es eine Selbstverständlichkeit, einen Riegel vorzuschieben beziehungsweise Missbrauch zu ahnden. Doch die Bemühungen der hiesigen Werkverkehre und Speditionen in Richtung Verkehrssicherheit laufen ins Leere, wenn Trunkenheit am Steuer durch gebietsfremde Lkw nach Deutschland importiert wird.
GDV fordert Konsequenzen nach schweren Lkw-Unfällen
Einige besonders drastische Beispiele machen das deutlich und rufen Forderungen nach Konsequenzen hervor. "Einzelne Fälle aus der jüngeren Vergangenheit mit teils hochgradig alkoholisierten Fahrern zeigen, dass hier ein Problem wachsen könnte, das Unfallforschung und Polizei wachsam beobachten sollten", empfiehlt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
DVR macht sich für Alkohol-Interlocks stark
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) bekräftigt seine Forderung nach einem Alkoholverbot am Steuer, zum anderen empfiehlt er die Nutzung von Alkohol-Interlocks für auffällige Fahrer. Sie sollen in Verbindung mit einer Wegfahrsperre verhindern, dass ein alkoholisierter Fahrer seinen Lkw starten kann. Die Forderung nach einem Alkoholverbot am Steuer ist auch Teil eines Top-14-Maßnahmenpakets des DVR auf dem Weg zur Vision Zero. Sie besagt, dass niemand mehr durch einen Verkehrsunfall getötet oder schwer verletzt werden soll.
Unfall mit betrunkenem Geisterfahrer auf der A67
Besonders folgenschwer beziehungsweise frisch in Erinnerung sind zwei Unfälle: Der erste ereignete sich am 23. September auf der A67 bei Rüsselsheim. Ein 34-jähriger Pole kollidiert mit seinem Planen-Sprinter auf der Gegenfahrbahn mit zwei Pkw. Drei Menschen sterben, vier werden verletzt. Der Geisterfahrer war mit drei Promille Alkohol unterwegs.
Polizistin kommt kurz auf der A61 bei Viersen ums Leben
Kurz vor Jahresende, am 27. Dezember, kommt es zur nächsten Tragödie, die einer 23-jährigen Polizistin das Leben kostet. Ein 48-jähriger Mann aus der Ukraine rammt auf der A61 bei Viersen mit seinem Sattelzug einen Streifenwagen und schiebt ihn 200 Meter vor sich her. Die 23-Jährige stirbt auf der Rückbank. Die Kollegin am Steuer und ihr Beifahrer werden schwer verletzt. Der Lkw kam aus den Niederlanden und war der dortigen Polizei aufgefallen, weil er Schlangenlinien fuhr.
Unfall-Verursacher sitzt in Untersuchungshaft
Der Lkw-Fahrer hatte mehr als zwei Promille Alkohol im Blut. Er sitzt in Untersuchungshaft. "Für immer geliebt und für immer vermisst", steht in der Traueranzeige für die junge Polizistin aus Gronau. Mehr als 1.000 Menschen nahmen an einem Trauerzug am 6. Januar in die Gemeinde Epe teil.
Experten fordern, Lehren aus den Unfällen zu ziehen, warnen aber gleichzeitig mit Blick in die Unfallstatistik davor, die Öffentlichkeit zu ängstigen: "Unfälle unter Alkoholeinfluss spielen bei Lkw über 3,5 Tonnen eine absolut untergeordnete Rolle", sagt GDV-Mann Brockmann. Bei rund 4.000 von etwa 23.000 Lkw-Unfällen jährlich sei Alkohol im Spiel – davon beziehen sich rund 80 Prozent auf Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen.