Allianz-Studie: Prävention von Lkw-Unfällen

14. Aug. 2018
Die Allianz hat bei einem trans aktuell-Expertengespräch eine neue Studie zur Prävention von Lkw-Unfällen vorgestellt.
Assistenzsysteme einbauen und Leben retten – das ist die Kernaussage einer bisher noch unveröffentlichten Studie der Allianz zu Lkw-Unfällen und ihrer Vermeidbarkeit. Der Versicherer hat aus seinen Schadensakten auf 628 Unfälle mit Personenschaden aus dem Jahr 2014 zurückgegriffen, bei denen jeweils ein Lkw über zwölf Tonnen der Hauptverursacher war. Erstmals vorgestellt wurde die Studie bei einem Expertengespräch der Fachzeitschrift trans aktuell im Allianz Zentrum für Technik (AZT) in München.
Laut der Studie lassen sich knapp ein Drittel der Unfälle durch ein automatisches Notbremssystem vermeiden beziehungsweise in ihrer Schwere abmildern, etwa ein Viertel durch einen Spurwechsel-/Totwinkelassistenten und rund ein Achtel durch einen Kreuzungsassistenten. Bei einem Abbiege- und einem Rückfahrassistenten liegt das theoretische maximale Wirkpotenzial, wie es die Allianz nennt, zwar nur bei sechs und zwei Prozent. Allerdings ist die Chance beim Abbiegeassistenten, Unfälle mit Todesfolge oder mit Schwerverletzten zu vermeiden, am höchsten: Die Erfolgsquote liegt bei etwa einem Drittel beziehungsweise einem Viertel.
Überlebenschance bei Lkw-Abbiegeunfällen am geringsten
Auffällig ist die hohe Zahl an Unfällen im Längsverkehr, zum Beispiel durch Auffahren oder Spurwechsel: Knapp 60 Prozent der betrachteten Unfälle fallen unter diese Rubrik. Mit etwa 15 Prozent folgen danach bereits die Abbiegeunfälle. Schaut man sich die Schwere der beiden Unfalltypen an, wird deutlich, warum es sich lohnt, sich intensiver mit den Lkw-Abbiegeunfällen zu beschäftigen: Bei den betrachteten 58 Unfällen kamen mehr als zehn Prozent der beteiligten Personen ums Leben, etwa 30 Prozent wurden schwer verletzt. Die Überlebenschance ist deutlich geringer als bei anderen Unfalltypen. Bei der Hauptunfallart, dem Längsverkehr, etwa wurden bei 180 analysierten Unfällen nur zehn Prozent der beteiligten Personen schwer verletzt und etwa ein Prozent getötet.
Aufgrund der Schwere der Unfälle und der aktuellen Brisanz des Themas hat die Allianz die Rechtsabbiegeunfälle mit Radfahrern noch einmal einer gesonderten Analyse unterzogen. Basis waren 18 Unfälle, von denen sich fast alle innerorts ereigneten. Hier zeigte sich klar: Radfahrer ziehen sich besonders schwere Verletzungen zu. 80 Prozent von ihnen wurden vom Lkw oder Auflieger überrollt. Genauso hoch ist in der Folge die Quote der schwer verletzten oder getöteten Radfahrer. Nur ein Fünftel überlebte die Kollision mit leichten Verletzungen. Allianz-Unfallforscher Marcel Borrack rät daher dringend zum Einsatz eines Abbiegeassistenten.
AZT-Unfallforscher Dr. Gwehenberger: Systeme müssen auch beherrscht werden
Verwunderlich für viele ist, warum sich schwere Unfälle auch dann ereignen, wenn Assistenzsysteme an Bord waren. Eine Erklärung ist, dass die Systeme entweder abgeschaltet oder übersteuert wurden, weil Fahrer im Umgang damit nicht geschult sind. Dass sich selbst mit dem Notbremssystem laut der AZT-Analysen aktuell nur ein Drittel der Unfälle vermeiden lässt, liegt häufig an der fehlenden Kenntnis der Fahrer. „Die Systeme müssen auch beherrscht werden“, erklärte Dr. Johann Gwehenberger, Leiter der Unfallforschung des AZT.
Gwehenberger zeigte sich erfreut, dass die Zahl der Lkw-Unfälle im Verhältnis zur Verkehrsentwicklung abnimmt. „Doch ist es noch ein weiter Weg zu unserem Ziel Vision Zero.“ Dahinter steht die Vorstellung, dass im Straßenverkehr kein Mensch mehr sterben muss. Voriges Jahr kamen 3.180 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Das ist der niedrigste Wert seit mehr als sechs Jahrzehnten. Andererseits gibt es eine Unfallart, bei der seit 2010 keine Erfolge zu erkennen sind – Unfälle mit Radfahrern. Angesichts von 382 getöteten Radfahrern, davon 37 bei Lkw-Abbiegeunfällen, allein 2017, gibt es hier keine Entwarnung.