Kontrolle der Wochenruhezeit: BAG stößt an Grenzen
Beamte des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) stoßen bei der Kontrolle der Wochenruhezeit an ihre Grenzen. Zieht der Lkw-Fahrer den Vorhang zu, bleibt er unbehelligt.
Der Sattelzug aus Litauen, der an einem Sonntag durch eine Leitplanke getrennt auf der Raststätte Aachener Land Süd direkt neben der A 4 parkt, ist schon von Weitem auffällig. Unter der geöffneten Motorklappe des alten Actros trocknet Wäsche, der Auflieger gehört einer deutschen Spedition, der Fahrer sitzt hinter halb geöffneten Vorhängen seine Zeit ab. Frühestens ab 22 Uhr könnte er weiterfahren.
Doch die vier Kontrolltrupps des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG), die gegen 16 Uhr mit je einem Bus und zwei Mitarbeitern eintreffen, besprechen erst einmal den Einsatz. Als sie sich entscheiden, ihre Kontrolle auf dem Lkw-Parkplatz hinter dem Rasthaus zu beginnen, lassen sie den litauischen Lkw links stehen. Kaum hat der Fahrer bemerkt, dass Kontrolleure unterwegs sind, zieht er den Vorhang zu, steigt aus und schließt die Tür ab. Bis zum Einbruch der Dunkelheit ist er nicht mehr zu sehen.
Seit dem 25. Mai dieses Jahres ist eine Ergänzung im deutschen Fahrerpersonalgesetz (FPersG) in Kraft getreten, die es Fahrern verbietet, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen. Dazu gibt es eine Bußgeldvorschrift, die im Paragraf 8 a des FPersG eingefügt wurde. Sie lautet: „Im Fall von Satz 1, Nummer 2 sorgt der Unternehmer auch dann nicht dafür, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nach Artikel 8, Absatz 6 eingehalten wird, wenn diese im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird.“ Eine zweite ähnliche Formulierung gilt für den Fahrer.
Drei Monate lang gab es eine Schonfrist, damit sich die Unternehmen auf die neue Situation einstellen konnten. Diese Frist ist nun vorbei. Mit zwei Kontrollen am10. September auf der Raststätte Medenbach an der A 3 und am 17. September auf der Raststätte Aachener Land an der A 4 hat das BAG nun zum ersten Mal das Schwert der Kontrolle gezückt. Doch das ist stumpf. „Wir kontrollieren derzeit nur, ob die Fahrer, die wir im Lkw antreffen, 24 Stunden Pause machen oder doch länger im Lkw sind“, berichtet Bernd Krekeler, seit Juli Referatsleiter Straßenkontrollen des BAG in Köln.
Und das geht nach einem einfachen Plan, der auch verhindern soll, dass die Fahrer, die ja bei einer Kontrolle der Mitwirkungspflicht unterliegen, diese Zeit der Ko¬ntrolle nicht als Arbeitszeit im Tacho dokumentieren müssen.
Digitaler Tachograf hilft bei der Kontrolle
„Es erfolgt eine Ansprache, welche Ruhezeit sie einlegen“, sagt Krekeler. „Dafür haben wir Vordrucke in mehreren Sprachen. Das überprüfen wir direkt im Digitalen Tachografen. Macht der Fahrer seine reduzierte Ruhezeit, ist die Kontrolle bereits vorbei.“ Liegt ein Fahrer bei der Kon¬trolle zwischen 24 und 45 Stunden Pause, sind dem BAG die Hände gebunden. Denn er könnte ja auch nach 44 Stunden weiterfahren. „Das wäre immer noch eine reduzierte Ruhezeit“, erläutert Krekeler. Im Prinzip müsste das BAG bis zum Morgen warten, und den Fahrer erneut kontrollieren. Oder die Kontrolle an die Polizei delegieren. Dasselbe gilt für Fahrer, die mit einem Kleinbus aus der Heimat angereist kommen und diese Zeit erst nachtragen, wenn sie losfahren. Doch auch die Mitarbeiter des BAG unterliegen dem Arbeitszeitgesetz. Und bis weit in die Dunkelheit kontrollieren die unbewaffneten Beamten rein aus Selbstschutz nicht.
Im Vergleich zu den Kontrollen, die etwa die belgische Polizei rund um Lüttich durchführt, indem sie sich durch Auslesen der Fahrerkarte im Laptop über die Software Globo-Fleet ein Bild der vergangenen Wochen verschafft, verzichtet das BAG bisher darauf. Doch nur durch diesen Gesamtüberblick über mehrere Wochen ließe sich ermitteln, ob die 24 Stunden im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Reihenfolge gemäß Artikel 8 Absatz, 6 der VO (EG) 561 tatsächlich korrekt eingelegt sind. In Belgien wäre der Lkw aus Litauen sofort und vor allem anders kontrolliert worden.
„Wir verschaffen uns derzeit einen Überblick über die Situation auf den Autobahnraststätten, um daraus weitere Erkenntnisse zu gewinnen“, sagt Krekeler. Aller¬dings: Nur fünf Prozent der gesamten Kontrollzeit des BAG ist für die Sonntage vorgesehen. Das sind also bundesweit zwölf Tage, mal 120 Kontrollteams, die, so die Vorgabe, zudem nie alleine unterwegs sein sollen. Das ist nicht viel, wenn das BAG demnächst noch die Kombi-Terminals und einige Parkplätze an Logistikzentren kontrollieren möchte.
So genannte Polen-Sprinter fallen nicht unter das Verbot
Auf den beidseitig voll besetzten Parkplätzen sind die Kon¬trollergebnisse ernüchternd: Die im Volksmund als Polen-Sprinter bezeichneten Transporter bis 3,5 Tonnen fallen grundsätzlich nicht unter das Verbot, die Fahrer bleiben unbehelligt. Viele der Lastzüge parken mit geschlossenen Vorhängen, deren Fahrer werden laut BAG-Definition „nicht angetroffen“, die Pause der mutmaßlich schlafenden Fahrer will man nicht stören. Fahrer, die sich vor oder neben dem Lkw aufhalten und verneinen, dass sie deren Fahrer sind, können nur von der Polizei einer Identitätskontrolle unterzogen werden.
In Medenbach werden am Ende von sechs Kontrollteams 53 Fahrer angetroffen und befragt, drei haben ihre 45-stündige Pause eingelegt. In Aachen werden 25 Fahrer befragt, sechs haben nach einer genauen Kontrolle diesen Verstoß begangen. Es wird eine Sicherheitsleistung in Höhe des Bußgelds erhoben. Allein dieser Vorgang dauert rund 45 Minuten. „Viele Fahrer wussten Bescheid, dass sie in Deutschland keine 45 Stunden Ruhezeit mehr machen dürfen“, berichtet Krekeler. Tatsächlich dürfte die Grauzone viel größer sein. Zudem parken viele Fahrer mittlerweile in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Dort gibt es zwar faktisch auch ein Verbot – aber es wird überhaupt nicht kontrolliert.
Strafen drohen
Lange wurde diskutiert, ob Fahrer und Unternehmer überhaupt nach der laufenden Nummer 111 aus dem Bußgeldkatalog bestraft werden können. Denn diese bezieht sich nur auf den Artikel 8, Absatz 6 der dem FPersG zugrunde liegenden EU-Verordnung 561/2006. Für jede Stunde, die der Fahrer seine Ruhezeit verkürzt, hätte er pro Stunde 30, der Unternehmer 90 Euro zahlen müssen. So haben sich das Bundesverkehrsministerium, das BAG und die Innenminister der Länder vorerst auf ein pauschales Bußgeld von 500 Euro für den Fahrer und 1.500 Euro für den Unternehmer geeinigt.