Berlin will mit Maßnahmenpaket Fahrverbote verhindern

19. Jan. 2018
Mit einem Paket von zehn Maßnahmen will Berlin Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhindern und die Luft verbessern. Förderprogramme für Taxis und eine auf die Wirtschaft ausgerichtete Elektromobilität sollen unter anderem dafür sorgen, dass möglichst rasch viele Dieselfahrzeuge mit hoher Kilometerleistung von den Straßen verschwinden und die Stickoxidwerte sinken, teilte der Senat mit. Hintergrund für den Vorstoß ist ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts, das am 22. Februar erwartet wird. Die Richter wollen bis dahin entscheiden, ob Kommunen wegen zu hoher Luftbelastung Fahrverbote verhängen müssen.
Vorgesehen sind auch die schrittweise Umstellung der landeseigenen Flotten auf Elektrofahrzeuge, Nachrüstungsangebote für Fahrzeugtypen ohne vollelektrische Alternativen und der Ausbau der Infrastruktur für Ladestellen. Stark stickoxidbelasteten Gebieten soll mit Sofortmaßnahmen geholfen und der öffentliche Nahverkehr attraktiver gemacht werden, außerdem will Berlin den Radverkehr fördern. Beim Car-Sharing sollen künftig Elektrofahrzeuge zum Einsatz kommen, vom Bund wird verlangt, dass er ein Förderprogramm für Elektromobilität auflegt.
Die Ergebnisse der beiden Dieselgipfel auf Bundesesbene seien unzureichend gewesen, heißt es im Ergebnispapier, auf das sich Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, Bezirke und Senat bei einem Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller geeinigt haben. Man wolle interessenübergreifend eine saubere, klimaschonende Mobilität für Berlin erreichen und drohenden Fahrverboten nicht tatenlos gegenüberstehen, sagte Müller. „Wir haben für die Hauptstadt eigene Lösungen vorgelegt, zu denen der Bund bisher nichts anzubieten hat.“
Die Beteiligten wollen gemeinsam den Druck für den nächsten Dieselgipfel erhöhen, „damit sich auch die Bundeskanzlerin für eine saubere und zukunftsfähige Mobilität einsetzt und die Industrie endlich für entsprechende Angebote sorgt“, betonte Müller. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop berichtete, dass ein ein Förderprogramm „Wirtschaftsnahe Elektromobilität“ aufgelegt wird, um die gewerblichen Flotten der Stadt zu elektrifizieren.
Um die Stickoxide zu senken, setzt das Umweltressort nicht nur auf E-Mobilität, die Nachrüstung von Bussen und den Ausbau der Radinfrastruktur. Es geht insbesondere auch um einen besseren Verkehrsfluss. So sollen Autos, die auf Radwegen, Busspuren oder in Liefer- und Ladezonen parken, konsequent abgeschleppt werden, denn sie verursachen oft kilometerlange Staus mit entsprechend erhöhten Abgasen. Auf fünf stark belasteten Verkehrsachsen soll das Tempolimit von 50 auf 30 Stundenkilometer gesenkt werden.
Die Berliner Mobilitätsgespräche sollen im 2. Quartal des Jahres fortgesetzt werden, um konkrete Vereinbarungen für mittel- und langfristige Ziele zur Luftverbesserung und das Erreichen der Klimaziele des Berliner Energiewendegesetzes zu treffen.
Die Maßnahmen im Einzelnen
Taxi-Programm
Das Land Berlin will ein befristetes Förderprogramm für Berliner Taxis auflegen, für das bis zu fünf Millionen Euro zur Verfügung stehen. Dafür muss die Verschrottung eines Diesel-Taxis der Klassen Euro 0 bis Euro V und der Erwerb oder das Leasing eines erstzugelassenen Hybridelektro-Taxis nachgewiesen werden. Anträge könne bis Ende Juni gestellt werden, die Förderung erfolgt bis Ende 2018.
Förderprogramm „Wirtschaftsnahe Elektromobilität“
Die Elektrifizierung und effiziente Nutzung gewerblicher Flotten sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur im privaten gewerblichen Raum soll unterstützt werden. Im Sommer sollen die Eckpunkte des Programms für den Mittelstand beschlossen werden. Dabei geht es um Beratung, eine Förderung der Betriebs- und Wartungskosten von E-Fahrzeugen, die finanzielle Förderung der Ladeinfrastruktur und ihre Verknüpfung mit der dezentralen Erzeugung regenerativer Energien.
Umstellung der Landesflotten auf E-Mobilität
Das Land Berlin will den öffentlichen Fuhrpark auf emissionsarme Fahrzeug in den verschiedenen Fahrzeugkategorien umstellen. Die Umstellung des Pkw-Fuhrparks der Verkehrsbetriebe BVG sei bereits abgeschlossen, als nächstes sollen auch leichte Nutzfahrzeug elektrifiziert werden. Bei der Beschaffung sollen Dieselfahrzeuge künftig nur noch in begründeten Ausnahmefällen zulässig sein. Die Busflotte der Berliner Verkehrsbetriebe soll elektrisch werden, mit der Beschaffung von 30 Elektrobussen wird noch dieses Jahr begonnen, Dieselbusse werden mit Filtern nachgerüstet. In allen öffentlichen Unternehmen der Stadt wird die Bildung gemeinsamer Beschaffungsinitiativen mit anderen Großstädten und Bundesländern geprüft, um den Nachfragedruck auf die Automobililndustrie zu erhöhen.
Nachrüstung
Schneeräum-, Reinigungs oder Abfallfahrzeuge mit langer Gebrauchsdauer sollen auf elektrischen Antrieb umgerüstet oder mit Stickoxidkatalysatoren nachgerüstet werden.
Ausbau der Ladeinfrastruktur
Derzeit verfügt Berlin über 600 Ladepunkte, durch das Förderprogramm können bis zu 700 weitere hinzukommen. Bis zu 200 Ladepunkte sollen im privaten gewerblichen Raum, wie beipsielsweise Betriebshöfen, eingerichtet werden.
Besonders belastete Gebiete
Konsequentes Abschleppen von falsch parkenden Fahrzeugen soll den Verkehrsfluss verbessern, denn „Stop-and-Go“ führt zu mehr Schadstoffen. Auf fünf besonders belasteten Hauptverkehrsstraßen wird geprüft, ob Tempo 30 die Schadstoffe verringert, ein Radschnellnetz soll Anreize schaffen, vom Auto auf das Fahrrad umzusteigen. Die Verkehrsbetriebe setzen hier gezielt neuere oder nachgerüstete Busse ein.
Attraktiverer Nahverkehr
Das Jobticket Berlin soll schrittweise auf einen Preis von 50 Euro im Monat gesenkt werden.
Förderung des Radverkehrs
Die Radinfrastruktur soll ausgebaut und die Nutzung von Lastenrädern auch für gewerbliche Zwecke soll ausgeweitet werden.
Car-Sharing elektrifizieren
Weniger als zehn Prozent der 3.000 Car-Sharing-Fahrzeuge in Berlin sind E-Fahrzeuge. Die Anbieter wollen sie schneller als bisher umstellen oder durch Benziner, gasgetriebene oder Plugin-Fahrzeuge ersetzen.
Bundespolitische Initiativen
Die Berliner Landesregierung fordert von der Autoindustrie für Diesel-Fahrzeuge geeignete Hardware- und Softwarelösungen und erwartet von der Bundesregierung Unterstützung. Ein bundesweites Förderprogramm soll im Wesentlichen von den Autobauern finanzier werden und die Kosten für die Nachrüstung abdecken.