VDA-Präsident Bernhard Mattes im Interview
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnt vor einer Verteufelung des Dieselantriebs. Im Fernverkehr werde er seine starke Berechtigung behalten, sagt VDA-Präsident Bernhard Mattes im Exklusiv-Interview.
eurotransport.de: Herr Mattes, Sie haben als VDA-Präsident in stürmischen Zeiten begonnen. Noch immer ist der Diesel-Skandal nicht aufgearbeitet. Wie stabil ist Ihr Nervenkostüm?
Mattes: Als ich im Herbst 2017 gefragt wurde, ob ich das Amt übernehmen wolle, waren die schwierigen Themen ja schon längst virulent. Insofern wusste ich, worauf ich mich einlasse. Ich bin leidenschaftlicher Automobilist, in Wolfsburg geboren und habe mein ganzes Berufsleben mit dem Automobil zu tun. Wenn man dann die Chance bekommt, Verantwortung für mehr als 600 Mitgliedsfirmen zu übernehmen, Vertrauen für diese Branche zurückgewinnen zu können und an der Mobilität von morgen gestaltend mitzuwirken, dann ist das eine Aufgabe, der ich mich mit Überzeugung und Leidenschaft stelle.
Was muss die Automobilbranche in Zusammenhang mit der Diesel-Krise noch alles aufarbeiten?
In meinen Wertekanon passt nichts, was Betrug und unrechtmäßiges Vorgehen angeht. Das wird aufgeklärt, und es muss sichergestellt werden, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholen können. Ich weiß: Vertrauen erwirbt man, indem man überzeugende Lösungen anbietet und Zusagen konsequent in die Tat umsetzt. Dazu zählen die auf dem Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen und die Ausrichtung auf Mobilitätsthemen der Zukunft, um Umwelt und Mobilität in die Balance zu bringen.
Welche Fortschritte haben Sie hier seit Beginn Ihrer Funktion zum 1. März erreicht?
Wer verlorenes Vertrauen zurückgewinnen will, schafft das nicht über Nacht. Das benötigt Zeit, Transparenz und geht Schritt für Schritt. Wir arbeiten intensiv an den Lösungen. Mehr als die Hälfte der vereinbarten Diesel-Pkw haben ein Software-Update bekommen, die Umstiegsprämie kommt gut an, und im Rahmen des Mobilitätsfonds fließt Geld von deutschen Herstellern, das den Städten bei der Flottenerneuerung hilft.
Der Diesel ist in Verruf geraten. Bei den Nutzfahrzeugen ist der Umstieg aber nicht so einfach. Wird er perspektivisch im Fernverkehr jemals gelingen?
Gerade beim Nutzfahrzeug gibt es kurzfristig keinen vollständigen Ersatz für den Diesel. Der moderne Diesel behält vielmehr seine starke Berechtigung. Insbesondere im Fernverkehr ist er nicht wegzudenken. Mit Blick auf Verbrauch und Emissionen ist er ein hervorragender, sauberer und sehr effizienter Antrieb. Für den Nah- und Regionalverkehr wird es jedoch unterschiedliche Lösungen geben. Innerstädtisch bietet es sich an, die Elektromobilität zu forcieren. Wir müssen schauen, inwieweit auch Erdgas oder die Brennstoffzelle als Alternativen infrage kommen. Noch ist ihr Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität eher gering.
Das könnte sich durch das neue Förderprogramm für CO2-arme Nutzfahrzeuge ändern, oder?
Es ist ein Anfang und der ist richtig – wenngleich die Fördersumme mit zehn Millionen Euro etwas gering ausfällt. Wir wollen Erfahrungen sammeln. Es ist auch gut, Gasantriebe zu fördern. Der VDA hat sich stets für Technologieoffenheit ausgesprochen. Niemand kann heute mit Gewissheit sagen, welche Antriebsart sich in 10 bis 15 Jahren mit welchem Anteil durchsetzen wird. Dazu ist es erforderlich, über die Grenzen Europas hinaus zu denken. Die Dena-Studie hat gezeigt, dass es durchaus sinnvoll sein kann, klimaneutrale E-Fuels mittels Solarenergie in nordafrikanischen Ländern zu produzieren und sie über die bereits vorhandene Infrastruktur nach Europa zu befördern. Damit würden wir einen enormen Beitrag zur CO2-Minderung leisten.
Warum sich die Branche mit der Brennstoffzelle schwer tut, warum Fahrverbote nicht die Lösung sind und warum der Vorschlag der EU zur CO2-Reduktion bei Lkw zu ehrgeizig ist, lesen Sie auf .