Billigfrachten: Amazon wehrt sich gegen Vorwürfe

13. Mai 2020
Der Online-Versandriese Amazon verteidigt die ausgeschriebenen Tiefpreise für Transporte. Die Transport- und Logistikbranche hatte dem Unternehmen vorgeworfen, sie mit Billigfrachten für Teil- und Komplettladungen unter Druck zu setzen. Amazon bietet innereuropäische Touren für 41 bis 70 Cent pro Lastkilometer an.
eurotransport.de liegen tagesaktuelle Auszüge aus dem Load Board Amazon Relay vor, das im Schnitt Touren zum Lastkilometer von etwas über 50 Cent anbietet. Der Ausreißer nach unten ist ein Transport über 490 Kilometer von Dobrovice in Tschechien nach Kolbaskowo in Polen, für den Amazon 41 Cent pro Lastkilometer bietet. Das höchste Gebot liegt bei 70 Cent für eine Tour von Saint-Martin-de-Crau in Südfrankreich nach Augsburg. Die Strecke beträgt knapp 1.000 Kilometer.
Amazon: zusätzliche Einnahmen durch Rückladungen
Eine Amazon-Sprecherin bezeichnet Amazon Relay gegenüber eurotransport.de als ein ergänzendes Angebot für Transportdienstleister, die aufgrund fehlender Rückladung Leerfahren in Kauf nehmen müssten. „Amazon Relay richtet sich an diese Unternehmen und erlaubt ihnen, durch die Annahme einer Rückladung zusätzliche Einnahmen zu erzielen“, sagt sie. Amazon nutze also bestehende Marktkapazitäten, die nun ein zusätzliches Ladungsangebot hätten. Es sei eine Win-Win-Situation.
Die Sprecherin betont, dass die Touren jeweils in eine Richtung stattfinden. „Es handelt sich um One-Way-Verkehre, nicht um Rundläufe“, betont sie. Jeweils eine Fahrt müsse also anderweitig gedeckt und finanziert sein. „Partner können bestimmte Strecke akzeptieren, wenn sie auf dieser Strecke leere Kapazität haben, dabei werden die Lkw nicht exklusiv genutzt“, sagt sie mit Blick auf das niedrige Preisniveau bei Amazon Relay.
Gros der Transporte läuft über Rahmenverträge
Das Gros der Ladungen werde bei Amazon auch nicht über Amazon Relay abgewickelt, sagt die Sprecherin. „Das Kerngeschäft beruht auf individuellen Rahmenverträgen mit unseren Transport- und Logistikpartnern“, berichtet sie. Die Lösung Amazon Relay bezeichnet sie als „Load Board“, das kurzfristig anfallenden Transportbedarf abbilde – weil zum Beispiel Schwankungen auftreten oder die festen Partner Touren aufgrund von Krankheit oder anderer Faktoren nicht fahren können. Der Zeithorizont der Verkehre erstreckt sich demnach auf einige Tage bis maximal eine Woche. Wie viele Transporte täglich auf Amazon Relay ausgeschrieben werden, teilt der Online-Händler nicht mit.
Das Load Board ist in Deutschland seit Ende 2019 am Start, das Angebot gibt es europaweit in mehreren Sprachen. Es handele sich um „ein Technologie-Toolset mit allem, was Sie brauchen, um Ladungen für Amazon zu transportieren“, heißt es auf der Homepage an die Adresse von interessierten Transport- und Logistikunternehmern. Amazon hebt die hohe Transparenz und Einfachheit des Systems hervor. Die Ladung gebe es als All-in-Preis per Knopfdruck – bei Bedarf auch noch eine Routenführung für den Fahrer. „Bei anderen Load Boards braucht es weitere Abstimmungen, bei uns nicht“, heißt es. Mit der Bestätigung durch den Spediteur sei die Tour angenommen.
Algorithmus kalkuliert Frachten und passt sie aktuell an
Die Parallele zur 1-Click-Bestellung von Waren auf der Amazon-Web-Site ist dabei kein Zufall. Und wie bei Amazon sind auch bei Amazon Relay die Preise in Bewegung. „Es gibt einen Algorithmus, der die Frachten kalkuliert und tagesaktuell anpasst“, sagt die Sprecherin. Transportdienstleister nähmen durch ihre Reaktion direkten Einfluss auf diese Preise. Entweder sie nehmen die Tour an – oder nicht. „Wenn keiner auf den Vorschlag reagiert, erhöht das System automatisch den Preis“, erklärt die Sprecherin. Speditionen hätten auch die Möglichkeit, ihre eigene Preisvorstellung zu hinterlegen – über die Funktion „Post your truck“. Die Amazon-Sprecherin betont: „Wir bestimmen keinen Marktpreis.“
Dass Speditionen nun das System kritisierten, bedauert die Sprecherin. „Amazon Relay ist ein Serviceangebot, das kleinen und mittleren Unternehmen das Werkzeug und die Technologie zur Verfügung stellt, um in der Transportbranche erfolgreich und wettbewerbsfähig zu sein“, sagt sie. „Technologie, die normalerweise Firmeneigentum oder kostenpflichtig wäre, wird sowohl großen als auch kleinen Partnern angeboten, um ihr Geschäft effizienter zu machen.“ Diese Technologie gebe den Amazon-Partnern erstmals die Möglichkeit, bei Einwegfahrten zusätzliche Einnahmen zu erzielen, wenn sie freie Kapazitäten haben. „So helfen wir dabei, die Straßen von Leerfahrten freizumachen. Im Durchschnitt erzielen die Partner zwischen 600 und 1.000 Euro pro Ladung an zusätzlichen Einnahmen, indem sie die vorhandene Marktkapazität nutzen. Es ist ein Angebot, das vorher nicht existierte.“