Blockabfertigung: Slot-System steht in der Kritik
Das Slot-System bei der Blockabfertigung am Brenner sorgt für reichlich Diskussionsstoff.
Nach Ansicht des Zentralverbands Spedition & Logistik (ZV), einer Interessensvertretung für Spediteure und Logistik-Dienstleister mit Speditionskonzession in Österreich, stellt das digitale Slot-Buchungs-System keine gute Lösung für den Lkw-Verkehr über den Brenner dar. Das digitale Slot-Buchungs-System ist ein von Bayern, Tirol und Südtirol vorgeschlagenes Modell.
Zentralverbands-Präsident Alexander Friesz erklärt: „Das im Detail noch nicht bekannte System würde nicht weniger Lkw-Verkehr über den Brenner bringen, sondern mehr Staus und damit auch potenziell höhere Emissionen. Niemand kann nämlich immer genau sagen kann, wann ein Lkw an der Grenze ankommen wird. Was passiert, wenn ein Lkw zu früh oder zu spät kommt? Es ist ärgerlich, dass man hier Bürokratiemonster schafft, anstatt die betroffene Branche mit einzubeziehen.“
„Scheinheiliger Vorschlag“
Die Folgen wären vermehrte Staus und das Risiko zusätzlicher anstatt geringerer Emissionen. Bestätigt sieht sich Friesz durch die ebenfalls kritische Haltung der EU-Kommission und deren Warnung vor einer Einschränkung des freien Warenverkehrs. Eine weitere Verlagerung von Gütern auf die Schiene sei wegen fehlender Kapazitäten auch keine Option. Der Vorschlag einer Verlagerung auf die Schiene sei scheinheilig, da alle Beteiligten wissen, dass es dort derzeit viel zu wenig Kapazitäten gibt. Darüber hinaus fehlt es demnach in Italien und Deutschland an adäquaten Güterterminals zur Verlagerung auf die Schiene.
Umsetzbare Lösungen finden
Eine Verbesserung der Verkehrslage würde laut ZV etwa eine Aufweichung des Lkw-Nachtfahrverbotes bringen. Damit könnte man den Verkehr besser verteilen, Verkehrsspitzen abflachen und damit Staus vermeiden. Friesz: „Lkw fahren nicht zum Vergnügen über den Brenner. Sie dienen der europaweiten Versorgungssicherheit und sind für den Handels- und Industriestandort Österreich unabdingbar. Mit einem Modal Split von rund 30 Prozent liegt der heimische Güterverkehr bereits jetzt europaweit auf dem hervorragenden Platz drei. Eine weitere signifikante Verlagerung, speziell über den Brenner, wäre schön, ist aber auf absehbare Zeit unrealistisch.
Brenner-Blockabfertigung in der Kritik
Der CSU-Europaabgeordnete und verkehrspolitische Sprecher der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, sieht die EU-Kommission in der Pflicht und fordert sie zum Handeln auf. Er erwartet konkrete Lösungsversuche, um das Nadelöhr am Brenner zu beseitigen: „Die Brenner-Causa geht in die nächste Runde der Gespräche unter den Verkehrsministern und wieder muss mit Entsetzen festgestellt werden, dass bis dato keinerlei Fortschritte am Brenner erzielt worden sind. Mit dem Dosierungskalender für 2023 macht das Land Tirol klar, dass es an der Blockabfertigung eisern festhält.“
Kein „Weiter so“
Für den CSU-Europaabgeordneten ist ein „Weiter so“ gänzlich inakzeptabel: „Seit Jahren gehört das Verkehrschaos mit kilometerlangen Staus zum Alltag an einer der Haupt-Verkehrsadern in Europa. Verkehrsminister Wissing muss das Thema zur Chefsache machen und der Blockabfertigung ein Ende setzen. Es braucht umgehend eine europäische Lösung für das grenzüberschreitende Verkehrschaos“, so Ferber.
„Keine wirkliche Bereitschaft gezeigt“
Der Weltdachverband der Straßentransportwirtschaft IRU (International Road Transport Union) moniert, dass die EU-Regierungen und -Behörden trotz Warteschlangen von bis zu 70 Kilometern immer noch keine Lösung für den Engpass am Brenner erarbeitet haben. Raluca Marian, EU-Advocacy-Direktorin der IRU, erklärt: „Leider hat Österreich keine wirkliche Bereitschaft gezeigt, die Brennerfrage zu lösen, die sich schon seit Jahren hinzieht.“
Zweifel an der Schiene
Auch Marian äußert Zweifel an der Schiene. „Wir hören immer wieder, dass Schiene und kombinierter Verkehr die Lösung seien. Doch wie die Zeit gezeigt hat, kann die Schiene allein das Gütervolumen, das über den Brenner transportiert wird, nicht bewältigen. Es werden beide Modi und ihre Kombinationen benötigt. Fahrverbote haben zu massiven Verkehrsstaus geführt. Die Warteschlangen erreichen eine Länge von 70 Kilometern und die Sommerferien stehen vor der Tür. Das ist eine inakzeptable Situation, ganz zu schweigen von den CO₂-Emissionen. Man kann sich die desaströsen Auswirkungen vorstellen, die das stundenlange Vorwärtsfahren von Lkw hat, was die Haltung Österreichs noch schwieriger nachvollziehbar macht.“ Sie fordert: „Die Kommission sollte alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumente nutzen, um die Situation zu entschärfen. Diskussionen reichen möglicherweise nicht aus.“