Branche: Bessere Arbeitsbedingungen im Fokus

15. Jan. 2024 Newsletter
Beim Forum des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR), der DVR Arena, ging es um die Arbeitsbedingungen auf Europas Straßen sowie um die Parkplatznot.
Im Dezember fand die erste DVR Arena als hybride Veranstaltung in Berlin statt. Das Thema: „Arbeitsbedingungen auf Europas Straßen: Zeitdruck, knappe Parkplätze, Fahrpersonalmangel – eine Herausforderung für die Verkehrssicherheit.“
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Prof. Dr. Dirk Engelhardt, thematisierte den Fahrermangel. Demnach fehlen in Deutschland momentan 80.000 bis 100.000 Berufskraftfahrer (BKF). Etwa ein Drittel der BKF im Straßengüterverkehr ist älter als 55 Jahre. Jährlich gehen 30.000 BKF in Rente. Demgegenüber stehen nur 15.000 bis 20.000 Berufseinsteiger. Mit Blick auf die Zahlen erklärte Engelhardt: „Wenn sich jetzt nichts ändert, fehlen 2025 bis zu 125.000 Fahrer. Dann droht Deutschland ein Versorgungskollaps wie in England.“
Was ist zu tun? Für Engelhardt gibt es keinen Königsweg. Dennoch nannte er einige Stellhebel. Es sei wichtig, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, den Bürokratieabbau entschlossen anzugehen und die Zuwanderung zu erleichtern. Bei letzterem Punkt müsse die Visavergabe für BKF beschleunigt werden. Aber auch die EU-einheitliche Harmonisierung der Anerkennung von Fahrerlaubnissen aus Drittstaaten erachtet Engelhardt für sinnvoll.
Katastrophale Arbeitsbedingungen
Viel zu tun gibt es jedoch auch noch bei den Arbeitsbedingungen und bei der Verkehrssicherheit, wie Raymond Lausberg, Erster Hauptinspektor bei der Polizei im belgischen Lüttich, ausführte. Er engagiert sich gegen Sozialdumping auf Europas Straßen. Seiner Beobachtung nach rechnet sich Sozialdumping für manche Spediteure, auch wenn sie ab und zu kontrolliert und bestraft werden. Die Vergehen sind vielfältig: Sozialversicherungs- und Umsatzsteuerbetrug, gefälschte Fahrzeugzulassungen, illegale Kabotage oder gefälschte technische Bescheinigungen.
Lausberg forderte verstärkte Kontrolle, auch mit Blick auf die Arbeitsbedingungen: „Der Mobilitätspakt I ist ohne Kontrollen ineffizient.“ Allerdings gab Lausenberg auch zu bedenken: „Bei einer Razzia fanden wir in einem Lkw eine Karte, in der die Autobahn E 40 zwischen Lüttich und Aachen rot eingezeichnet war. Der Spediteur hat seinen Fahrern verboten, diese Autobahn zu befahren. Der Grund: Dort sind nach Ansicht des betreffenden Spediteurs die Kontrollen zu streng.“
Vanessa Kuhlage von der Polizei NRW beleuchtete das Thema Parkplatzmangel. Damit hat die Polizeikommissarin sich auch bereits in ihrer Bachelorarbeit näher beschäftigt. Der Titel: „Lkw-Parkplatzmangel – Ein unlösbares Dilemma zwischen Geisterparkern und Sekundenschläfern in der polizeilichen Verkehrssicherheitsarbeit?“ Demnach liegen die Ursachen des Lkw-Parkplatzmangels auf der Hand: Die anhaltende Zunahme des Straßengüterverkehrs, die Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren, aber auch die Einwendungen der Anlieger und Kommunen gegen neue Parkplätze.
Dramatischer Mangel an Parkplätzen
Das Problem mangelnder Lkw-Parkplätze hat sich mittlerweile dramatisch verschärft. Kuhlage zitierte einen Lkw-Fahrer, der von der Polizei wegen eines Parkverstoßes kontrolliert wurde und in der ZDF-Fernsehsendung „Drehscheibe erklärte: „Ich weiß, das ist viel zu gefährlich. Aber ich habe keine andere Wahl. Wo soll ich anhalten? Da ist alles voll. Und weiter fahren darf ich auch nicht. Das ist das Problem.“
In der gleichen Sendereihe ging es um einen Unfall, der wegen eines zugeparkten Lkw-Parkplatzes am Rasthof Ickern bei Castrop-Rauxel an der A2 passierte. Ein BMW kam in Höhe der Ausfahrt von der Fahrbahn ab. Er prallte gegen den Anhänger eines Lkw. Von dort rutschte der Wagen weiter unter den Anhänger eines anderen Lkw. Der Fahrer verstarb sofort an der Unfallstelle. Daraufhin stieg der Fahrer des niederländischen Lkw aus. Er wollte mit einem weiteren Ersthelfer zur Unfallstelle eilen, um erste Hilfe zu leisten. Hierbei überfuhr ihn ein von hinten herannahendes zweites Auto. Dessen Fahrer rutschte daraufhin unter den zweiten Lkw und verstarb direkt an der Unfallstelle.
In einer Umfrage Kuhlages im Rahmen der Bachelorarbeit mit 146 Fahrern kam heraus: Wegen des Parkplatzmangels parken 83 Prozent der Befragten außerhalb von Autobahnen auf Flächen, die vom Lkw-Parkverbot erfasst sind. 73 Prozent der Befragten erlebten bereits Konkurrenz mit Campern um einen Lkw-Stellplatz. „Der Lkw-Parkplatzmangel wird auch dadurch verschärft, dass Wohnmobile auf Lkw-Parkplätzen parken dürfen, aber nicht umgekehrt“, führte Kuhlage aus.
Wie sieht die Problemlösung aus? Bereits 2020 hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) einen Fünf-Punkte-Plan aufgelegt, um Abhilfe zu schaffen. Zum einen den Neu- oder Ausbau von Lkw-Parkplätzen, ebenso telematische Parkverfahren, Parkleitsysteme, eine optimierte Nutzung sowie neue Parkraummodelle. Im Jahr 2021 erließ das BMDV zusätzlich die „Richtlinie zur Förderung privater Investoren zur Schaffung von zusätzlichen Stellplätzen in der Nähe von Autobahnanschlussstellen.“
Anspruch und Wirklichkeit
Dies Ziele dieser Vorhaben wurden bislang jedoch deutlich verfehlt. Als die Förderrichtline 2021 geschaffen wurde, sollten bis 2024 insgesamt 90 Millionen Euro für 4000 zusätzliche Lkw-Stellplätze ausgegeben werden. In der Realität wurden jedoch bis 2022 nur 148 zusätzliche Lkw-Stellplätze geschaffen. Kuhlages Fazit: „Es werden zwar Lkw-Parkplätze gebaut, aber noch nicht genug. Denn die Zahl der Lkw steigt deutlich stärker als die Zahl der Parkplätze, die gebaut werden. So rennt man dem Problem mit der Lösung immer hinterher.“