Branchenverbände warnen vor überstürzter Antriebswende

01. Sept. 2017
Die Politik darf nicht in Aktionismus verfallen, nicht bei der Antriebswende und nicht bei der Suche nach einem „Schuldigen“ für die schlechte Luftqualität und steigende CO2-Emissionen. Das geht aus dem gemeinsamen Positionspapier der sechs Branchenverbände, dem Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ), dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo), dem Bundesverband Paket und Expresslogistik (Biek), dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), dem Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) sowie dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV), hervor.
Die Ziele des deutschen und des europäischen Gesetzgebers lauten demnach: einerseits die Luftqualität verbessern und andererseits die CO2-Emissionen reduzieren. Das seien jedoch „Komplementärziele“. Nur immense Mobilitäts- und Wohlstandseinbußen sowie ein radikaler technologischer Wandel der Fahrzeugtechnik, dem eine nachhaltige Energiewende vorausgehen müsse, machen laut der Verbände diese Ziele realisierbar.
Der Umweltschutz bilde eine wichtige Säule zum Erreichen der Ziele, jedoch sei er eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das bedeutet konkret: „Einseitige und ausschließliche Restriktionen der wirtschaftlichen Aktivitäten von Speditionen, Transportlogistikern, Paket- und Expressdienstleistern sowie Busbetreibern“ reichen nicht aus.
Natürlich trage die Verkehrsbranche mithilfe weiterer logistischer Prozessoptimierungen und dem verstärkten Einsatz von „Fahrzeuginnovationen“ zur Reduzierung von CO2- und Luftschadstoffemissionen bei. Doch in die Betrachtung müssten alle Auslöser einfließen.
Die Verbände warnen zudem davor, Nutzfahrzeuge und Busse im Kontext zum aktuellen Diesel-Skandal mit Pkw gleichzusetzen. Sie dürften nicht „ungerechtfertigt in den Sog des Negativ-Images des Diesel-Pkw geraten“. Der Dieseltechnologie falle in der öffentlichen Wahrnehmung die maßgebliche Verantwortung für zu hohe Emissionswerte zu.
Zu drohenden Diesel-Fahrverboten, von denen lediglich Euro 6-Fahrzeuge ausgenommen wären, äußern sich die Verbände ebenfalls. „Technisch einwandfreie und hochwertige Euro 5-Fahrzeuge“ könnten auf dem Gebrauchtfahrzeugmarkt nicht mehr abgesetzt werden – die Fahrverbote würden sie völlig entwerten. Der Zeitpunkt für die Einführung von dauerhaften Fahrverboten müsse sich demnach am tatsächlichen Verbreitungsgrad und dem Emissionsniveau der großen Mehrheit bereits zugelassener Lkw und Busse orientieren.
Ausnahmeregelungen, die Fahrverbote betreffen, sind für den Lieferverkehr, die City-Logistik und den Busverkehr vorgesehen. Sie sollten jedoch so bemessen sein, dass die Neuanschaffung von Euro 6 oder anderen emissionsarmen Nutzfahrzeugen für die Unternehmen realisierbar bleibt.
„Bis zur seriellen Fertigung alternativ angetriebener und bezahlbarer Fahrzeuge einschließlich flächendeckender Tank- und Ladeinfrastruktur können moderne Dieselfahrzeuge nicht einfach und dogmatisch von heute auf morgen den Versorgungsprozessen von Industrie, Handel und Bevölkerung entzogen werden“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung deutlich.
Zu einer nachhaltigen Umweltpolitik gehöre ebenfalls, den Individualverkehr auch auf den Bus als Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu verlagern. Selbstverständliche Voraussetzung dafür: Busse dürfen weiterhin ungehindert in die Innenstädte fahren.
Die Forderung der Politik, die Elektromobilität auch über den Stadtverkehr hinaus schnell zu verbreiten, halten die Verbände für zu pauschal formuliert und nicht ausreichend fundiert. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Energiesektor die zu erwartende Verdopplung des notwendigen Energiebedarfs nicht allein auf regenerativer Basis erbringen könne.
Die Verbände betonen, dass sie alternative Fahrzeugtechnologien unterstützen. Jedoch müssten sie zukunftsfähig und wirtschaftlich sein. Eine flächendeckende Ladeinfrastruktur sei ebenfalls unabdingbar.