Brüssel: Euro 7 kommt in abgeschwächter Form

26. Okt. 2022 Newsletter
Die EU-Kommission in Brüssel hat offenbar die neuen Euro-7-Abgasnormen stark abgeschwächt. Lieferkettenprobleme „und steigende Kosten aufgrund der zahlreichen Krisen – Coronavirus, Krieg in der Ukraine und Energieversorgungsprobleme – veranlassten die Kommission, ihren ursprünglichen Ansatz zu überdenken“, meldet das Internetportal Euractiv. Für neue Dieselfahrzeuge sollen danach die gleichen Schadstoffnormen gelten wie für Benziner nach Euro 6. Der Entwurf kollidiert mit von der EU geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität.
Experten wollten strengere Normen
Die Präsentation des neuen Grenzwertvorschlags war immer wieder verschoben worden, jetzt soll es am 9. November so weit sein. Derzeit regelt die Abgasnorm Euro 6, wie viele Schadstoffe ein Fahrzeug ausstoßen darf. Die neue Norm Euro 7 könnte wohl frühestens 2025 in Kraft treten. Das von der Kommission beauftrage CLOVE-Expertenkonsortium hatte eine Reihe strengerer Maßnahmen empfohlen, darunter verschärfte Grenzwerte für NOx und Feinstaub. Pro Jahr sterben EU-Angaben zufolge etwa 70.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr.
Ziel: Kosten für Hersteller senken
„Angesichts der aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Umstände wurde eine letzte Überprüfung vorgenommen, um die aktuelle Situation der Automobilindustrie und der Verbraucher zu berücksichtigen“, heißt es laut Euractiv in dem Kommissionspapier. Die Kommission habe Anpassungen vorgenommen, „um die Bezahlbarkeit von Autos und Lieferwagen zu verbessern“ und die Kosten für die Hersteller zu senken. Umweltverbände kritisieren die EU-Behörde heftig und werten den Vorgang als „Sieg für die Automobilindustrie“. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA), war nicht die Einzige, die vor vermeintlich weltfremden Beschlüssen gewarnt hatte.
Vorwurf: Profite mehr wert als Gesundheit
Die Entscheidung für schwächere Emissionsstandards stelle die Profite „über die Gesundheit von Millionen von Europäern“, kritisierte Anna Krajinska, Managerin bei der Umweltorganisation Transport & Environment. Das Fehlen strenger Standards vor der Umstellung auf komplett emissionsfreie Fahrzeuge im Jahr 2035 werde zu 100 Millionen zusätzlichen umweltschädlichen Autos auf den Straßen führen. „Wenn sie (i.e. die Kommission) den schockierend schwachen Vorschlag für Autos und Lieferwagen nicht verbessern will, sollte man ihn ganz streichen“, fügte sie hinzu.
Respektlose Entscheidung
Der Europäische Verbraucherverband BEUC bewertete die Entscheidung der Kommission als „respektlos“. „Das ursprünglich vorgesehene politische Szenario bedeutete einen Preisanstieg von 0,8 Prozent für Benzinfahrzeuge und 2,2 Prozent für Dieselfahrzeuge. Das ist extrem wenig für eine Gesundheitspolitik, die Millionen von Menschen zugutekommt“, sagte BEUC-Referent Robin Loos Euractiv. „Die Autohersteller haben die Preise für Neufahrzeuge in den letzten Jahren um 30 bis 40 Prozent erhöht, um mehr Premiummodelle zu verkaufen“, fügte er hinzu.
ADAC will schärfere Grenzwerte
Der ADAC wiederum wollte schärfere Grenzwerte. Aus seiner Sicht sollten weitere Abgase reglementiert werden. „Dazu gehört besonders der unnötige und mit überschaubarem technischem Aufwand begrenzbare Ausstoß des Reizgases Ammoniak (NH3).“ Bei den Treibhausgasen sollten neben CO2 auch Methan, das vor allem von CNG-Fahrzeugen ausgestoßen wird, und Distickstoffmonoxid (N20) berücksichtigt werden. Letzteres sei 298 Mal so klimaschädlich wie CO2. Bei dem zur Diskussion stehenden Gesetzesentwurf zur Abgasverringerung geht es allerdings nicht um CO2-Emissionen. Die Flottengrenzwerte hierzu werden derzeit noch zwischen den EU-Institutionen ausgehandelt.