Die Corona-Krise trifft die Messe-Logistik hart

06. Mai 2020
Viele Dienstleistungs- und Industriebranchen stehen still oder haben ihre Aktivitäten erheblich eingeschränkt. Ganz besonders hart getroffen hat es den Veranstaltungsbereich und damit auch deren Logistikpartner, die teilweise schon im Februar die ersten Absagen kassierten.
Eine Welle von Absagen
So geschehen beim Augsburger Messelogistiker BTG aus Langweid am Lech. Geschäftsführer Christoph Rauch war Ende Januar und Anfang Februar selbst noch in China sowie in Singapur unterwegs und hatte dort die ersten Folgen der Corona-Pandemie miterlebt: „Das hat alles erst langsam begonnen und dann eine große Dynamik entwickelt.“ China, Korea, Taiwan – die Welle von Messe-Absagen nahm in Asien ihren Lauf und rollte von dort aus westwärts nach Europa. „Der erste große Knall hier war die Absage der Messe Mobile Congress in Barcelona und des Genfer Automobilsalons“, so Rauch.
Pro Jahr bei 600 bis 700 Messen aktiv
In normalen Jahren bearbeiten die BTG-Mitarbeiter weltweit 600 bis 700 Messen um, etwa für Kunden aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Wehrtechnik, Medizinprodukte oder Luft- und Raumfahrt. Die Abholung der Ausstellungsgüter und des Standbaumaterials, Inlandstransporte, Verzollung, Gestellung von Hebegeräten, Leergutein- und auslagerung, die Retoure aller Exponate und Arbeitsmittel, auch die permanente Ausfuhr in andere Länder bei einem Verkauf übernimmt BTG dabei für seine Kunden. Den reinen Standbau übernehmen andere.
Mehr als deprimierend war es daher für die Mitarbeiter, im März fast jeden Tag das Ergebnis ihrer oft mehrmonatigen Planungsarbeit dahinschmelzen zu sehen, als Kunden reihenweise die Messeaufträge absagten oder verschoben.
Auftragsbücher sind leer
In den Kalendern steht für die nächsten Wochen – nichts. Die Auftragslage beträgt derzeit null. „Die Absagen von Messen und anderen Großveranstaltungen reichen grundsätzlich bis in den August, nicht nur in Deutschland“, sagt Rauch. Seit April sind seine Mitarbeiter in Kurzarbeit, eine Notbesetzung hält in der Firmenzentrale die Stellung. Auch im Mai und in den Folgemonaten, so schätzt Rauch die Lage ein, wird sich an der Situation nichts ändern. Zumindest seien inzwischen die Messegesellschaften im Gespräch mit den Kommunen, um einen Wiedereinstieg in das Geschäft nach dem 31. August zu planen, dem Stichtag des Bundes für die Aufhebung des Verbots von Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern. „Schließlich kann man eine Messe sehr wohl von einem Konzert unterscheiden, beim Teilnehmermanagement spielt auch eine Rolle, ob es ein Konzert oder ein Bierzelt ist. Das hilft dabei, entsprechende Konzepte zu entwickeln“.
Um die Zeit zu überbrücken, hält er das Kurzarbeitergeld für sinnvoll. „Die Hilfen der Bundesregierung gehen in die richtige Richtung, auch wenn wir im ersten Wurf nicht von allem betroffen waren, etwa was die Besicherung von Krediten anbelangt.“ Generell, so seine Einschätzung, falle man als mittelständisches Unternehmen oft aus dem Raster – große Konzerne würden allein wegen der Anzahl der Mitarbeiter als systemrelevant gelten und maximal unterstützt, kleinen Firmen werde auch dezidiert weitergeholfen. Mittelständler wie BTG seien aber in der Regel gesund und auch liquide und bräuchten daher kein staatliches Kreditprogramm. „Was für meine Mitarbeiter gut wäre: Die meisten haben sich in den vergangenen Jahren Immobilen gekauft – die Einräumung von tilgungsfreien Zeiträumen ist daher eine gute Idee, sollte aber auch über drei Monate hinaus verlängert werden.“
Normalzustand erst wieder ab Mai 2021?
Wann die Messelogistik den Neustart machen kann? Geschäftsführer Rauch würde sich natürlich darüber freuen, wenn zum Jahresende, spätestens aber zum neuen Jahr der Messebetrieb wieder läuft. Der Weltverband der Messelogistiker IELA – BTG zählt zu seinen Gründern und Christoph Rauch sitzt im Vorstand – gehe aktuell davon aus, dass es in 2020 zu wenigen kleineren Veranstaltungen kommt. Der Weltmesseverband ufi geht von einem back-to-normal Szenario im Mai 2021 aus. Bis dahin, so der Messeexperte, müssten noch zahlreiche Unklarheiten aus dem Weg geräumt werden, etwa die Einreisebeschränkungen der Länder. „Wir glauben auf jeden Fall an das Medium Messe“, sagt Rauch.
Kleines Trostpflaster: Auch in der Krise profitiert BTG von seinen guten Kundenkontakten. Kunden aus China haben derzeit auf Maskenproduktion umgesattelt und fragen bei BTG nach europäischen Kontakten für Rohstoffe wie Vlies an – der Messelogistiker hilft jetzt also bei der Beschaffung. Die Masken werden nach Europa geliefert. „Mit einem Fahrzeug, das sonst für den Transport von Goldbarren dient, haben wir die Masken dann für unsere Kunden von Frankfurt nach München transportiert – in der Krise ist so einiges anders.“