Bundesrechnungshof: Mangelhafter Baufortschritt bei Brücken

06. Mai 2025 Newsletter / Transport & Verkehr
Der Bundesrechnungshof kritisiert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) wegen des geringen Baufortschritts bei der Modernisierung von Brücken. Im Fokus eines Sonderberichts steht dabei das Brückenmodernisierungsprogramm. Laut des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, ignoriere das Verkehrsministerium den deutlichen Rückstand dieses Brückenmodernisierungsprogramms.
Sonderbericht zur Modernisierung von Brücken an Bundesfernstraßen
„Prüfen. Beraten. Berichten“ umschreibt der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, seine Aufgaben. Dazu gehört insbesondere die Prüfung der „Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“. In seinem Sonderbericht zur Modernisierung von Brücken an Bundesfernstraßen hat sich der Rechnungshof den Erfolg des Programms zur Brückenmodernisierung vorgenommen.
Dessen Notwendigkeit hatte zuletzt Bundesverkehrsminister Volker Wissing 2022 bei einem Brückengipfel bestätigt: „Das Programm Brückenmodernisierung konzentriert planerische und bauliche Aktivitäten auf die zukunftssichere Ausrichtung verkehrswichtiger Korridore vorwiegend im Autobahnnetz. Die Leistungsfähigkeit und Zukunftssicherheit des deutschen Autobahnnetzes hängen maßgeblich von einer erfolgreichen Brückenmodernisierung ab. Für eine Umsetzung in angemessenen Zeiträumen müssen insbesondere die personellen, aber auch die finanziellen Mittel bedarfsgerecht verstärkt und auf hohem Niveau über viele Jahre hinweg fortgeführt werden.“
Laut dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes ziehe das Bundesverkehrsministerium aber „eine positive Zwischenbilanz, obwohl ‚Soll‘ und ‚Ist‘ immer weiter auseinanderklaffen. Die Evaluierung des Verkehrsministeriums ist in wesentlichen Punkten irreführend und beschönigend“, sagt Scheller.
Kritik: Bis Ende 2024 nur 40 Prozent der bis dahin vorgesehenen Modernisierungen erreicht
Im Rahmen des Brückenmodernisierungsprogramms wollte das BMDV demnach in einem besonders wichtigen Autobahn-Teilnetz bis spätestens zum Jahr 2032 alle maroden Brücken modernisieren lassen. Dem Bericht zufolge hatte die mit der Modernisierung beauftragte Autobahn GmbH bis Ende 2024 allerdings insgesamt nur 40 Prozent der bis dahin vorgesehenen Modernisierungen von Teilbauwerken fertiggestellt. „Von den für 2024 geplanten 280 Modernisierungen wurden lediglich 69 umgesetzt. Die Schere zwischen der Planung des BMDV und erfolgreicher Modernisierung ging immer weiter auseinander“, so das Fazit der Prüfer.
Um bis 2032 das Brückenmodernisierungsprogramm abzuschließen, müsste die Autobahn GmbH ab jetzt rund 590 Teilbauwerke jährlich modernisieren. Das sei nicht realistisch; die Autobahn GmbH sei dazu rein personell nicht in der Lage.
Die Kritik am BMDV bezieht sich nicht zuletzt auf einen Zwischenbericht im Herbst 2024, in dem das BMDV alle fertiggestellten Teilbauwerke als Programmerfolg wertet, „obwohl weniger als die Hälfte davon tatsächlich unter das Modernisierungsprogramm fallen“. Sogar neue Teilbauwerke an neuen Autobahnen und Maßnahmen an Teilbauwerken, die nicht dringlich entsprechend der Programmkriterien sind, habe es mitgezählt.
Bundesrechnungshof: 5.000 und nicht 4.000 Teilbauwerke wären zu berücksichtigen
Zudem gehe das BMDV in seiner Zwischenbilanz von 20 Prozent zu wenig zu modernisierenden Teilbauwerken aus. Nach Prüfung des Bundesrechnungshofes wären 5.000 und nicht 4.000 Teilbauwerke zu berücksichtigen. 500 Teilbauwerke waren zu Beginn des Programms in Bearbeitung, aber nicht fertiggestellt. „Diese zählt das BMDV nicht mit. Aber ein Bauwerk ist erst dann modernisiert, wenn es fertiggestellt ist“, so die Prüfer. Weitere 500 Teilbauwerke habe das BMDV im Jahr 2023 als dringend modernisierungsbedürftig benannt – aber nicht mehr in das Programm einbezogen.
Erschwert werde die Planung auch dadurch, dass das BMDV die durchschnittliche Fläche der zu modernisierenden Teilbauwerke zu gering ansetze, und damit auch die dafür notwendigen Mittel. Nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes besteht 2026 für 400 Teilbauwerke ein Mittelbedarf in Höhe von 2,1 Milliarden Euro, während das BMDV lediglich 1,4 Milliarden Euro ansetze.
Die Prüfer monieren zudem, dass für die Brücken an Bundesstraßen – deren Instandhaltung Sache der Länder ist – kein Modernisierungsprogramm des Bundes zur Verfügung stehe.
„Neubau- und Ausbauprojekte sollten zurückgestellt werden“
Der Bundesrechnungshof sieht daher dringenden Handlungsbedarf: Die Autobahn GmbH sollte personell und finanziell in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben bei der Brückenmodernisierung vorrangig wahrzunehmen, und Neubau- und Ausbauprojekte sollten zurückgestellt werden, um kurzfristig Personalkapazitäten für die Brückenmodernisierung freizusetzen. „Um die Weichen für das Programm belastbar stellen zu können, muss das BMDV korrekt kalkulieren“, so der Sonderbericht.
Auch der Haushaltsgesetzgeber ist demnach gefordert, langfristig und zweckgebunden die erforderlichen Haushaltsmittel für die Brückenmodernisierung bereitzustellen. Das Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für Infrastrukturmaßnahmen und Klimaneutralität gebe dem Bund neue Möglichkeiten. „Wer mit schuldenfinanziertem Sondervermögen vorübergehend mehr Geld ins System pumpt, muss mit diesen auch wirksam umgehen. Wirtschaftliches Handeln bleibt auch bei mittelfristig auskömmlich erscheinender Finanzierung oberstes Ziel“, so der Bundesrechnungshof, der warnt, dass ohne weitere Maßnahmen der Verfall der Brücken an Bundesfernstraßen nicht aufzuhalten sei.
BMDV: „Wir widersprechen“
Das BMDV hat auf den Bericht mit einer Klarstellung reagiert: „Der Einschätzung des Bundesrechnungshofes, wonach die Evaluierung des BMDV irreführend und beschönigend sei, widersprechen wir“, heißt es in einer Mitteilung. Die Umsetzung des Programms liege im Zeitplan und werde durch das BMDV und die Autobahn GmbH transparent kommuniziert.
Demnach priorisiere das BMDV in einem Zeitraum von 10 Jahren aufgrund der großen Anzahl der Autobahnbrücken und um die vorhandenen Ressourcen bestmöglich einzusetzen, die Maßnahmen. Dies seien im Kernnetz 4.000 Brücken, die ertüchtigt oder durch leistungsfähige Ersatzneubauten ersetzt werden, weitere 500 besonders dringliche Brücken-Teilbauwerke außerhalb des Kernnetzes stünden ebenfalls auf der Aufgabenliste für die erste Dekade.
Brückenflächen relevanter als Anzahl der Brücken
Aufgrund der unterschiedlichen Bauwerksgrößen sei zudem die Zahl der jährlich zu modernisierenden Brücken weniger relevant als die zu modernisierende Brückenfläche. „Die 4.000 zu modernisierenden Brücken-Teilbauwerke ergeben zusammen eine Brückenfläche von 3,2 Millionen Quadratmetern. Dies entspricht einer Fläche von knapp 450 Fußballfeldern. Bis Ende des Jahres 2024 wurde rund ein Drittel dieser Fläche modernisiert“ so das BMDV Wegen der Dringlichkeit werde vorrangig mit den großen Brücken begonnen, deren Modernisierung natürlich aufwändiger und zeitintensiver sei.
Laut BMDV habe die Autobahn GmbH inzwischen auch ein Brückenkompetenzzentrum eingerichtet, das alle Maßnahmen priorisiere, koordiniert und evaluiere, um die Maßnahmen schneller umzusetzen. „Die Umsetzung des Brückenprogramms liegt im Zeitplan, auch wenn es derzeit Bremseffekte gibt, weil wegen der offenen Haushaltslage sowie insbesondere aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung keine Baufreigaben möglich sind“, so die Klarstellung. Und zu den Bundesstraßen ergänzt das Ministerium, dass sich Bund und Länder hinsichtlich Ziele und Strategien, die regionale Unterschiede berücksichtigen und sich gleichzeitig an den Zielstellungen des Bundes orientieren, abstimmen. „Aufgrund historisch bedingter Unterschiede im Bauwerksbestand der einzelnen Länder und einer deutlich geringeren Verkehrsbelastung im Vergleich zu Autobahnen ist ein individualisiertes Vorgehen bei der Brückenmodernisierung der Bundesstraßen sinnvoll“, so die Replik des Ministeriums an den Bundesrechnungshof.