BVL: Digitale und klassische Speditionen im Vergleich

05. Mai 2021 Newsletter / E-Logistik & IT
Wer hat künftig die Nase vorn: die digitalen oder die klassischen Speditionen? Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) stellte in einer Diskussionsrunde auf der Fachmesse Transport Logistic beide Modelle gegenüber.
Der Verteilungskampf auf dem Transport- und Logistikmarkt ist in vollem Gang. Das zeigt sich unter anderem an einer zunehmenden Konzentration – „aktuell zu sehen durch die Übernahme von Agility durch DSV Panalpina“, erklärte Prof. Ulrich Müller-Steinfahrt vom Institut für angewandte Logistik der Hochschule Würzburg während der Online-Veranstaltung der Bundesvereinigung Logistik (BVL) auf der Messe Transport Logistic.
Speditionen stehen vor Herausforderungen
Aus seiner Sicht gibt es gleich mehrere Herausforderungen, denen sich die Akteure stellen müssen: Darunter befinden sich eine geringe Stoppdichte, ineffiziente Touren bei gleichzeitig steigenden Sendungsmengen und ein zunehmender Fahrermangel. Hinzu kommen regulatorische Vorgaben sowie die Forderung nach mehr Transparenz. In dieser Gemengelage sehen sich die klassischen Spediteure nun zusätzlich im Konkurrenzkampf mit den Digitalspeditionen.
„New vs. Old – Sind Plattform-Anbieter die besseren Speditionen?“, lautete dementsprechend auch der Titel der Diskussionsrunde, die die BVL auf die Beine gestellt hat. Die Zahlen sprechen zunächst eine deutliche Sprache: Laut Müller-Steinfahrt gibt es rund 14.800 Speditionen sowie 45.000 Transportunternehmen. In Deutschland stehen dem gerade einmal etwa 40 Digitalspeditionen, viele davon Start-ups, gegenüber. Wobei das Kräfteverhältnis damit keinesfalls geklärt ist. Selbst wenn Analysten den Marktwert der Digitalspedition Sennder mit einer Milliarde US-Dollar beziffern.
Sennder hat planbare Prozesse im Blick
Für Nicolaus Schefenacker, CEO und Mitgründer von Sennder, stellt sich die Frage in dieser Form nicht. Tatsächlich sieht er die Digitalspeditionen dort im Vorteil, wo es um planbare Prozesse geht. Dort mache Automatisierung Sinn und bringe entsprechende Effizienzgewinne. „Tatsächlich helfen wir den Kunden dabei, ihr eigenes Geschäft besser zu verstehen und damit nach vorne zu bringen“, sagte er. Über die breite des Netzwerks sei es Sennder zudem möglich, auch Effizienzen hinsichtlich des Beförderungsmittels zu heben: „Wir haben vom Sprinter bis zum 40-Tonner alles im Programm.“
Sterac Transport & Logistik setzt auf Kundennähe
Für Nicola Rackebrandt, Geschäftsführerin von Sterac Transport & Logistik, zeigt sich eben daran, dass die klassische Spedition nach wie vor nicht ausgedient hat. „Traditionelle Geschäftsmodelle können aufgrund der Erfahrung auch komplexe Probleme lösen“, erklärte sie. So habe ihr Familienunternehmen im Laufe der Jahre ein breites Dienstleistungsspektrum aufgebaut, welches speziell auf die Kunden zugeschnitten ist. „Bei uns steht die Beratung im Vordergrund“, sagte Rackebrandt. Das gelte besonders beim filigranen Ineinandergreifen von Dienstleistungen. Im Standardbereich merke sie jedoch „eine gewisse Präsenz der Digitalspeditionen“. Sie sehe dies aber auch als Chance, weil sich an dieser Stelle neue Technologien etablieren, die es ohne die Digitalspeditionen nicht geben würde. Eine logische Folge: Sterac Transport & Logistik nutzt in der Kooperation und zum Austausch mit anderen Logistikdienstleistern zunehmend digitale Lösungen.
Verlader Hettich sieht Platz für beide
Ähnliches kommt von der Verladerseite: Aus Sicht von Frank Iden, Geschäftsführer von Hettich Logistik Service, der Logistikabteilung des Möbelbeschläge-Herstellers Hettich, „ist die herkömmliche Spedition nicht wegzudenken – auch nicht in Zukunft“. Nur was hochstandardisiert sei, verortet er bei den Digitalspeditionen – oder bei hybrid aufgestellten Unternehmen. Iden, der bereits als CEO die Geschicke der Logistikdienstleister Hermes und Transoflex geleitet hat, sieht hierfür gleich mehrere Gründe: So brauche es in der Kontraktlogistik etwa feste Absprachen und das entsprechende Vertrauen. Vor allem aber gebe es in der Logistik viele Unwägbarkeiten, die sich nicht mittels Künstlicher Intelligenz vorausplanen lassen. Für Standards seien hingegen die Digitalspeditionen die erste Wahl. Gerade im reinen Lkw-Verkehr sieht er noch genügend Potenzial, die Abläufe zu digitalisieren.