Container bleiben Mangelware

03. Mai 2021
Die maritime Lieferkette ist brüchig, es fehlen allenthalben Container und die Frachtraten gehen immer noch weiter hoch. Das treibt die Kosten für Verlader und Transportunternehmen in die Höhe.
Die Preisrallye wird zwangsläufig auch die Endverbraucher erreichen, denn fast alle Güter – von Medikamenten über Kleidung bis hin zu Nahrungsmitteln – werden in Containern transportiert. Die Politik erscheint angesichts der Entwicklung ratlos. Der neuerliche Preisanstieg sei eine zusätzliche Herausforderung für die Weltwirtschaft, die sich gerade von der schlimmsten globalen Krise seit der Großen Depression zu erholen versucht, warnt die UN-Organisation für Handel und Entwicklung UNCTAD.
Untersuchungen nötig
Die sechstägige Blockade des Suezkanals habe die Lage nochmals zugespitzt. „Der Unfall der ‚Ever Given‘ hat die Welt daran erinnert, wie stark wir von der Schifffahrt abhängig sind“, sagte Jan Hoffmann, bei der UNCTAD zuständig für Handel und Logistik. „Etwa 80 Prozent der Güter, die wir konsumieren, kommen auf dem Seeweg zu uns.“ Auch wenn die Pandemie im Kern verantwortlich für die Containerknappheit sei, hätten möglicherweise auch die Reeder mit ihren Strategien dazu beigetragen, erläutert die UN-Organisation. „Die Regierungen müssen sicherstellen, dass die Wettbewerbsbehörden über die notwendigen Ressourcen und Fachkenntnisse verfügen, um potenziell missbräuchliche Praktiken in der Schifffahrtsbranche zu untersuchen.“
Warten auf die EU-Kommission
Von tiefergehenden Analysen ist man in Berlin und Brüssel offenbar noch ein ganzes Stück entfernt. Ob die aktuellen Frachtraten vor allem der Linienreedereien letztlich allein auf eine aktuell erhöhte Nachfrage zurückzuführen seien und damit eine marktkonforme Korrektur der in den letzten zehn Jahren extrem niedrigen Raten darstellten, könne letztlich nur von der EU-Kommission geprüft und beurteilt werden, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. „Genauso, ob es darüber hinaus zu unzulässigen Eingriffen in das Marktgeschehen gekommen ist.“
Das Berliner Verkehrsministerium wiederum wartet auf eine neue Evaluation der Brüsseler Wettbewerbshüter, die noch in diesem Jahr beginnen soll. Erst 2020 hatte die EU-Kommission die von Transportverbänden kritisierte Gruppenfreistellungsverordnung für Reeder um vier Jahre verlängert. Die Bundesregierung habe sich seinerzeit mit dem Vorschlag einer Verlängerung um lediglich ein Jahr nicht durchsetzen können, sagte eine Sprecherin. Die europäischen Speditions- und Logistikverbände ESC und CLECAT hätten sich schon im vergangenen Jahr mit einer Beschwerde an die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission gewandt und verschiedene, aus ihrer Sicht unangemessene beziehungsweise unzulässige Praktiken der Reedereien kritisiert.
Transportbranche kritisiert langsame Reaktion
Die Kommission aber hält sich auffallend zurück. Die Containerschifffahrtsindustrie werde genau beobachtet, sagte eine Sprecherin jetzt. Die Dienststellen befänden sich „in regelmäßigem Austausch mit Vertretern von Linienreedereien, Hafenbetreibern, Spediteuren und Verladern, um die gegenwärtigen Umstände vollständig zu verstehen und etwaige Interventionsmöglichkeiten zu ermitteln“. Dieser „Zuhörmodus“ der EU-Vertreter reicht aber nicht allen. „Das kann man bei einem ersten Treffen verstehen“, sagt Nicolette van der Jagt, die CLECAT vertritt.
Ihr Verband habe die Lage jedoch bereits im Mai 2020 bei den beiden Generaldirektionen Wettbewerb und Verkehr angesprochen. „Aber es gab nie wirklich einen festen Plan seitens der Kommission, und die Situation wurde nur noch immer schlimmer“, hebt sie hervor. Die Antwort der Kommission auf dieses gravierende Problem sei insgesamt „sehr langsam“. Inzwischen haben neun euro-päische Transportverbände in einem Brief an die Kommissarinnen für Transport, Adina Valean, und Wettbewerb, Margrethe Vestager, eine Untersuchung der Praktiken der Linienreeder im vergangenen Jahr gefordert.
Historischer Tiefpunkt bei der Qualität - Vorbild USA
Europäische Im- und Exporteure, Verlader, Spediteure und Logistikdienstleister, Betreiber von Hochseeterminals, Betreiber oder Besitzer von Binnenschiffen und Binnenterminals sowie Hafenarbeiter hätten 2020 unter dem Mangel an Containern gelitten, die Servicequalität bewege sich derzeit auf einem historisch niedrigen Niveau, beklagen die Unterzeichner des Briefs. Die Reeder versuchten nach Einschätzung der Verbände jetzt, die Verantwortung für die Missstände weg vom Wasser auf die landseitigen Dienstleistungen, also auf Häfen oder Terminals, zu schieben.
Das wird zurückgewiesen: „Einer der Gründe für die aktuelle Überlastung der Hafenterminals und den Mangel an Containerkapazität ist, dass die Carrier entgegen ihrer Darstellung in den letzten Monaten bei der Vergabe von Kapazitäten extrem selektiv vorgegangen sind“, heißt es in dem Brief. Brüssel und Berlin sollen zum Handeln motiviert werden, während das in den USA schon längst geschieht. Hier untersucht die Federal Maritime Commission derzeit, ob Reeder von Verladern möglicherweise überhöhte Tarife verlangen. Das könnte ein Verstoß gegen das Schifffahrtsgesetz sein. Außerdem bestehe der Verdacht, dass die schwierige Situation auf unfaire Weise ausgenutzt worden sei und Exporteuren Dienstleistungen verweigert wurden.