Containermangel hemmt Welthandel
Wer auf zuverlässige maritime Lieferketten angewiesen ist, wird in diesem Jahr wohl enttäuscht. „Aufgrund von COVID-19 und einem erheblichen Volumenschub seit Ende letzten Jahres werden die Terminals zu globalen Engpässen, sei es an den Liegeplätzen, in den Werften oder beim Ausschleusen der Ladung“, schreibt die Containerrederei Maersk auf seiner Internetseite. „Der Trend ist besorgniserregend, und die nicht enden wollende Überlastung wird zu einem globalen Problem.“ Sie setze sich in der gesamten Logistikkette, in Lagerhäusern oder Distributionszentren, mit steigenden Zahlen fort.
Großer Schaden durch Staus in China
Größter Engpass sei derzeit der Hafen Yantian in Südchina, da es sich um das drittgrößte Terminal der Welt handele. Es gebe aber noch viele andere Häfen, in denen ein- oder zweitägige Wartezeiten zur Norm geworden seien, selbst wenn Schiffe pünktlich ankämen, betont Maersk. Der dänische Reeder hält die Staus und Verspätungen in China für wesentlich gravierender als die Blockade des Suez-Kanals durch ein Riesencontainerschiff. Die Ever Given hatte nur einige Tage im Suezkanal festgesessen, während die durch COVID-19-Ausbrüche ausgelöste Lage in Yantian nun schon mehrere Wochen andauert.
Mehr als zwei Wochen warten
Zwar hätten die Hafenbehörden von Yantian angekündigt, dass die Produktivität allmählich steige, wenn mehr Arbeiter zurückkehrten und mehr Liegeplätze wieder geöffnet würden. „Aber der Schaden ist bereits angerichtet“, betont Maersk. Wartezeiten von über zwei Wochen hätten Spediteure dazu veranlasst, Schiffe in andere Häfen umzuleiten. Insgesamt werden danach über 300 Abfahrten aller Linienschiffe Yantian auslassen, bei Maersk sind 19 der Mainline-Dienste betroffen.
Die amerikanische Supply Chain-Plattform Fourkites berichtet, dass die Verweildauer in Yantian in den vergangenen zwei Wochen um 122 Prozent angestiegen ist. Die Abfahrtszeiten hätten sich im gleichen Zeitraum um 242 Prozent erhöht. In der Region in Südchina hätten sich zahlreiche Seeschiffe angesammelt - mit dreistelligen Zuwächsen in den vergangenen zwei Wochen.
Charterraten auf Rekordniveau
Schiffausfälle aber verschlimmern letztlich die Überlastung der Schiffe. Die Charterraten bewegen sich aufgrund des fast vollständigen Mangels an verfügbarer Tonnage und der Marktmacht der Reeder von Rekordniveau zu Rekordniveau. Der Digitalspediteur Zencargo berichtete, dass der Transport eines 40-Fuß-Containers von Shanghai nach Rotterdam inzwischen umgerechnet fast 8.700 Euro koste. Beim DSLV Bundesverband Spedition und Logistik wurde kürzlich von einem Anstieg der Frachtraten um den Faktor acht im Vergleich zum Vorkrisenniveau gesprochen, mit einem weiteren Anstieg sei zu rechnen.
Schiffe werden umgeleitet
Das Grundproblem der Staus aber ist nicht zu lösen, da geht es nur um eine Abmilderung: „Wir arbeiten rund um die Uhr daran, die Probleme unserer Kunden zu lindern“, schreibt Maersk. Das Unternehmen bietet einen „Aktionsplan“ und hatte beispielsweise Frachter zwischen Nordeuropa und Fernost wegen Überlastung von Hamburg nach Bremerhaven umgeleitet. Und auch andere Reeder routen um. So spart Hapag Lloyd jetzt wegen Staus eine Verbindung von Rotterdam in Richtung Ferner Osten sieben Wochen lang aus.
In den Häfen fehlt Equipment
Bei Maersk hatte man auch auf einen Mangel an Boxen verwiesen. Insbesondere fehlten 40-Fuß- und 44-Fuß-Hi-Cube-Container, erläuterte Vincent Clerc, Geschäftsführer von AP Moller-Maersk für den Bereich Ocean & Logistics, dem Online-Portal Seatrade-Maritime News. Den Kunden riet er: „Seien Sie offen für den Einsatz von 20-Fuß-Containern.“ Die Änderungen im Routing setzten die Häfen beim Equipment unter Druck. Bei DSV geht man davon aus, dass sich auch in Deutschland die Exportlage in den kommenden Monaten verschärfen wird. Durch die verzögerten Schiffsankünfte in Europa fehlten Leercontainer, so der Logistiker. In China selbst behinderten zudem strenge Verkehrskontrollen und Quarantäneregelungen die Weiterfahrt auf dem Landweg.
China berichtet von großer Unsicherheit
Die Tageszeitung Global Times, das englischsprachige Organ der Kommunistischen Partei Chinas, schreibt von einer „großen Unsicherheit der Schifffahrtsindustrie vor der Hochsaison“, da sich die globale wirtschaftliche Erholung beschleunige. Zwar habe Yantian 70 Prozent seiner Gesamtumschlagskapazität wieder aufgenommen und werde wohl bis Ende Juni zur Normalität zurückkehren. Doch der Rückstau habe auch andere Häfen wie Shekou, Chiwan, Nansha und Hongkong unter Druck gesetzt.