Daimler forciert CO2-freie Nutzfahrzeuge

25. Okt. 2019
Bis 2039 will Daimler Trucks & Buses seine Nutzfahrzeugflotte komplett CO2-neutral aufstellen. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, setzt Vorstand Martin Daum allein auf batterieelektrische Antriebe und die Brennstoffzelle.
Die überwältigende Mehrheit aller neuen Lkw fährt auch heute noch mit konventionellen Dieselmotoren. Schon das Erreichen der von der EU vereinbarten Zielsetzungen zur CO2-Reduktion scheint da aktuell in weiter Ferne. Bis 2025 schließlich soll der Treibhausgasausstoß neuer schwerer Nutzfahrzeuge im Vergleich zu 2019 um 15 Prozent zurückgehen, bis 2030 sind gar 30 Prozent angepeilt. Die Industrie hält das für zu ehrgeizig, laut des Verbands der Automobilindustrie (VDA) sind Minderungsziele von 7 Prozent bis 2025 und 16 Prozent bis 2030 „sehr anspruchsvoll, aber realistisch.“
Im Widerspruch dazu hat der Vorstand von Daimler Trucks & Buses, Martin Daum, anlässlich des Deutschen Logistik-Kongress in Berlin nun aber eine neue, nochmal ambitioniertere Messlatte gesetzt: Bis 2039 will er die Nutzfahrzeugflotte seines Unternehmens zumindest in den wichtigsten Regionen – sprich: Europa, Nordamerika und Japan – in der Tank-to-Wheel-Bilanz komplett CO2-neutral aufstellen. Antriebe, die Treibhausgase emittieren, werden dort ausnahmslos gestrichen. Bis 2022 sollen hierfür in allen Kernregionen batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge in der Serie vom Band laufen. Bis Ende der 2020er Jahre ist dann auch die Serienproduktion von Fahrzeugen mit Brennstoffzelle geplant – und das zumindest in Europa in Werken, die bis 2022 mittels des Bezugs von Strom aus regenerativen Quellen ebenfalls CO2-neutral betrieben werden sollen.
„Bei Daimler Trucks & Buses bekennen wir uns klar zu den Zielen des Pariser Klimaschutz-Übereinkommens und damit zur Dekarbonisierung unserer Branche. Ein CO2-neutraler Transport auf den Straßen bis 2050 ist unser ultimatives Ziel“, so Daum. Da für eine Flottenerneuerung bis 2050 rund zehn Jahre nötig seien, will er aber schon 2039 auf komplett CO2-neutrale Neufahrzeuge setzen. Wirklich lokal CO2-neutraler Transport funktioniere aber nur mit batterieelektrischen Antrieben oder auf Basis von Wasserstoff.
Laut eigener Angaben arbeitet Daimler bereits seit mehr als 30 Jahren an Antrieben, die mit Wasserstoff als Energiespeicher fahren. Die Brennstoffzellen-Fahrzeuge des Konzerns hätten „die Marktreife des Antriebskonzepts unter Beweis gestellt“, die Herausforderungen im Nutzfahrzeugbereich seien aber sehr speziell. Die Lebensdauer der Komponenten und die verfügbare Nutzlast sind ebenso wie die Gesamtbetriebskosten entscheidende Kriterien. Für Daum steigt die Attraktivität der Brennstoffzelle, je länger der Lkw fährt und je wichtiger das schnelle Nachladen von Antriebsenergie ist. Investitionen in eine entsprechende Wasserstofftankstellen-Infrastruktur seitens seines Unternehmens aber schließt er aus. „Wir haben keinen Goldesel im Keller“, so Daum. Seine Ressourcen seien begrenzt. Als Nutzfahrzeughersteller müsse er das angehen, was er verändern kann – und das seien die Fahrzeuge.
Gegenüber dem Oberleitungs-Lkw ist der Daimler Trucks & Buses-Vorstand weiter skeptisch. Diese Technologie bezeichnet er als extrem teure Sackgassen-Lösung. Auch im Bus-Bereich hält er batterieelektrische Antriebe aufgrund ihrer höheren Flexibilität für überlegen. Im Reisebus sei dann mittelfristig sehr wahrscheinlich die Brennstoffzelle das richtige Konzept.
Auf Nachfrage erneuerte Daum auch seine Absage gegenüber LNG-Lkw. Der Erdgasantrieb sei nicht die Lösung. „Wir brauchen 100-prozentige CO2-Freiheit“, erklärte der Daimler Trucks & Buses-Vorstand. Der Erdgasmotor bringe im Vergleich zum Diesel aber schon in der Theorie nur 10 bis 15 Prozent. So würde man vielleicht die CO2-Reduktionsziele für 2025 erreichen, zögere die Umstellung auf komplett emissionsfreie Antriebe am Ende aber nur raus. Die Geschwindigkeit bei der Entwicklung und Etablierung von elektrischen Nutzfahrzeugen sei ihm wichtiger als jetzt noch Erdgas-Lkw voranzutreiben, so Daum.
Dafür nimmt der Vorstand auch die Politik in die Pflicht: „Lokal CO2-neutrale Lkw und Busse sind keine Selbstläufer, denn auch im Jahr 2040 werden trotz aller Anstrengungen auf Herstellerseite die Anschaffungs- und Gesamtbetriebskosten von Lkw und Bussen mit Elektroantrieb noch höher liegen als bei Dieselfahrzeugen.“ Man brauche daher staatliche Lenkungseingriffe, um lokal CO2-neutrale Lkw und Bussen wettbewerbsfähig zu machen. „Notwendig sind insbesondere eine europaweite Umstellung und Staffelung der Maut nach CO2-Werten, wobei CO2-neutrale Fahrzeuge eine signifikante Mauterleichterung bekommen sollten, ein gezieltes Förderprogramm für Busse sowie für eine flächendeckende Lade- und Wasserstoff-Infrastruktur und auch einheitliche Standards für den Transport und das Tanken von Wasserstoff.“