Daimler kehrt sich von Platooning ab
Daimler Trucks beendet seine Pläne rund um die Platooning-Technologie, von der sich die Industrie in der jüngsten Vergangenheit Einsparungen beim Dieselverbrauch von Lkw erhofft hat. Gleichzeitig präsentiert der Lkw-Bauer einen automatisiert nach Level 2 fahrenden Freightliner Cascadia.
Die Platooning-Technologie, bei der eine Kolonne von Lkw teilautonom in dichtem Abstand einem Führungsfahrzeug folgt, wird gerne als Zwischenschritt zu vollständig autonom fahrenden Lastwagen betitelt. Gleichzeitig versprechen sich viele Lkw-Bauer und deren Zulieferer dank des niedrigeren Luftwiderstands, gegen den die Folgefahrzeuge anzukämpfen haben, Verbrauchsvorteile von bis zu 15 Prozent.
Ein Trugschluss? Zumindest Daimler Trucks kehrt dem Hoffnungsträger Platooning nun den Rücken zu, wie auf der Technologiemesse CES in Las Vegas zu hören war. Obwohl der Konzern über mehrere Jahre Feldversuche in den USA gefahren hat, wo laut Daimler "die größten Vorteile zu erwarten gewesen wären", haben sich die theoretischen Werte im Aerodynamik-Kapitel nämlich praktisch nicht oder kaum auf den Kraftstoffverbrauch der Lkw ausgewirkt.
"Die Ergebnisse zeigen, dass die Einsparungen selbst unter optimalen Platooning-Bedingungen in der Praxis geringer ausfallen als erhofft", heißt es seitens des Lkw-Bauers. So müssten die Fahrzeuge im Platoon jedes Mal wieder beschleunigen, wenn sie beispielsweise durch einen einscherenden Pkw getrennt werden. Das verbrauche zusätzlich Kraftstoff und senke das Einsparpotenzial weiter. "Zumindest im Langstreckenverkehr in den USA ergibt sich daher kein Geschäftsmodell für Kunden, die beim Fahren im Platoon auf höchst aerodynamische Lkw setzen", lässt Daimler verkünden.
Der neue Cascadia fährt autonom nach Level 2
Im Platoon fahrende Lkw aber könnten in der Zukunft laut Daimler Trucks-CEO Martin Daum dennoch Realität werden. So spricht er, wenn es um die Automatisierung nach SAE-Level 4 geht, auch von Zweier-Platoons. Dabei soll es aber weniger um Verbrauchseinsparungen gehen, als darum, dass der Fahrer des zweiten Lkw seine Ruhezeit im autonom geführten Verfolgerfahrzeug einlegen kann. Für die Entwicklung derart hochautomatisierter Lkw will Daimler Trucks in den nächsten Jahren 500 Millionen Euro investieren. Dazu werden 200 neue Stellen entstehen, die "in erster Linie von Mechatronik-Ingenieuren und Robotik-Spezialisten mit IT- und Programmierkenntnissen" besetzt werden sollen. Als Hauptstandort der Forschungs-Aktivitäten nennt Daimler Trucks das neue "Automated Truck Research & Development Center" in Portland im US-Bundesstaat Oregon. Binnen eines Jahrzehnts will der Lkw-Bauer so hochautomatisierte Lkw zur Marktreife zu bringen.
Den Freightliner Cascadia bringt Daimler Trucks derweil wie auch den neuen Mercedes-Benz Actros schon mit Systemen, die das teilautomatisierte Fahren nach Level 2 möglich machen. So kann der schwere US-Hauber künftig "selbständig bremsen, beschleunigen und lenken." Dafür zuständig ist der Detroit Assurance 5.0 mit aktivem Spurhalte-Assistenten, der das Pendant zum Active Drive Assist im Mercedes-Benz Actros und Fuso Super Great ist. Mit ihm kombiniert Daimler in allen Geschwindigkeitsbereichen "die aktive Querführung und die Verbindung von Längs- oder Quersteuerung." Basis dafür ist die intelligente Verknüpfung von Radar- und Kamerainformationen.
"Im Jahr 2015 erhielt unser Freightliner Inspiration Truck die bis dato erste Straßenzulassung für ein automatisiertes Nutzfahrzeug. Jetzt heben wir die Automatisierung von Lkw auf ein neues Level: Wir bringen 2019 den ersten teilautomatisierten Freightliner Cascadia auf den Markt, und unser nächster Schritt sind hochautomatisierte Lkw. Hochautomatisiert fahrende Lkw erhöhen die Sicherheit, steigern die Logistikleistung und bieten unseren Kunden große Vorteile – und tragen damit wesentlich zu einer nachhaltigen Zukunft der Logistikbranche bei", so Martin Daum, Mitglied des Vorstands der Daimler AG und verantwortlich für Daimler Trucks & Buses, anlässlich der CES in Las Vegas.