DB Schenker: Grüne wollen Ausschreibungen prüfen
DB Schenker steht bezüglich der niedrigen Frachtangebote weiter in der Kritik. Das Unternehmen hatte auf der Frachtenbörse Timocom 300 beziehungsweise 320 Euro für zwei Komplettladungen im Fernverkehr geboten. Die Grünen im Bundestag wollen das Ganze nun prüfen lassen und zur Sprache bringen.
„Die genannten Preise sind mit den einschlägigen Sozial- und Steuergesetzen nicht in Einklang zu bringen. Wir werden das Thema mit in eine Telefonkonferenz zur Lage im Bereich Güterverkehr und Logistik nehmen und uns von Akteuren und Stakeholdern aus erster Hand zu den Hintergründen der seit der Coronakrise zu beobachtenden Dumpingpreisen im Speditionsgewerbe berichten lassen“, kündigt der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, gegenüber eurotransport.de an. Entsprechende Telefonkonferenzen mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Akteuren aus der Logistikbranche waren für diesen Dienstag vorgesehen.
Als ein Instrument gegen Dumping sieht Gastel die Marktbeobachtung durch das Bundesamt für Güterverkehr an, mit dem ruinöser Wettbewerb im Güterverkehrsmarkt aufgedeckt und verhindert werden könne. Auch das Kartellrecht könne gegen Marktakteure, die mit Dumpingpreisen das Gefüge zerstörten, eingesetzt werden. „Wir werden die Lage in Erfahrung bringen, beobachten und die Bundesregierung gegebenenfalls auffordern, tätig zu werden“, erklärt der Abgeordnete. „Wir wollen, dass es im Transportgewerbe fair zugeht. Bei Auswüchsen im Güterverkehrsmarkt müssen Behörden und Politik tätig werden.“
Schenker distanziert sich von Niedrig-Frachtangeboten
DB Schenker hat sich in der Zwischenzeit von den Frachtraten von 51 beziehungsweise 53 Cent pro Lastkilometer distanziert und von einem Fehler gesprochen. Es passe nicht zur partnerschaftlichen und oft langjährigen Zusammenarbeit mit seinen Transportunternehmen, auf Onlineportalen für Transporte „Preisvorgaben in der Nähe oder unterhalb der Produktionskosten zu machen“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage.
Aus der Transport- und Logistikbranche haben Fahrer, Disponenten und Unternehmer per E-Mail und in den sozialen Netzwerken teilweise mit Empörung auf die extrem niedrigen Frachtangebote für Komplettladungen reagiert. „Hier wird in einem Logistikkonzern Preisdumping vom Allerfeinsten betrieben“, kommentiert Frank Noe, Geschäftsführender Gesellschafter von Con-Tex in Siegen, dessen Unternehmen auf Transporte sowie Systeme zur Wasseraufbereitung spezialisiert ist. „Für diese Preise kann auch kein Osteuropäer fahren.“
Con-Tex-Chef Noe: Keiner sollte mehr fahren!
Noes Einschätzung: „Schenker sägt sich hier selbst den Ast ab, weil man quasi ausschließlich mit Subunternehmern arbeitet. Es wird ein Frachtführer- und Speditionssterben geben.“ Der Chef von Con-Tex sieht neben dem Auftraggeber aber auch die Frachtenbörsen in der Pflicht, ein Auge auf die Preise zu werfen und diese kritisch zu hinterfragen. Frank Noes Folgerung für sein Unternehmen in der Coronakrise und in Zeiten des Frachten-Verfalls: „Wir fahren nicht! Wir fahren auch nicht für eigene Kunden, die jetzt meinen, die Preise drücken zu müssen.“ Die Fahrer von Con-Tex sind seinen Angaben zufolge alle in Kurzarbeit. „Ein Fahrerstreik wäre angebracht“, empfiehlt Noe. „Auch um großen Logistikkonzernen zu zeigen, dass das so nicht machbar ist. Keiner sollte mehr fahren!“
Ein Vertreter einer deutschen Kraftwagenspedition mit großem Eigenfuhrpark sieht die Konzerne aber nicht allein für das niedrige Frachtniveau und teilweise Auswüchse bei der Kalkulation der Transportpreise verantwortlich. „Das sind durchaus kleinere und mittelständische Unternehmen oder sogenannte Sofa- Spediteure. Diese machen sich keinen Kopf um Dinge wie den Mindestlohn“, sagt der Geschäftsstellenleiter, dessen Name der Redaktion bekannt ist. „Doch so lange es leider noch Unternehmen gibt, die für solche Preise Lkw stellen, werden diese Anbieter weiterhin am Markt sein“, prognostiziert er.
Aufträge gehen vermehrt an deutsche Unternehmen
Positiv sieht der Speditionsvertreter, dass es in der momentanen Situation durchaus vorkommt, dass Transporte ausschließlich an deutsche Unternehmen mit deutschen Kennzeichen vergeben werden. „Dieser Schritt geht für uns als deutschen Transportunternehmen in die richtige Richtung.“ Er hofft, dass sich Anbieter auch in der Zeit nach Corona entsprechende Gedanken machen und das Frachtniveau damit wieder etwas ansteigen kann.
Ein Spediteur aus Berlin, dessen Name der Redaktion ebenfalls bekannt ist, stößt ins selbe Horn, indem er sich für eine Stärkung der deutschen Unternehmen ausspricht. „Meiner Meinung nach sollte man nach der Coronakrise die Kabotage untersagen und nur noch innerdeutsche Touren an deutsche Firmen vergeben, damit sich alle erholen können.“ Besonders viel Druck übten zurzeit natürlich Unternehmen aus dem Osten aus. „Diese halten sich 0,0 an irgendwelche Kabotage-Gesetze.“
Ein Unternehmer aus dem Hamburger Raum, der für einen großen Kep-Dienst arbeitet, bedauert den Frachtenverfall. „Ich finde, die Speditionsbranche war und ist nach wie vor eine stolze Branche, die in den vergangenen vier bis fünf Jahrzehnten tolle Unternehmer hervorgebracht hat. Allein deshalb sind solche Frachtraten absolut inakzeptabel.“ Schenker verschaffe sich mit dieser Vorgehensweise sicherlich keine neuen Freunde.
„Jeder Transporteur kämpft um seine Existenz“
Kritisch ist für viele besonders die Rolle von DB Schenker als öffentliches Unternehmen, dessen Muttergesellschaft Bahn bei einem noch niedrigeren Preisniveau auf der Straße kaum Spediteure zum Umstieg auf die Schiene gewinnen wird. „Als staatlicher Betrieb dürfte dieses Unternehmen einen solchen Weg nicht einschlagen“, erklärt ein leitender Angestellter eines weiteren größeren deutschen Transportdienstleisters. „Jeder Transporteur kämpft um seine Existenz, und unser Staat im erweiterten Sinne lässt seine privatisierten Unternehmen schalten und walten, wie Sie wollen.“
Ein Projektleiter einer mittelständischen deutschen Spedition erinnert an die Warnungen von Transportunternehmer René Reinert vor einer Lockerung der Kabotage, wie sie in der Coronakrise kurzzeitig von der Politik gewährt, nach massiven Protesten aber wieder kassiert wurde. „Im Grunde genommen sind die Befürchtungen nun wahr geworden – auch ohne Aufhebung der Kabotage.“ Der Geschäftsführer eines Automobilspediteurs meint zu wissen, „dass es Schenker war, die sich massiv für die Lockerung der Kabotage-Regelung eingesetzt haben. Das zumindest, pfeift ein mir persönlich bekannter Spatz in Berlin von den Dächern.“