DB Schenker: Seidenstraße über die Ostsee

02. Sept. 2020
DB Schenker und Mukran Port haben durch neue Seerouten eine Seidenstraße über die Ostsee geschaffen. Der Anlass für diese Kooperation waren die Corona-bedingten Staus von Güterwaggons an der chinesischen Grenze und zuletzt auch zwischen Belarus und Polen.
Am Grenzübergang Brest–Malaszewicze in Polen werden etwa 80 Prozent der eurasischen Schienenverkehre in Richtung Westen abgefertigt. Die Grenzstation ist seit Jahren überlastet, denn schließlich wird hier auch noch umgespurt, von der russischen Breit- auf die europäische Normalspur. Als dann die polnische Staatsbahn auch noch Bauarbeiten begann, stauten sich jüngst bis zu 4.000 Waggons.
Über die Ostsee das Nadelöhr umgehen
Doch das Nadelöhr lässt sich durch die seit Ende des vergangenen Jahres bestehende Seidenstraße über die Ostsee umgehen. Der Hafen Mukran auf Rügen hat im November den ersten chinesischen Güterzug aus Xi’an empfangen, der die letzte Strecke des Weges vom russischen Baltijsk (deutsch Pillau) in der Region Kaliningrad auf einer Eisenbahnfähre zurückgelegt hatte. Von Mecklenburg-Vorpommern aus rollten die Waggons mit den Containern weiter nach Hamburg.
Seit Ende März betreibt die Mukran Port Terminals in Kooperation mit der DBO Bahnoperator aus Duisburg unter dem Namen „Baltic Sea Bridge“ eine feste Seeroute als Teil der Neuen Seidenstraße. Nachdem bereits im Juni aufgrund der „hervorragenden Auslastung“ eine Frequenzerhöhung und der Einsatz eines größeren Schiffes verkündet worden waren, verluden die Betreiber Mitte August den fünftausendsten Container in Richtung Baltijsk (Oblast Kaliningrad).
DB Schenker: Verbindung war sofort ausgebucht
Auch DB Schenker umgeht den Engpass an Land, indem Ladungen ab Kaliningrad per Schiff nach Rostock und von dort weiter per Zug transportiert werden. „Das spart aktuell sieben bis zehn Tage Laufzeit“, sagt ein Sprecher. Das Produkt wurde nach zwei Jahren Vorbereitung gemeinsam mit DB Cargo Eurasia und dem Xi’an International Landport mitten in der Coronakrise gestartet. Anfang April kamen die ersten 49 Container mit Industrie- und Medizingütern am Überseehafen an. Die Verbindung bringe einen erheblichen Mehrwert für Kunden auf der Seidenstraße, erläutert der Sprecher. „Sie war sofort ausgebucht.“
Die Container wurden größtenteils direkt auf einen Ganzzug mit Ziel Duisburg verladen, weitere Container wurden nach Verona in Italien sowie mit der Fähre über Trelleborg nach Schweden verteilt. Transportiert werden jetzt überwiegend Industriegüter, Automation, Robotik, Maschinen, Ausrüstungen, Stückgut und teilweise auch Konsumgüter. „Wichtiger als die Branchen waren für uns jedoch die Regionen, die wir mit dem neuen Produkt erschließen konnten“, betont der Sprecher von DB Schenker. Durch die Einbindung des eigenen Railports in Rostock in die eurasischen Verkehre sei eine Möglichkeit zur Kombination mit intermodalen Verkehren nach Skandinavien und Südeuropa geschaffen worden.
Laufzeit von zehn Tagen in Richtung Westen
In der Urlaubssaison verkehrte der Zug einmal wöchentlich pro Richtung, die Laufzeiten liegen von Terminal zu Terminal bei zehn Tagen westwärts, in Richtung Osten sind 14 Tage der Standard. Dabei übertrifft die Auslastung alle Erwartungen von DB Schenker und sei durch die gute regionale Kundenanbindung in ganz China sehr stabil. Beobachtet werde auch eine immer stärkere Nachfrage nach Transporten Richtung Osten. Bei Bedarf soll das Angebot ausgeweitet werden.
Der Geschäftsführer des Hafenbetreibers Rostock Port, Gernot Tesch, sieht den Standort als idealen Verkehrsknoten zum Sammeln und Verteilen von Containern in Europa. Es gebe bereits land- und seeseitige Verkehrsverbindungen nach Nord- und Kontinentaleuropa. „Das neue Transportangebot bietet aber auch Raum für den Aufbau völlig neuer europaweiter Logistikketten etwa nach Russland, Kasachstan oder in die baltischen Staaten“, sagt er und kann sich eine Steigerung der Frequenz auf sechs Abfahrten pro Woche vorstellen.
Bei vielen löst Seidenstraße gemischte Gefühle aus
Bei aller Freude über neue Handelswege wird Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße von der EU und international inzwischen sehr kritisch gesehen. Das Land wolle seinen globalen Einfluss mithilfe riesiger Investitionen in Infrastrukturprojekte ausdehnen, lautet einer der Vorwürfe. Dabei würden wirtschaftlich schwächere Staaten in eine Schuldenfalle getrieben und politisch abhängig gemacht. Außerdem ist es euro¬päischen Unternehmen so gut wie unmöglich, sich erfolgreich an Ausschreibungen zu beteiligen, ergab eine Studie der Europäischen Handelskammer in China. Am meisten profitierten chinesische Stahl-, Bau- und auch Transportunternehmen.