Digitalisierung erschüttert Automobilhandel

29. Sept. 2017
Die Digitalisierung könnte die heutigen Strukturen im Automobilhandel aufsprengen. Mit der zunehmenden Verlagerung des Automobilverkaufs ins Internet werden sich die Beziehungen zwischen Herstellern und Händlern nachhaltig verändern. Nicht alle Händler werden den Sprung in die digitale Welt schaffen, so dass die Zahl der selbständigen Automobilhändler in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) im Auftrag der Sachverständigenorganisation DEKRA.
Nach Einschätzung der IFA-Experten wird der Automobilhandel die Schnittstelle zum Kunden verlieren. Da immer mehr Autofahrer den Kaufprozess im Internet beginnen, werden die Websites der Automobilhersteller und unabhängiger Autobörsen immer häufiger den Erstkontakt zu den Kaufinteressenten haben. Der Automobilhandel wird daher in eine zunehmend stärkere Abhängigkeit von Online-Plattformen geraten: „Im Gebrauchtwagengeschäft hat der traditionelle Automobilhandel bereits heute die Kundenschnittstelle verloren“, urteilt der wissenschaftliche Leiter der Studie, IFA-Direktor Professor Dr. Willi Diez. „Kein Händler kann es sich heute mehr leisten, seine Gebrauchtwagen nicht bei einer der großen Autobörsen anzubieten. Diese Entwicklung wird auch bei den Neuwagenverkäufen in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen.“
Direktverkauf im Internet – Autohändler werden zu Verkaufsunterstützern
Um zu verhindern, dass das Neuwagengeschäft zu unabhängigen Online-Plattformen abwandert, werden die Automobilhersteller ihr Online-Angebot erweitern und den Direktverkauf von Neuwagen per Internet forcieren. Der Automobilhandel wird dabei zunehmend in eine bloß verkaufsunterstützende Funktion gedrängt. So wird der Handel Probefahrten anbieten und bei schwierigen technischen Fragen den Kaufinteressenten als Anlaufstelle für eine persönliche Beratung zur Verfügung stehen.
Um diese Assistenz-Funktion erfüllen zu können, müssen die Händler jedoch voll in den digitalen Verkaufsprozess des Herstellers integriert sein. Dazu müssen in den Verkaufsräumen künftig verstärkt digitale Medien und Devices eingesetzt werden, damit es zu keinem Kontaktabbruch durch den Kaufinteressenten beim Übergang von der Online- zur Offline-Beratung kommt. Medienbrüche werden von den Käufern nicht akzeptiert werden, so die Studie.
Autohandel hinkt bei der Digitalisierung hinterher
Auf Basis einer Händlerbefragung haben die IFA-Experten erhebliche Digitalisierungs-Defizite im Automobilhandel festgestellt. So setzen die deutschen Automobilhändler nur ein Viertel der heute gängigen digitalen Medien im Verkauf und im After-Sales-Bereich ein. „Die Herausforderung für den Handel liegt nicht nur darin, dass er in den nächsten Jahren erheblich in die digitale Ausstattung der Autohäuser investieren muss. Er muss vielmehr auch seine Verkaufsprozesse umstellen und die Mitarbeiter digital qualifizieren“, gibt Professor Diez zu bedenken. Das Autohaus müsse zum „Digital Store“ werden. Vor allem kleinere Autohäuser seien damit überfordert und würden daher auch keinen Platz mehr in der künftigen Vertriebswelt der Automobilhersteller haben.
Da der Verkaufsabschluss künftig nicht mehr zwingend im Autohaus selber, sondern Online stattfinden werde, müssten auch die Vergütungssysteme zwischen Herstellern und Händlern verändert werden. An die Stelle der heute üblichen Margensysteme, die sich an der Zahl der Verkaufsabschlüsse orientieren, müsse eine leistungsorientierte Entlohnung des Handels treten: „Der Händler muss für eine Probefahrt, die er durchgeführt hat, auch dann Geld vom Hersteller bekommen, wenn der Interessent anschließend sein Auto online kauft,“ erklärt Professor Diez. Ansonsten würde ein digitales Vertriebsmodell mit stationären Händlern nicht funktionieren.
Die IFA-Studie geht davon aus, dass die Automobilhersteller ihre Handelsnetze in den nächsten Jahren weiter ausdünnen und vorrangig mit großen Handelsgruppen zusammenarbeiten werden. Da Information und Beratung immer häufiger online stattfindet, werde auch die Zahl der Verkaufshäuser selbst zurückgehen. Andererseits würden andere stationäre Formate wie City Stores als Kundenkontaktpunkte weiter an Bedeutung gewinnen. Das IFA-Institut rechnet damit, dass die Zahl der Vertragshändler in Deutschland von 6.900 im Jahr 2016 auf 4.500 im Jahr 2020 sinken wird.
Studie soll Händlern helfen, sich für die Zukunft aufzustellen
Die Studie ist inzwischen die zehnte Untersuchung zu Autohandels-Themen, die das IFA im Auftrag von DEKRA erstellt hat. „Als langjähriger zuverlässiger Partner des Kfz-Gewerbes wollen wir auch mit dieser Studie unseren Kunden Denkanstöße liefern, mit denen sie ihr Geschäft erfolgreich ausrichten können“, so DEKRA Vorstandsmitglied Clemens Klinke. „Das Thema Digitalisierung wird auch für die Zukunft der Branche ganz wesentlich sein. Wer hierfür gut aufgestellt ist, sichert sich Wettbewerbsvorteile.“
Hinweis:
Die Studie „Autohaus 2025 – Die Zukunft des Automobilhandels“ kann zum Preis von 89 Euro bezogen werden bei Barbara-Jutta Conzelmann: barbara-jutta.conzelmann@dekra.com.
Sie wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Willi Diez am Institut für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen im Auftrag der DEKRA Automobil GmbH erstellt.