Brenner Basistunnel: Eisenbahn-Zulaufstrecken frühestens 2038 fertig
Durch den Brenner Basistunnel soll der Verkehr in der Region künftig auf die Schiene verlagert werden. Doch die Fertigstellung der Eisenbahn-Zulaufstrecken in Deutschland wird nach jüngsten Informationen noch mindestens 20 Jahre dauern. Dass die Planungen weiterhin in der Anfangsphase stecken, verstimmt die Österreicher und insbesondere die Tiroler. Denn während sie einen teuren Tunnel durch die Alpen bohren, wächst der Lkw-Transitverkehr über den Brennerpass unaufhörlich weiter.
Das bayerische Inntal war schon vor den Tiroler Blockabfertigungen ein stauträchtiger Engpass. Im März lag das Schwerverkehrsaufkommen knapp sechs Prozent über dem des Vorjahres, im Februar waren es zwölf und im Januar 20 Prozent, erläutert der Referent von Tirols Landeshauptmann Günther Platter, Simon Lochmann. Die Deckelung auf 300 Lkw pro Stunde sei eine sehr flexible Maßnahme, die bei flüssigem Verkehr direkt wieder aufgehoben werde. Deutschland aber will die Blockabfertigungen nicht akzeptieren, während die Österreicher darauf beharren, dass die Verkehrssicherheit und die problematischen Auswirkungen für die Umwelt gar nichts anderes zuließen. Teilweise stauten sich die Fahrzeuge sonst gefährlich auf den Autobahnauf- und -abfahrten, für Polizei und Rettungsdienst gebe es kein Durchkommen mehr, sagt Lochmann gegenüber trans aktuell. „Das ist eine Notwehrmaßnahme.“
Termin für den nächsten Brenner-Gipfel steht noch nicht fest
Beide Länder tun sich schwer, gemeinsam eine Lösung zu finden. Und der Termin für den nächsten Brenner-Gipfel unter der Vermittlung des EU-Koordinators für den Skandinavien-Mittelmeer-Korridor des TEN-T Kernnetzes, Pat Cox, steht offenbar noch nicht wirklich fest. Weil im Mai sehr viele internationale Ereignisse anstünden, werde auch ein späteres Datum in Erwägung gezogen, heißt es aus Brüssel, wo die Fäden zusammenlaufen. In der EU-Kommission wird das Thema Schwerverkehr am Brenner als eine regionale Herausforderung gesehen, die gemeinsam gelöst werden müsse und die man unterstützend begleite.
Sechs Arbeitsgruppen wurden unterdessen gebildet – zu Infrastruktur, Interoperabilität und Betrieb, Terminals, begleitende Maßnahmen, Umwelt sowie Kommunikation. Außerdem gibt es eine Task Force zur Rollenden Landstraße, „TF Rola“. Die Idee für eine Wiederbelebung der Rola, wie es sie bis Mitte 2016 zwischen Regensburg und dem italienischen Trient gab, kam auf dem Brenner-Gipfel im Februar auf. Unter Beteiligung der Deutschen Bahn werden für den nächsten Gipfel Empfehlungen ausgearbeitet, aber mehr Informationen zum Thema gibt es aus Berlin derzeit nicht. Allerdings sind Rolas ein Zuschussgeschäft, das ohne staatliche Zuschüsse niemand anpacken will.
Bündel an Maßnahmen benötigt
Die Tiroler Landesregierung geht davon aus, dass sich die Beteiligten am 12. Juni wieder treffen. „Wir müssen Wege und Systeme finden, um zu einer Entlastung zu kommen“, betont Lochmann. Kurzfristig könne durch eine Stärkung der Schiene eine Verlagerung erreicht werden, grundsätzlich werde aber ein Bündel von Maßnahmen gebraucht, Absichtserklärungen reichten nicht aus. In Tirol wünscht man sich eine höhere Korridormaut auf der Strecke von München nach Verona zwischen Bayern und Südtirol, denn die Überquerung des Brennerpasses sei innerhalb Europas vergleichsweise so günstig, dass zusätzlich Umwegverkehre angezogen würden.
Die Zukunft in Gestalt eines dritten und vierten Gleises auf deutscher Seite rückt dabei offenbar in immer weitere Ferne. Denn nur wenn es bei der Trassenauswahl im Inntal keine weiteren Verzögerungen mehr gibt, ist der Termin für eine Fertigstellung der Zulaufstrecken bis 2038 überhaupt noch zu halten. Dieser Zeitplan sei „sehr ambitioniert“, sagte ein Vertreter der Deutschen Bahn bei einer Sitzung des Regionalen Projektbeirates Anfang März. Der Basistunnel dagegen soll nach bisheriger Planung 2026 in Betrieb gehen, jüngst wurde das größte Baulos in Österreich mit einem Umfang von etwa einer Milliarde Euro vergeben. Die Differenz zwischen beiden Terminen ist nach DB-Einschätzung nicht problematisch, da der Verkehr auf der neuen Tunnelverbindung nicht schlagartig ansteigen werde, außerdem gebe es noch ausreichend freie Kapazitäten auf den bestehenden Gleisen.
Bahn hat undankbare Rolle
Grundsätzlich hat die Bahn eine eher undankbare Rolle im Inntal: Auf der einen Seite sieht sie sich bei der Planung der Zulaufstrecken dem Widerstand von Teilen der Bevölkerung gegenüber, auf der anderen Seite fehlt es an Unterstützung durch die Berliner Politik. „Wir sind noch ziemlich am Anfang mit der Trassensuche“, sagt ein Sprecher gegenüber trans aktuell. Bei mehr als 75 Gemeinde- und Regionalforen, Projektbeiräten und Informationsveranstaltungen hat das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren über Planungsgrundlagen informiert. Aber der Widerstand gegen das Vorhaben hat sich keineswegs erledigt. So kommt immer wieder die Frage hoch, ob der Bedarf für den viergleisigen Ausbau der Strecke tatsächlich gegeben ist. Denn die DB plant mit Prognosen der Bundesregierung, wonach der seit vielen Jahren ansteigende Güterverkehr weiter wächst, sagte der Sprecher.
Die abschließenden Berechnungen für die Schiene aber habe Berlin noch nicht vorgelegt. „Deshalb können wir vor Ort nicht mit konkreten Zugzahlen argumentieren“, erläutert der Sprecher. Immerhin gab es nun erste Erkundungsbohrungen, bis 2020 sollen eine oder sogar zwei möglichst verträgliche Trassen feststehen. Über die entscheidet dann der Bund, danach können Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren sowie die Abklärung der Finanzierung in Angriff genommen werden. Und so schleppt sich das Projekt dahin. Die 25 Blockabfertigungen, die die Tiroler für dieses Jahr festgelegt haben, stoßen auf bayerischer Seite nicht nur auf Ablehnung. Es gibt auch Stimmen, die sich freuen, dass München und Berlin gezwungen sind, endlich etwas zu tun.