Europaparlament: Keine neuen Arbeitszeiten für Lkw-Fahrer
Für Fahrer und Transportunternehmen bleibt bei Lenk- und Ruhezeiten, Entsendung sowie Kabotage zunächst alles beim Alten. Das Europäische Parlament (EP) hat die umstrittenen Vorschläge des Verkehrsausschusses für Neuregelungen abgelehnt. Dieser muss sich jetzt erneut mit dem Papier der EU-Kommission und neue Lösungen erarbeiten. Die Reaktionen der Branche hierauf fallen unterschiedlich aus. Während der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) den Neustart begrüßt, bedauert der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) die Entscheidung der Abgeordneten.
Es sei eine große Chance vertan worden, die europäischen Regelungen zum Straßengüterverkehr nachhaltig zu reformieren, Lkw-Fahrern mehr soziale Sicherheit zu bieten und die auf Arbeitsteilung, Spezialisierung und offene Grenzen aufgebaute Logistik zu stärken, hält der DSLV fest. „Wir sind besonders enttäuscht, dass der bereits ausgewogene Kompromiss des Verkehrsausschusses zur Anwendung des Entsenderechts im Verkehrssektor vom Parlament nicht angenommen wurde“, betonte Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Der DSLV hatte darauf gedrungen, das Entsenderecht nicht auf internationale Transporte zu übertragen, sondern auf die Kabotage, also Transporte ausländischer Unternehmen im Inland, zu beschränken.
Der BGL dagegen wollte einen fairen Wettbewerb generell durch gleiche Löhne für gleiche Arbeit am gleichen Ort gesichert sehen. Viele mittelständische Transport- und Logistikunternehmen mit Standort Deutschland seien in ihrer Existenz bedroht, wenn gebietsfremde Transportunternehmen künftig ganz legal in Deutschland Verkehrsdienstleistungen auf der Grundlage von Fahrerlöhnen anbieten könnten, die nur einem Bruchteil des Mindestlohns in Deutschland entsprechen, lautete die Argumentation. „Wir können gut damit leben, dass das Ganze jetzt noch einmal neu diskutiert wird“, sagte Dr. Alfred Zobel, stellvertretender BGL-Hauptgeschäftsführer.
Der BGL nimmt hier eine Position ein, die auch von den Gewerkschaften vertreten wird. Verdi und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wollten Lockerungen bei den Arbeitszeiten nicht akzeptieren, die den Anspruch auf ein freies Wochenende erst nach drei Wochen vorgesehen hätten. Zudem wären danach bei Busfahrern Fahrten an zwölf Tagen hintereinander mit bis zu 16 Stunden möglich geworden. Sie warnten davor, dass verlängerte Lenkzeiten von Fahrern ein großes Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer und Reisende auf den Straßen darstellten. Der Präsident der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft ETF, Frank Moreels, wertete die Entscheidung als einen Sieg. Es sei verhindert worden, dass Fahrer im internationalen Verkehr bei weniger Freizeit länger arbeiten müssten als Arbeitskräfte vor Ort, sagte er.
Der SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug sieht ein weiteres Sozialdumping bei den etwa drei Millionen Lkw-Fahrern jetzt erst einmal vereitelt. „Hätte sich die konservativ-liberale Mehrheit im Europäischen Parlament nicht so vehement dagegengestemmt, hätte jetzt ein wichtiger Schritt in eine sozialere und solidarischere Europäische Union getan werden können“, betonte Ertug. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im EP, Michael Cramer, sagte, das Ja zur neuen Runde in den Verhandlungen sei ein großer Erfolg für Lkw- und Busfahrer: „Das Europäische Parlament akzeptiert keine Arbeitnehmer zweiter Klasse“, unterstrich er. Übermüdung nach Arbeitstagen von zwölf Stunden führe zu schweren Unfällen und gefährde alle im Straßenverkehr.
Mit ihrem ersten Mobilitätspaket wollte die EU-Kommission die Regeln für den Straßengütertransport neu fassen. Jetzt erscheint es fraglich, ob die Zeit dafür in dieser Legislaturperiode noch reicht.