Offroad-Künstler: Erste Fahrt im Ford Ranger Raptor
Ford hat seinen erfolgreichen Midsize Pick-up Ranger geliftet. Mit der neuen Optik kommt der Raptor, der die Modellpalette nach oben abrunden soll – mit einem Manko.
Der Ranger Raptor ist rein optisch erst einmal der richtige Schritt, um das Profil des Ranger weiter zu schärfen. Das drücken schon die Namen der beiden verfügbaren Farben aus: Ford Performance Blue und Conquer Grey. Zum Profil gehört auch, bei den Abmaßen eine Schippe draufzulegen. Im Raptor-Trimm tritt der Ranger rundum gewachsen auf: plus 168 Millimeter in der Breite, 52 Millimeter in der Höhe und 44 Millimeter in der Länge. Der Höhenzuwachs kommt bis auf einen Millimeter restlos der Bodenfreiheit zu Gute. Mit 283 Millimetern Bauchfreiheit, lässt sich schon einiges anstellen. Dank der Höherlegung wachsen auch die Rampenwinkel vorne und hinten um jeweils drei Grad, die Wattiefe wächst auf 850 Millimeter. Die FOX Racing Stoßdämpfer haben einen um 30 Prozent größeren Arbeitsbereich als die Standardvariante. Die FOX-Dämpfer verfügen über sogenanntes Position Sensitive Damping. Die Kennlinie ändert sich also, je nachdem wie stark der Stoßdämpfer belastet wird. In der Mittellage sorgt das für besonders sanftes Gleiten über flache Stöße. Bei harten Schlägen versteifen sich die Dämpfer und nehmen die Kräfte auf, ähnlich einer gedämpften Schublade, die im letzten Moment den Knall verhindert. All-Terrain-Reifen von BF-Goodrich sorgen für jede Menge Grip und machen dank 285 Millimeter Breite auch auf Sand eine gute Figur.
Waschechter Offroader mit Straßenqualitäten
Die Marschrichtung scheint also klar: Aus dem Arbeitstier Ranger soll ein Offroad-Sportgerät werden – Alltagstauglichkeit dahin. Das ist allerdings nicht unbedingt der Fall. Ford schafft den Spagat zwischen waschechter Offroad-Bereifung und Fahrkomfort auf der Straße. Anders als bei AT-Reifen üblich, rollen die verbauten Pneus ziemlich ruhig ab. Auch die Fahrdynamik passt zur Fahrzeuggattung, wird also ebenfalls nicht negativ beeinflusst. Selbstredend bleibt die Ladefläche an sich erhalten. Die Nutzlast schrumpft allerdings auf 620 Kilogramm, die Anhängelast beträgt, anders als beim 3,2 Liter großen Fünfzylinder nur noch 2,5 statt 3,5 Tonnen.
Zu wenig Power
Der 3,2-Liter-Motor ist indes der größte Wehmutstropfen des Raptor. Er fehlt nämlich. Stattdessen hat Ford, dem Emissionsdiktat sei Dank, einen Vierzylinder mit 2,0 Liter Hubraum eingebaut. Auf dem Papier scheint damit auch alles in Ordnung: Die Leistung steigt um 13 PS, das Drehmoment um 30 Nm auf 213 PS und 500 Nm. Der Raptor ist also eigentlich potenter unterwegs als bisher. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Leistung und Drehmoment liegen beim Fünfer schon deutlich früher und über ein breiteres Plateau an als bei der Zweilitermaschine. Da helfen auch zwei Turbos wenig.
Bei der Fahrt im Gelände hinterlässt der Raptor dadurch einen gespaltenen Eindruck. Das Fahrwerk ist unschlagbar. Selbst tiefe Schlaglöcher werden noch weggefedert, ohne, dass die Federung auf Block geht. Wellblechpisten atmen die Spezialstoßdämpfer einfach weg. Statt vibrierend die Zahnplomben zu gefährden, schwebt der Raptor praktisch darüber hinweg. Auch felsiges Terrain ist – bei entsprechend deutlich geringerer Geschwindigkeit – gar kein Problem. Bei der Fahrt auf der Straße offenbart sich aber die größte Schwachstelle des Raptor. Selbst im optimistisch bezeichneten Sport-Modus wirkt der Raptor alles andere als Angriffslustig. Das Programm schärft zwar die Gaspedalkennlinie. Doch nach dem gefühlt zackigen Ansprechen kommt viel zu wenig Leistung auf. Den Sprint auf 100 lohnt es sich gar nicht erst zu messen. Am subjektiven Empfinden kann auch der eingebaute Soundgenerator nichts ändern. Denn selbst der macht aus dem Vierzylinder-Selbstzünder keinen potenten V8. Rein akustisch dürfte das auch der Plan gewesen sein, doch er erinnert eher an eine Motocross-Maschine. Immerhin erfolgt die Beschleunigung sanft und ohne Schaltrucke. An Bord hat der Raptor die 10-Gang-Automatik aus dem Ford Mustang. Das Getriebe arbeitet zwar um Welten besser als die automatische Sechsgangbox, ist aber für ein Fahrzeug, das bei Tempo 170 abregelt ziemlich überqualifiziert.
Motor dreht im Sand sehr hoch
Ähnlich zwiegespalten lässt der Raptor den Fahrer auch nach der Fahrt durch tiefen Sand zurück. Die Reifen funktionieren prima, auch mit vollem Luftdruck. Der Pick-up findet problemlos seine Spur im Sand, je nach Fahrmodus mit mehr oder weniger Heckschwenks. Die Automatik erlaubt sich ebenfalls keine Schnitzer. Wäre, ja wäre da nicht das Triebwerk. Die vollen 213 PS liegen erst bei knapp 4.000 Umdrehungen an. Das weiß das Getriebe nur zu gut und pendelt den Raptor im Sand die meiste Zeit bei dieser Drehzahl ein. Da machen sich die fehlenden Reserven bemerkbar. Gleichzeitig zeigt dies, wie unsinnig es eigentlich ist, ein solches Fahrzeug auf Verbrauchszyklen zu optimieren. Auf der Straße mag der Raptor tatsächlich sparsam sein, doch gerade bei einem Offroader kommt es auf die Fahrbarkeit im Gelände an. So hinterlässt der Raptor bei all seinem Können und all der Faszination, die er ausstrahlt immer auch einen faden Beigeschmack.
Sportlicher Innenraum
Im Innenraum hat Ford das zwar hübsche, aber letztlich etwas unpraktische Layout der Instrumente aufgeräumt. Statt einer mittigen Uhr und zwei flankierenden Displays im Wildtrak, verfügt der Raptor über zwei Uhren: Tacho und Drehzahlmesser. Bei der an sich etwas schickeren Lösung mit Zentraltacho kann der Fahrer den Drehzahlmesser nur dann anzeigen, wenn er andere Informationen ausblendet. Die Sportsitze des Raptor tragen stolz das Raptor-Signet. Am Lederlenkrad fällt zunächst die rote Markierung ins Auge. Sie soll dem Fahrer offroad und auf der Rennstrecke zeigen, wo die Mitte des Lenkradkranzes ist. Das Volant fasst sich sehr weich und griffig an, woran auch die ausgeformten Knubbel im oberen Drittel ihren Anteil haben. Wie an den Sitzen erstrecken sich blaue Ziernähte über den Armaturenträger.
Sechs Fahrmodi zur Auswahl
Während sich die meisten Offroad-Funktionen wie die Allradmodi, Sperre und Bergabfahrhilfe an der Schaltkonsole steuern lassen, sitzt im Lenkrad ein unscheinbarer Schalter mit der Aufschrift „Mode“. Darüber kann der Fahrer zwischen insgesamt sechs Fahrmodi wählen. In „Normal“ stehen Komfort und Verbrauch im Vordergrund. Der Modus „Sport“ verändert die Kennlinie und ist nicht im Allradmodus verfügbar. „Grass/Gravel/Snow“ erhöht die Traktion auf rutschigem Untergrund und ist nur mit Allrad und normaler Übersetzung verfügbar. „Mud/Sand“ optimiert die Traktion auf losem Untergründen wie Sand oder Schotter und ist nur mit Allrad – egal ob regulär oder untersetzt – kombinierbar. Die Einstellung „Rock“ legt den Antrieb sanfter aus, um gezielt mit niedriger Geschwindigkeit über Felsen zu klettern. Er lässt sich nur zusammen mit Allrad und Untersetzung aktivieren. Gleichzeitig sind Traktionskontrolle und ESP abgeschaltet. Der Modus „Baja“ ist die Königsdisziplin des Raptor, sozusagen ein Rennmodus für offroad-Fahrten. Er ist in allen Antriebsarten verfügbar, Heck, Allrad mit und ohne Untersetzung. ESP ist in diesem Falle ausgeschaltet. Die Traktionskontrolle arbeitet trotzdem in einem speziell angepassten Baja-Programm.
Unter dem Strich ist der Raptor also eine gelungene Krönung der Baureihe und unterstreicht optisch wie (fahrwerks)technisch, was im Ranger schlummert. Aber bitte Ford, überlegt euch die Sache mit dem Motörchen noch einmal. Ein Raptor muss beißen. Zudem konkurriert der Raptor bei einem Einstiegspreis von gut 55.000 Euro netto mit Amarok und X-Klasse. Den VW gibt es mit dem bereits sehr antrittsstarken „schwachen“ V6 und Aventura-Ausstattung ab etwa 48.000 Euro netto. Für ein paar Anpassungen beim Fahrwerk wäre damit also noch Budget vorhanden. Der Mercedes bewegt sich mit noch mehr Leistung bei einem ähnlichen Einstiegspreis um 49.000 Euro netto.