EU-Kommission macht Druck beim Abgasskandal

24. Juli 2017
Die Europäische Kommission legt angesichts des Dieselskandals eine härtere Gangart ein. So will sie aus den Abgasmanipulationen der Autobauer Konsequenzen ziehen und Sammelklagen ermöglichen. „Der VW-Skandal hat uns eine harte Lektion erteilt. Als Lehre daraus will ich die Rechte der Autokäufer in Europa stärken und eine europaweite Sammelklage einführen“, sagte Verbraucherschutzkommissarin Vera Jourava in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, nicht umgerüstete Autos ab 2018 stillzulegen.
Nachdem VW erfolglos gedrängt worden sei, europäischen Käufern manipulierter Dieselmotoren Entschädigungen zu zahlen, arbeite sie jetzt an einer Gesetzesinitiative für das nächste Jahr, sagte Jourova. „Ich will, dass die europäischen Verbraucher ihre Kräfte bündeln und ihre Klagen koordinieren können“, betonte die Kommissarin. Bislang sind nur VW-Käufer in den USA entschädigt worden, in Deutschland beispielsweise müssen Schadensersatzforderungen individuell geltend gemacht werden.
Entschädigungen für Verbraucher und kleine Firmen
Verbraucher, aber auch kleine Firmen müssten sich verteidigen können und von großen Konzernen Entschädigungen bekommen, wenn diese gegen europäisches Recht verstießen, sagte Jourova. „Große Unternehmen werden immer größer, viele kleine Firmen verlieren im harten Kampf gegen die Giganten etwa im digitalen Bereich.“ Außerdem entlasteten Sammelklagen die Justiz und stärkten das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Gerechtigkeit.
Bereits zuvor hatte Industriekommissarin Bienkowska die 28 Verkehrsminister der EU-Staaten aufgefordert, verpflichtende Rückrufaktionen zu veranlassen, damit manipulierte Dieselautos bis Ende des Jahres umgerüstet werden. In ihrem Brief, aus dem die „Wirtschaftswoche“ zitiert, heißt es, Fahrzeuge, die die europäischen Normen nicht erfüllten, sollten ab 2018 radikal aus dem Verkehr gezogen werden.
Verpflichtende Rückrufaktionen gefordert - Kartellvorwürfe
Den nationalen Prüfbehörden hat Bienkowska laut „Süddeutscher Zeitung“ Versagen vorgeworfen. Es sei bestürzend, dass auch neue Verdachtsfälle nicht von den Aufsichtsbehörden entdeckt, sondern von Staatsanwaltschaften ermittelt wurden. Die Kommissarin erwartet weitere Enthüllungen: „Wir haben beim Emissionsskandal noch nicht den Boden erreicht“, betonte sie. Sie warnte allerdings auch vor dramatischen Folgen eines generellen Dieselfahrverbots. Ein rasant kollabierender Diesel-Markt infolge lokaler Fahrverbote „würde der Industrie nur die Mittel entziehen, in emissionsfreie Autos zu investieren.“
Derzeit prüft die EU-Kommission, ob deutsche Autobauer seit mehr als 20 Jahren unerlaubte Absprachen zu Technik, Kosten und Zulieferern getroffen haben. Kartellvorwürfe gibt es gegen Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler. Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnte die Kommission hohe Geldstrafen verhängen.