Europäischer Rechnungshof kritisiert Verschwendung
Der Europäische Rechnungshof bemängelt die Umsetzung von Mega-Verkehrsprojekten in der EU.
Er hat acht grenzüberschreitende Großprojekte mit einem Investitionsumfang von 54 Milliarden Euro geprüft, darunter der Brenner-Basistunnel, die feste Fehmarnbelt-Querung und der Tunnel zwischen Lyon und Turin. Das Ergebnis ist niederschmetternd: Bei allen Megaprojekten verzögern sich die Bauarbeiten um durchschnittlich elf Jahre und das EU-Kernverkehrsnetz (TEN-V) und die erwarteten Netzwerkeffekte werden nicht wie geplant bis 2030 realisiert sein.
Kostensteigerung von 47 Prozent
Außerdem sind die Kosten um mehr als 17 Milliarden Euro gestiegen, das entspricht 47 Prozent. Grund dafür seien häufig Änderungen der Auslegung und des Umfangs der Projekte sowie eine ineffiziente Umsetzung. Die größte Steigerung gab es mit einer annähernden Verdreifachung beim Kanalprojekt zwischen Seine und Schelde. In Rumänien wiederum stellten die Prüfer fest, dass ein neuer Abschnitt der Autobahn A1 nicht genutzt und zwei Teilabschnitte falsch verbunden wurden. „Dies führte zu einer unwirksamen Nutzung und einer Verschwendung von Mitteln.“
Überwachung ungenügend
Der Planungsprozess für diese Investitionen in Milliardenhöhe müsse verbessert werden, heißt es im Bericht. Von Doppelarbeit ist die Rede, von Ineffizienz, hohem bürokratischen Aufwand, mangelnder Wirtschaftlichkeit und einem fehlenden Gesamtüberblick. Insbesondere sei die Überwachung der EU, die mit einer Kofinanzierung in Höhe von 7,5 Milliarden Euro beteiligt ist, ungenügend. Sie habe auch „keine kritische Bewertung der langfristigen Nachhaltigkeit und der Kosten der Projekte vorgenommen“. Dabei sei sie dafür verantwortlich, dass die Kofinanzierung nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Haushaltsführung erfolge.
Wirtschaftlichkeit unsicher
Der Hof stellt beispielsweise fest, dass frühere Prognosen für den Güterverkehr im Tunnel zwischen Lyon und Turin sowie auf der Wasserstraße zwischen Seine und Schelde weit über dem derzeitigen Verkehrsaufkommen liegen. Zu optimistisch waren offenbar auch die Berechnungen für die Rail Baltica-Strecke und den Schienenabschnitt der festen Fehmarnbelt-Querung. Die Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Kopenhagen und Hamburg könne bis zu 46 Millionen Euro pro Kilometer kosten und werde pro Jahr nur von einer Million Fahrgäste genutzt, „was viel zu wenig ist, um wirtschaftlich tragfähig zu sein“.
Keine Bedarfsanalyse am Brenner
„Für den Brenner-Basistunnel haben die drei Mitgliedsstaaten bislang noch keine harmonisierte Verkehrsstudie durchgeführt und stellen die Zahlen und Methoden der jeweils anderen Mitgliedsstaaten in Frage, während die Kommission keine eigene unabhängige Bedarfsanalyse durchgeführt hat“, lautet die Kritik der Prüfer. Das Projekt verursacht insgesamt Kosten im Umfang von 9,3 Milliarden Euro, die EU-Kofinanzierungsmittel betragen 1,58 Milliarden Euro. Trotzdem „haben weder Österreich, Italien, Deutschland noch die EU jemals eine umfassende strategische Kosten-Nutzen-Analyse der gesamten 445 Kilometer langen Strecke von München nach Verona“ erstellt. Der Bericht, der auch die Fertigstellung der Nebeninfrastrukturen einbezieht, geht davon aus, dass die deutschen Zubringerstrecken „möglicherweise erst zwischen 2040 und 2050 mit voller Kapazität zur Verfügung stehen“.
Kommission in der Verantwortung
Da es sich bei den acht Projekten um zentrale Verbindungsstücke handele, gefährdeten die Verzögerungen das reibungslose Funktionieren von fünf von insgesamt neun TEN-V-Korridoren, hält das Papier fest. Diese aber dienten auch der Förderung von Wachstum und Beschäftigung und zur Bekämpfung des Klimawandels. Die EU-Kommission trage zwar die allgemeine Verantwortung für die Fertigstellung der Korridore bis 2030, verfüge aber nur über beschränkte Befugnisse und rechtliche Instrumente, die sie zudem bislang nicht nutzt.
Nationale Interessen genießen Vorrang
Das begünstigt auch ein weiteres Dilemma. Als ein Hauptproblem haben die Prüfer nämlich die mangelhafte Koordinierung zwischen den 13 an den Projekten beteiligten EU-Ländern (baltische Staaten, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Österreich, Polen und Spanien) ausgemacht. Die setzen zudem offenbar lieber nationale Maßnahmen um, als grenzüberschreitende Projekte zu unterstützen. Deutschland macht da keine Ausnahme: „In der derzeitigen deutschen Infrastrukturplanungspolitik wird Investitionen in Kernnetzkorridoren keine spezifische Priorität eingeräumt“, stellt der Rechnungshof fest.
Ökologische Vorteile fragwürdig
In dem Rechnungshofbericht heißt es: „In der Tat ist der Bau neuer großer Verkehrsinfrastrukturen eine bedeutende Quelle von CO2-Emissionen, während die Umweltvorteile von der Menge des Verkehrs abhängen, der von anderen, umweltschädlicheren Verkehrsträgern auf die neue Infrastruktur tatsächlich umgelenkt wurde. Angesichts der Tatsache, dass die Verkehrsverlagerung in Europa in den letzten 20 Jahren sehr begrenzt war, besteht ein erhebliches Risiko, die positive multimodale Wirkung vieler Projekte zu überschätzen.“