Dritter Feldversuch mit Oberleitungs-Lkw
Baden-Württemberg testet Hybrid-Lkw mit Stromabnehmern. Das Land des Automobils darf die Feldversuche mit Oberleitungs-Lkw nicht nur aus der Ferne beobachten. Es muss aktiv daran mitwirken – erst recht, weil Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsidenten hat und sich einer nachhaltigen Mobilität verschrieben hat. So jedenfalls die Auffassung von Spediteur Dieter Fahrner, Chef von Fahrner Logistics aus Dornstetten. Nachdem er von den geplanten Pilotprojekten in Schleswig-Holstein und Hessen gelesen hatte, fragte er über eine CDU-Abgeordnete bei der grün-schwarzen Landesregierung an, ob auch Baden-Württemberg sich an einem solchen Vorhaben beteiligen wolle – und brachte sich als möglichen Praxispartner gleich selbst ins Spiel.
Erst kassierte Geschäftsführer Fahrner beim Wirtschaftsministerium eine Abfuhr, später bekam er vom Verkehrsministerium grünes Licht. Und wenige Wochen später – diesen Montag nun – überreichte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) einen Förderbescheid über 16,8 Millionen Euro. Damit bekommt auch das Ländle einen Feldversuch mit Hybrid-Lkw, die einen Teil ihrer Energie über Stromabnehmer von oben beziehen. Das Projekt firmiert als eWayBW.
„Wir wollen diese Technologie von Speditionen über mehrere Jahre im Alltag testen lassen“, erklärte Hendricks in einem Logistikzentrum von Fahrner in Kuppenheim bei Rastatt. Anders als in Schleswig-Holstein und in Hessen, wo die Oberleitungs-Lkw auf Autobahnen verkehren werden, sei in Baden-Württemberg ein Einsatz auf einer Bundesstraße geplant. „Wir werden die Technologie in einer Talenge entlang des Murgtals unter realen Bedingungen testen“, kündigte die Ministerin an.
Pilotstrecke ist 18,3 Kilometer lang
Auf der 18,3 Kilometer langen Pilotstrecke zwischen Gernsbach-Obertsrot und Kuppenheim auf der B462 sollen zwei Abschnitte mit zusammen etwa sechs Kilometern elektrifiziert werden. 64 Lkw-Umläufe für die Papierindustrie fielen dort täglich an. „Das Projekt überzeugt auf der ganzen Linie“, betonte Hendricks. Daher habe ihr Haus die Förderanfrage gleich unterstützt.
Jährlich kommt nach Angaben des Bundesumweltministeriums auf der Pilotstrecke am Rand des Schwarzwalds ein Transportvolumen von mehr als 500.000 Tonnen Papier und Pappe zusammen. Die betreffenden Hersteller – Casimir Kast Verpackung und Display, Mayr-Melnhof Gernsbach und Smurfit Kappa Baden Board –sind ebenfalls in das Projekt involviert, genauso wie Huettemann Logistics als zweiter Logistikpartner neben Fahrner. Im Sommer 2019 sollen die beiden Streckenabschnitte realisiert sein und noch im selben Jahr in Betrieb genommen werden. Insgesamt verschlingt der Aufbau der Oberleitungs-Infrastruktur im Murgtal 17,6 Millionen Euro. 16,8 Millionen kommen aus dem Förderprogramm „Erneuerbar mobil“ vom Bund, weitere 800.000 Euro steuert das Land Baden-Württemberg bei.
Hendricks erklärte weiter, dass es das Bestreben der Bundesregierung sei, Güterverkehre auf die Schiene zu verlagern – was aber nicht für alle Verkehre möglich sei. Deshalb gelte es, die Verkehre, die auf der Straße verbleiben, weitgehend emissionsfrei abzuwickeln. Anders seien die Klimaziele der Bundesrepublik, die eine CO2-Reduktion bis 2030 um 30 Prozent vorsehen, nicht zu erreichen. Der Strom, den die Oberleitungs-Lkw beziehen, werde aus erneuerbaren Energien produziert – teilweise lokal aus Wasserkraftwerken an der Murg.
"Wir haben eine Verpflichtung für den Klimaschutz"
Wie Hendricks hob auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann die Bedeutung einer nachhaltigen Mobilität hervor. „Wir haben eine Verpflichtung für den Klimaschutz“, sagte er. Zugleich betonte auch Hermann, dass er den Oberleitungs-Lkw nicht als Konkurrenz zur Schiene sehe, sondern als Erweiterung. „Zugespitzt gesagt ist mir ein Oberleitungs-Lkw lieber als ein Gigaliner.“ Er freue sich auf das Projekt und sei gespannt darauf, was es bringe. „Es ist wunderbar, dass wir uns an den Versuchen beteiligen können“, betonte Hermann.
Fahrner-Geschäftsführer Dieter Fahrner machte klar, dass Unternehmer eine besondere Verantwortung hätten. „In vielen Bereichen unseres Lebens kann es nicht so weitergehen“, sagte er und wies auf den Klimawandel, aber auch auf überlastete Straßen, nicht mehr planbare Touren und ein Berufsbild hin, das Lkw-Fahrer nicht mehr als attraktiv empfänden.
Deshalb müssten Unternehmen den Wandel aktiv mitgestalten, statt zu lamentieren. Mit der Teilnahme am Feldversuch mit Oberleitungs-Lkw will Fahrner seinen Teil dazu beitragen. Bis zu vier Hybrid-Lkw mit Stromabnehmern will er sich mit entsprechender Förderung anschaffen, bei Huettemann Logistics sollen zwei der Versuchsträger laufen.