Unternehmen: So gelingt die Stabübergabe
Wer kommt als Nächstes ans Ruder? Ab einem gewissen Alter muss sich diese Frage jeder Spediteur stellen. Wir zeigen Ihnen, wie die Übergabe in sechs Schritten klappt.
Nach Schätzungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) steht von 2018 bis 2022 in rund 150.000 Familienunternehmen die Übergabe an. Das sind rund 30.000 Übergaben pro Jahr. Und auch etwa 2,4 Millionen Beschäftigte sind in den kommenden fünf Jahren von diesen Übertragungen betroffen. Über dieses Thema sprach kürzlich Beraterin Dr. Bettina Daser bei einer Veranstaltung der IHK Stuttgart.
Expertin Daser empfiehlt eine Vorgehensweise in sechs Schritten
Demnach treffen bei der Unternehmensnachfolge zwei sehr unterschiedliche Sphären aufeinander: Familie und Unternehmen. Hier die Emotion, dort die nüchterne Sachlichkeit – mit der Anforderung, die Zukunftsfähigkeit zu sichern. Die Expertin rät grundsätzlich dazu, beide Welten zu trennen. Demnach muss klar sein: „Spricht hier nun die Mutter zur Tochter oder die Seniorchefin zur künftigen Unternehmerin?“ Thomas Gerloff, seit einiger Zeit Geschäftsführer der GKS Gerloff Spedition, berichtet gegenüber dem Fachblatt trans aktuell aus eigener Erfahrung: „Bei allen Emotionen und Gefühlen darf man die Fakten nicht aus den Augen verlieren. Hierbei denke ich an Stimm- und Nießbrauchrechte sowie ein ordentliches Testament aller Beteiligten. Erst wenn über diese Themen offen gesprochen wurde und entsprechende Regelungen formuliert sind, kann der Generationswechsel vollzogen werden.“ Expertin Daser empfiehlt eine Vorgehensweise in sechs Schritten: Als Erstes gilt es, die grundsätzlichen Interessen zu klären.
Haben die Beteiligten überhaupt Interesse am Unternehmertum oder eher am Unternehmensverkauf und den damit verbundenen Einnahmen? Schritt zwei ist die Überlegung, ob die geplante personelle Konstellation zukunftstauglich ist. Die Übergabe an einen Allein-Nachfolger ist mit anderen Herausforderungen verbunden als die Etablierung einer Geschwistergesellschaft. Der Allein-Nachfolger kann für sich entscheiden ohne ein Familienmitglied. Mehrere geschäftsführende Gesellschafter hingegen können einander ergänzen. Jedoch müssen sie zur Kooperation fähig sein. Dies ist bei charakterlich unterschiedlichen Geschwistern im Tagesgeschäft manchmal schwierig. Als dritten Schritt nennt Daser die Festlegung der Familienstrategie. Dazu gehört auch die Frage: Muss der Nachfolger erst noch zusätzliche Qualifikationen oder Auslandserfahrung sammeln? Wer kann welche Qualifikation einbringen? Daraus wiederum folgt die Trennung der Zuständigkeiten und Kompetenzen. Hier der kaufmännische, dort der technische Geschäftsführer. An dieser Stelle ist es auch sinnvoll, über eine Backup-Lösung nachzudenken, falls der Nachfolger plötzlich ausfällt, beispielsweise durch einen Unfall.
Wer entscheidet?
Schritt vier wäre schließlich die konkrete Nachfolgeregelung: Bei mehreren Geschäftsführern: Wer entscheidet im Zweifel? Auch der Senior sollte sich inzwischen im Klaren sein, zu welchem Zeitpunkt er sich endgültig aus der operativen Ebene zurückziehen wird und wovon er künftig leben wird. Möglich wäre hierbei auch eine Stufenlösung. Zunächst könnte der Senior nur noch drei Tage in der Woche erscheinen, um dann in einen Beratervertrag zu wechseln. Anschließend folgt die Festlegung des konkreten Zeitplans. Dieser könnte so aussehen: Der Senior ist noch zwei Jahre Geschäftsführer und wechselt dann in den Beirat. Nachfolger A promoviert zunächst, arbeitet dann als Trainee und wird anschließend Geschäftsführer. Die zweite Nachfolgerin B sammelt zunächst noch Erfahrung in einem anderen Unternehmen und wechselt danach in die Geschäftsführung.
„In der Übergangszeit der Nachfolge muss man leidenschaftlich gemeinsam Wege erarbeiten, um die Ziele zu erreichen. Jede Generation kann hierbei ihre Stärken bestmöglich einbringen“, erläutert Prokurist Marvin Schlecht von Schlecht Logistik gegenüber dem Fachblatt trans aktuell. Ebenso betont er: „Man muss grundlegend dieselben Ziele verfolgen und sich gegenseitig vertrauen.“ Als sechster Schritt folgen beispielsweise noch steuerrechtliche Überlegungen, insbesondere erbschaftsteuerrechtliche. Denn das Unternehmen ist ein wesentlicher Teil des Familienvermögens. Dieses Vermögen ist in Gefahr, wenn sich beispielsweise die Inhaber der ersten Generation scheiden lassen. Befinden sie sich im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so kann ein Partner auf die Auszahlung seines Anteils in bar bestehen. Oft kann dieser Betrag weder aus dem Unternehmen entnommen werden, noch ist er überhaupt vorhanden.
Ehevertrag mit einem Pflichtteilsverzicht für die Ehefrau ist sinnvoll
Mitten in der Nachfolgeplanung kann sich so ein neues Problem auftun. Wie finanziert der Gründer den Zugewinnausgleich für seine künftige Ex-Frau? Um diese Probleme zu umgehen, rät Steuerberaterin Andrea Seemann zum Abschluss eines Ehevertrags mit der Klausel, dass in Scheidungsfällen das Unternehmen außen vor bleibt. Vorteil hierbei: Auch die nächste Generation kann dies gegenüber den jeweiligen Ehepartnern besser argumentieren – weil es eben schon vorgegeben ist. Auch ein anderes Szenario birgt Risiken. Der Ehepartner, der das Unternehmen maßgeblich aufgebaut hat, stirbt plötzlich. Er wollte alles seinen leiblichen Kindern vermachen und hat seine Ehefrau enterbt. Doch die Ehefrau hat einen Pflichtteilsanspruch auf das unternehmerische Vermögen. Falls die Mutter darauf besteht, ihren Anteil ausbezahlt zu bekommen, können die Erben diesen Anspruch eventuell nur erfüllen, wenn sie das Unternehmen verkaufen. Dies wiederum wäre nicht im Sinne des Verstorbenen.
Die Lösung: Ein Ehevertrag, der mit einem Pflichtteilsverzicht für die Ehefrau ausgestattet ist. Auch ein weiteres Risiko gibt es im Unternehmensalltag: Was passiert, wenn der Unternehmer für längere Zeit nicht handeln kann, zum Beispiel infolge eines Schlaganfalls? Rechtlich gesehen kann die Ehefrau in diesem Fall nicht für das Unternehmen handeln. Vielmehr braucht sie eine Vollmacht. Wenn es diese Vollmacht nicht gibt, setzt das Gericht einen sogenannten Betreuer ein. Meist ist das niemand aus der Familie, sondern ein Rechtsanwalt, den das Gericht für geeignet hält – auch, um Interessenskonflikte in der Familie zu vermeiden. Um für solche Situationen gewappnet zu sein, empfiehlt Seemann eine General- und Vorsorgevollmacht, die beim Notar zu beurkunden ist. Auf der Internetseite der Justizministerien der Länder gibt es entsprechende Vordrucke.
Schenkung von Unternehmensanteilen zu Lebzeiten kann Vorteile haben
Die wesentliche steuerliche Belastung bei der Übertragung des Unternehmens ist die Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Wichtig ist hierbei eine frühzeitige Liquiditätsplanung, um die Steuern im Ernstfall aus den flüssigen Mitteln zahlen zu können. Zudem berücksichtigen Banken latente Erbschaftsteuerlasten im Rahmen von Kreditratings. Eine fehlende Vorsorge kann die Bonität des Unternehmens beeinträchtigen. Nach den Erbschaftsteuerreformen 2009 und 2016 kann das unternehmerische Vermögen völlig von der Erbschaftsteuer befreit werden. Hierfür gibt es jedoch einige Voraussetzungen – unter anderem, dass das Unternehmen weitergeführt wird und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter erhalten bleiben. Eine 100-prozentige Verschonung erfolgt, wenn der Anteil des Verwaltungsvermögens nur 20 Prozent des Unternehmenswertes beträgt. Zum Verwaltungsvermögen zählen Vermögensgegenstände, die mehr der privaten Sphäre zugerechnet werden, etwa Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, Erbbaurechte und Gebäude, bestimmte Anteile an Kapitalgesellschaften, Wertpapiere sowie Edelmetalle und Oldtimer.
Doch auch die vorweggenommene Erbfolge, also die Schenkung von Unternehmensanteilen zu Lebzeiten, kann Vorteile haben. So können etwa Freibeträge mehrfach genutzt werden. Außerdem fallen Wertsteigerungen dann bei den Kindern an und nicht bei den Eltern, die diese später steuerpflichtig übertragen müssen. Verbunden damit kann auch eine Motivation des Unternehmensnachfolgers sein, wenn er bereits früher Unternehmensanteile erhält. Es empfiehlt sich ein Schenkungsvertrag mit Rückforderungsrechten der Schenkenden – falls die Kinder sich anders entwickeln als erwartet und etwa in Insolvenz gehen, weil sie sich private Risiken aufgehalst haben. Zudem können Stimm- und Gewinnrechte disquotal aufgeteilt werden, wenn der Schenker die Gewinne für seine Altersvorsorge benötigt. Zu guter Letzt gilt: Wenn der Senior nach der Schenkung maßgebliche Entscheidungen weiter mittragen möchte, ist dies über die Stimmrechte und erhöhte Mehrheiten möglich.