Polnische Speditionen leiden unter Frachtniveau

26. Mai 2020
Mittelständische Speditionen aus Polen leiden genauso unter dem angespannten Frachtniveau wie ihre deutschen Kollegen. Das zeigt das Beispiel von Galan Logistics aus Kobylanka (Westpommern), einem Unternehmen mit 50 Mitarbeitern und vier Niederlassungen, das sehr stark im Verkehr nach Deutschland und Skandinavien unterwegs ist. Rund die Hälfte seiner Aufträge wickelt das 2006 von Konrad Galan gegründete Unternehmen für Kunden aus Deutschland ab. Galan Logistics beschäftigt keine eigenen Fahrer, sondern setzt auf Frachtführer, meist handelt es sich dabei um selbstfahrende Unternehmer.
Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage
„Das Angebot aus Ladungen und Laderaum ist völlig aus der Balance geraten“, berichtet Raik Irmer, der seit 2018 als Key Account Manager für Galan Logistics tätig ist. Er ist gebürtiger Deutscher und 1999 aus privaten Gründen nach Polen gezogen, wo er sich wohl fühlt und die Mentalität der Menschen schätzt.
Durch das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage seien die Frachtpreise im Keller, erklärt Irmer und sagt mit einem Augenzwinkern, die Transportpreise hätten sich mit Corona angesteckt. „Es ist in der momentanen Situation gang und gäbe, dass Preise angeboten werden, bei denen Speditionen nicht überleben werden“, sagt er. „Und da spielt es keine Rolle, ob das deutsche Speditionen oder Speditionen aus Osteuropa sind.“
Galan: Kosten für polnische Speditionen fast die gleichen
Der Galan Logistics-Vertreter räumt auch mit der viel verbreiteten Annahme auf, dass polnische Unternehmen kostenseitig im Vorteil seien. Die Kosten für polnische Speditionen seien die gleichen wie für hiesige, betont Irmer. „Der einzige Punkt, der noch greift, sind die Vergütungen der Fahrer“, sagt er. Doch auch dieser Punkt wird sich Irmers Prognose nach immer mehr angleichen, auch in Zusammenhang mit entsprechenden Mindestlohngesetzen. „Von allen anderen Kosten wie zum Beispiel im Zusammenhang mit Leasing, Maut oder Dieselpreis sind wir alle gleich betroffen.“
Für Galan Logistics bedeutet die Corona-Krise zum einen Umsatzverlust von etwa 25 Prozent. Zum anderen ist der Aufwand für die Disponenten erheblich gestiegen. „Wir müssen sehr stark nach freien Ladungen suchen“, schildert Irmer und kritisiert Ausschreibungen einer Digitalspedition, die mit Preisen pro Lastkilometer um die 50 und 60 Cent ins Zentrum der Aufmerksamkeit geraten war. Rund zehn Prozent der Lkw, die sonst für Galan unterwegs sind, stehen zurzeit still. Was sich aber auch bei bester Disposition nicht vermeiden lässt: dass der Anteil der Leerfahrten steigt.
Galan: Ohne Osteuropa kein Warentransport in Europa
Sollte sich in Westeuropa nun insgeheim der eine oder andere mittelständische Transporteur über die Schwierigkeiten der polnischen Unternehmen in der Corona-Krise freuen, dann ist er sich laut Galan Logistics-Mann Irmer über einen wesentlichen Punkt nicht im Klaren. „Ohne den osteuropäischen Transportsektor ist heute kein Warentransport in Europa mehr denkbar“, betont Irmer. Zu sehr ist die Wirtschaft demnach auf diese Kapazitäten aus den EU-Beitrittsländern seit 2004 angewiesen.
In der angespannten Situation hat das polnische Unternehmen Galan Logistics auch selbst Zugeständnisse machen müssen. „Wir sind mit unseren Kunden in Kontakt getreten und haben unsere Preise angepasst“, erzählt Key Account Manager Raik Irmer. Man habe erklärt, dass dieser Schritt nur in der momentanen Situation möglich sei, da der Kraftstoffpreis einen großen Sprung nach unten gemacht habe. „Somit konnten wir ein paar Cent kompensieren“, schildert Irmer. „Das hilft nicht nur uns, sondern auch unseren jahrelangen Geschäftspartnern, da diese ja auch von der Corona-Krise betroffen sind.“
Galan hält Liquidität für entscheidend zum Überleben
Im Gegenzug baut die Spedition darauf, dass die verladende Wirtschaft ihre Dienstleister ihrerseits ebenfalls nicht hängen lässt. Besonders am Herzen liegt Firmenchef Konrad Galan, dass die mittelständischen Unternehmen liquide bleiben. Er verweist auf eine Studie von Imas International, wonach die Epidemie viele Unternehmen in dieser Hinsicht erheblich schwächen wird.
„In solch schwierigen Zeiten ist Zahlungsdisziplin besonders wichtig“, betont Galan. Was er als größtes Risiko ansieht: „Zahlungen an Auftragnehmer und Mitarbeiter zurückhalten, Bargeld einzusammeln und mein eigenes Geschäft auf Kosten anderer Marktteilnehmer zu machen.“ Der Spediteur warnt vor einem Dominoeffekt, der die ganze Wirtschaft trifft, wenn sich mehr und mehr Unternehmen diese Geschäftspraxis zu eigen machen.