Gomultimodal: KV wirtschaftlich machen

05. Dez. 2024 Newsletter
Das Beratungsunternehmen Gomultimodal mit Sitz in Hamburg will den Kombinierten Verkehr (KV) auf kurzen Distanzen wirtschaftlich machen. Das Unternehmen will das gängige Vorurteil widerlegen, dass sich der Kombinierte Verkehr (KV) erst ab 300 Kilometern rechnet. „Ich habe immer gesagt, dass das so nicht stimmt. Man muss nur einen anderen Ansatz wählen“, sagt Gerhard Oswald, Geschäftsführer von Gomultimodal, im Gespräch mit der Plattform eurotransport.de. An diesem neuen Ansatz arbeitet Oswald seit rund drei Jahren.
2021 untersuchte Gomultimodal das Lkw-Aufkommen in Nordhessen. Besonders im Blick: die Kreisstadt Bad Hersfeld, die in der Nähe des staureichen Hattenbacher Dreiecks liegt. Nach Erkenntnissen von Gomultimodal verließen 2018 täglich rund 5.530 Lkw den Regierungsbezirk Nordhessen. Im Jahr 2030 sollen es 6.415 Lkw sein – eine Zunahme von 16 Prozent. Die Kreisstadt Bad Hersfeld ist von dem hohen Verkehrsaufkommen besonders betroffen. Das Konsumverhalten der Menschen, die Industrie und die Standortentwicklung seien Faktoren für die Zunahme. Das habe eine Analyse des Partnerunternehmens MWP aus Hamburg gezeigt. Das Ergebnis deckt sich laut Oswald mit der deutschlandweiten Betrachtung. Die Hauptmengen sind in Deutschland im Binnenverkehr unter 300 Kilometern zu verzeichnen. Wie nun also Bad Hersfeld – den „Nabel des Stückgutverkehrs“, wie Oswald die Stadt nennt – vom Lkw-Verkehr befreien?
Gemeinsam mit dem Schweizer Entwickler Beat Wegmüller von Bewe Logistik Consulting mit Sitz in der Schweiz und dem österreichischen Unternehmen LTW Intralogistics hat Gomultimodal einen innovativen KV-Ansatz entwickelt: das Konzept RXP InterregioCargo mit der Cargo-S-Bahn und dem KV-Terminal Bad Hersfeld.

Cargo-S-Bahnen ab 2028

Zunächst identifizierte Oswald mit seinem Team im Einzugsraum von rund 150 Kilometern um Bad Hersfeld genutzte und ungenutzte Anschlussgleise. Auf diesen Gleisen sollen ab 2028 Cargo-S-Bahnen verkehren. In der Schweiz ist ihr Einsatz bereits für 2027 geplant. Die Idee für die Cargo-S-Bahnen stammt von Beat Wegmüller, der dafür das Konzept „CargoSprinter“ weiterentwickelte.
Bei dem CargoSprinter handelt es sich um einen kurzen Wendezug, also einen Zug, der an beiden Enden einen Führerstand besitzt. In Deutschland testeten den CargoSprinter 1997 und 1998 zwei Speditionen. Leider wurde das Konzept von mehreren Seiten aus angeblichen Konkurrenzgründen bekämpft. „Damals war auch ich gegen die Einführung des CargoSprinter in Deutschland. Er war für den Seehafen-Hinterlandverkehr nicht geeignet“, sagt Oswald, zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer des Logistikdienstleisters Transfracht. Die Volumina in Seehäfen seien zu hoch für die Kurzzüge. Zudem waren die CargoSprinter mit Dieselantrieben ausgestattet.
„Wir haben mit dem Cargo-S-Bahn-Prinzip nun einen Markt für den KV angesprochen, der bis vor kurzem gar nicht im Blick war“, sagt Oswald. Konsumgüter sollen künftig per Cargo-S-Bahn transportiert werden. Dank einer weiteren Erfindung von Wegmüller, der sogenannten SWS-Powerbox, sind auch temperaturgeführte Transporte möglich. Die Cargo-S-Bahnen sollen nach einem fixen oder variablen Fahrplan auf dem öffentlichen Schienennetz verkehren. Grundsätzlich fahren sie laut Oswald auf den bereits bestehenden Gleisen, ergänzende Infrastruktur werde aber entstehen oder reaktiviert. Das Beispiel Bad Hersfeld zeige, dass es derzeit viele ungenutzte Gleise gibt, die für den Cargo-S-Bahn-Verkehr geeignet wären.

Verschiedene Einsatzmöglichkeiten

Das Zugsystem eignet sich laut Oswald für mehrere Verkehrs- und Transporteinsätze. Wie zum Beispiel für den Verkehr von Anschlussgleis zu Anschlussgleis, oder einen Verkehr über sogenannte Freiverlade- und Umschlagsgleisanlagen in Bahnhöfen mit den notwendigen Lkw Vor- und/oder Nachläufen.
Der Container- und Wechsel-brückenumschlag erfolgt mit der auf dem Lkw montierten horizontalen Container-Umschlagstechnik „CoSlider“ – eine weitere Neuentwicklung von Wegmüller. Aufgrund der großen Beschleunigung, der Streckengeschwindigkeit von 120 bis 140 Kilometern pro Stunde und der maximalen Zuglänge von 220 Metern können die Cargo-S-Bahnen auch durch den Tag in den Fahrlagen des Personenverkehrs verkehren. „Dadurch ergeben sich zusätzlich neue Einnahmen für die Länder“, sagt der Gomultimodal-Geschäftsführer.

Rein elektrischer Antrieb

Genau wie der Vorläufer, der CargoSprinter, verfügt die Cargo-S-Bahn über zwei Steuerwagen, für den richtungsunabhängigen Fahr- und Rangierbetrieb. Der rein elektrische Antrieb garantiere einen CO2-neutralen Transport. Das digitale Assistenz- und Betriebssystem erlaube eine Realtime-Überwachung des gesamten Transportablaufs. „Wir beginnen in Hessen und wollen von dort aus die Verkehrsverlagerung vorantreiben“, so Oswald. Von Bad Hersfeld aus soll das Konzept auf weitere Regionen übertragen werden.
Zuerst gehen die Cargo-S-Bahnen an den Start, nach rund zwei Jahren geht – wenn alles nach Plan läuft – das Terminal in Bad Hersfeld in Betrieb. LTW Intralogistics plant auf dem Gelände der „The Filament Factory“, einem Hersteller von Kunstgarnen, ein Terminal. Denn auch hier sind ungenutzte Gleise vorhanden. Das vollautomatische und rund um die Uhr verfügbare KV-Terminal werde in Hochregallagerbauweise gebaut. Für die Be- und Entladung fahren die Züge in das Hochregallager hinein. Dort werden sie von zwei LTW-Regalbediengeräten automatisch be- und entladen.
Bei den Regalbediengeräten kommt ebenfalls die Horizontalumschlagtechnik „CoSlider“ zum Einsatz. Aufgrund der Hochregallagerbauweise verfüge das Terminal über eine hohe Lagerkapazität auf engstem Raum. Umlagerungen seien im gesamten Terminal nicht mehr notwendig: Da die KV-Behälter in Lagerfächern stehen, kann jederzeit auf jeden KV-Behälter direkt zugegriffen werden.
Oswalds Ziel, den KV auch unter 300 Kilometern wirtschaftlich zu machen, ist dank dieser Pläne in greifbare Nähe gerückt.