Güterverkehrskonzept: Fachleute setzen neue Impulse
Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden haben das Güterverkehrskonzept Baden-Württemberg einem Praxischeck unterworfen und neue Impulse geliefert. Nach weiteren Foren soll der Schlussbericht im ersten Quartal 2020 vorliegen.
Das Güterverkehrskonzept Baden-Württemberg (GVK BW) nimmt Formen an. Ziel des im Mai 2017 vorgestellten Konzepts ist es, Schiene und Binnenschifffahrt zu fördern sowie den Straßengüterverkehr nachhaltiger zu gestalten. Nach einer europaweiten Ausschreibung wurde die Hochschule Heilbronn im Rahmen einer Bietergemeinschaft beauftragt, spezifische Aufgabenpakete zu den Verkehrsträgern Straße, Schiene und Binnenschifffahrt zu erarbeiten. Nachdem die federführenden Institute einem breiten Expertenkreis im Januar erste Zwischenergebnisse vorgestellt hatten, folgte in den vergangenen Monaten in vier regionalen Foren eine intensive Diskussion darüber. Je 30 bis 40 Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden unterwarfen die erarbeiteten Inhalte in Ehingen an der Donau, Heilbronn, Mannheim und Weil am Rhein einem Praxischeck und brachten weitere Ideen in das Konzept ein.
Regionale Foren zu unterschiedlichen Themen
„Diese Impulse werden nun aufbereitet und konsolidiert“, kündigt Prof. Dr. Tobias Bernecker im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell an. Mit seinem Team an der Hochschule Heilbronn koordiniert er die Arbeiten am GVK BW und arbeitet selbst aktiv an den Inhalten mit. Drei weitere Foren folgen im Frühsommer in Reutlingen, Ludwigsburg und Ulm. Dort gehe es um Güterverkehre in der Stadt. Ein weiteres Forum folgt zu Großraum- und Schwertransporten. Danach werde der Schlussbericht erstellt, der im ersten Quartal 2020 vorliegen soll, sagt Bernecker.
VV Württemberg begrüßt Praxisbezug durch Fachforen
Der besondere Praxisbezug des Konzepts, konkret die Diskussion der Ergebnisse mit Experten, findet in der Branche großen Anklang. „Ich habe die Foren als sehr positiv und gewinnbringend empfunden“, berichtet Dr. Timo Didier, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Verbands des Württembergischen Verkehrsgewerbes (VV Württemberg), gegenüber trans aktuell. Jedes Forum hatte einen anderen Schwerpunkt, der sich aufgrund der geografischen und wirtschaftlichen Struktur der ausrichtenden Stadt anbot – in Ehingen das Thema Kombinierter Verkehr, in Heilbronn das Thema Innovationen, in Weil am Rhein die Themen Personal- und Infrastrukturressourcen und in Mannheim das Thema Hafenlogistik.
Der Kombinierte Verkehr (KV) sei seinem Verband wichtig, unterstreicht Didier mit Blick auf die Diskussion in Ehingen. Der Austausch mit anderen Experten habe auch gezeigt, wie schwierig es sei, KV-Standorte und Relationen zu definieren. „Das A und O sind hohe Mengen, die wir dauerhaft für einen Zug benötigen.“
Alternative Antriebs- und Zustellkonzepte für Ballungsräume liegen dem VV Württemberg ebenfalls am Herzen, wie Didiers Stellvertreter Holger Tenfelde betont. Daher begrüßt er es, dass die urbane Logistik Thema eines weiteren Forums sein wird. Gerade in Stuttgart gebe es einige gute Ansätze, etwa durch den Einsatz von E-Lkw und -Lastenrädern. „Positiv wäre es auch, wenn die Beteiligten auf der letzten Meile stärker auf Kooperation setzen würden“, sagt Tenfelde und sieht im Bündeln von Verkehren weitere Potenziale.
Handlungsbedarf bei Großraum- und Schwertransporten
Bei Großraum- und Schwertransporten ist der Handlungsbedarf laut VV Württemberg ebenfalls groß. Trotz eines 2017 aufgesetzten Brandbriefs aufgrund der langen Genehmigungsverfahren stünden konkrete Maßnahmen bisher noch aus. „Seit mehr als zehn Jahren schreiben wir schon Briefe, jetzt muss sich endlich was tun“, fordert Dr. Didier. Er ist froh, dass das GVK BW Formen annimmt und den Stellenwert von Güterverkehr und Logistik im Land unterstreicht. Wünschen würde er sich ferner eine Bedarfsanalyse für die Infrastruktur sowie eine Betrachtung der Güterströme vor allem mit Blick auf die Straße, um auch daraus Erkenntnisse zu ziehen.
Andererseits habe man in der Diskussion mit den Praktikern bereits zahlreiche Hemmnisse für einen nachhaltigen Güterverkehr identifiziert, sagt Prof. Bernecker, und könne diese Punkte im weiteren Prozess aufgreifen – seien es fehlende Lkw-Parkplätze, Engpässe bei den Schleusen oder beim Einsatz von 740 Meter langen Güterzügen. „Der vom Verkehrsministerium initiierte Beteiligungs- und Workshop-Prozess, der für sehr viel Realitätsnähe sorgt, ist die besondere Stärke des Konzepts“, bilanziert er. „Der Konkretisierungsgrad der vielen großen und kleinen Maßnahmen für einen nachhaltigen Güterverkehr in Baden-Württemberg, die im Rahmen der Fachforen entwickelt wurden, ist beeindruckend und für unsere weiteren Arbeiten am GVK BW sehr wertvoll“, so sein Resümee.
Die Schwerpunkte des Güterverkehrskonzepts Baden-Württemberg:
Betrachtung und Beurteilung von Maßnahmen nach ihren Systemwirkungen mit dem Fokus auf der „Synchro-Modalität“, das heißt dem optimalen Zusammenspiel zwischen den Verkehrsträgern
Nachhaltigkeit, das heißt insbesondere Beurteilung von Maßnahmen auf ihre Eignung für langfristige Strukturveränderungen und dauerhafte Effekte (anstelle kurzfristiger isolierter Maßnahmen)
Gestaltbarkeit, insbesondere Fokussierung auf die Handlungsspielräume des Landes Baden-Württemberg für eigene Ansätze, aber auch klare Hinweise auf Felder, auf denen Maßnahmen den Dialog mit Kommunen, Bund oder EU erfordern.