Hochwasser: Auch die Supply Chain ist betroffen

19. Juli 2021 Newsletter
Starkregen haben vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, aber auch in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen zu einer Hochwasser-Katastrophe unbekannten Ausmaßes geführt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete das Geschehen als Tragödie. Das verheerende Unwetter, dessen Folgen so langsam offensichtlich werden, hat letztlich auch Auswirkungen auf die Logistik.
Hermanns & Kreutz hat zwei Lkw verloren
Obwohl eine Flutwelle des Laufenbachs in der Altstadt von Monschau für Zerstörung gesorgt hat, hat das Unternehmen Hermanns & Kreutz Glück im Unglück gehabt: Alle Mitarbeiter sind wohlauf, der Firmensitz im Ortsteil Kalterherberg befindet sich auf der Höhe und ist deswegen von den Überflutungen nicht betroffen, berichtet Bernd Kreutz, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens.
Gleichwohl sind zwei Fahrzeuge der Katastrophe zum Opfer gefallen: „Einer meiner Mitarbeiter war auf der Bundesstraße zwischen Schuld und Altenahr unterwegs, als er plötzlich vor lauter Wasser die Straße und selbst die Leitplanken nicht mehr sehen konnte“, bericht Kreutz. „Intuitiv hat er das Fahrzeug vom Fluss weggelenkt. Die Straße war aber so überspült, dass ein Teil abgesackt ist, und er mit dem Lkw abgekommen ist. Er hat sich gerettet und ist mit einer Unterkühlung ins Krankenhaus gekommen, aber es geht ihm schon wieder gut“. Waren und Fahrzeug wurden inzwischen schon geborgen, ein weiteres Fahrzeug steckt an anderer Stelle noch im Graben.
Für den Geschäftsführer des Familienunternehmens stehen die Mitarbeiter an erster Stelle: „Da muss man auch Verständnis haben, wenn einer jetzt seinen Urlaub vorziehen will, um die gröbsten Schäden daheim zu beseitigen“. Er hofft auf das Verständnis der Kunden. Die Folgen der Naturkatastrophe werden die Logistiker in der Eifel noch lange spüren, sagt Kreutz, der insgesamt 200 Mitarbeiter beschäftigt und 85 eigene Fahrzeuge hat. „Bei einem unserer Kunden, einem Kabelwerk in Eupen, ist die Flut nur so von vorne nach hinten durch den Produktionsbetrieb geschossen, da ist nichts mehr zu holen.“ Und wenn die Produktion stillsteht, bedeutet dies auch Auftragsausfälle für die Logistiker.
Schäden an der Infrastruktur
Und auch die Schäden an der Infrastruktur wie unterspülte Brücken und Straßen werden den Alltag der Logistiker in der Region noch Probleme bereiten – „durch das Hochwasser werden wir hier vermutlich ähnliche Probleme bekommen wie an der Leverkusener Brücke“, sagt Kreutz und berichtet, dass die A1 bei Mechernich gesperrt sei, weil die Fundamente der Talbrücke unterspült wurden. „Wir Logistiker werden wieder die gekniffenen sein, weil wir Umwege fahren und dies eigentlich an die Kunden weitergeben müssen“, erklärt Kreutz. Zunächst einmal aber ist der Unternehmen froh und dankbar, dass die Nothilfe in der Region funktioniert und Feuerwehr und Rettungsdienst wo möglich sofort zur Stelle war – „denen gehört jetzt unsere größte Anerkennung“.
Systemzentrale bei Sim Cargo war offline
Die Systemzentrale der Kooperation Sim Cargo in Sinzig war für mehrere Stunden durch das völlige Herunterfahren sämtlicher öffentlicher Versorgungsleistungen wie Strom, Internet und Telefonie vorübergehend lahmgelegt. „Allerdings waren Redundanzen durch Mitarbeiter im Homeoffice außerhalb des Kreisgebietes ebenso zugänglich, wie auch natürlich durch den nicht betroffenen Standort in Homberg/Efze“, berichtet Sim-Cargo-Vorstand Christian Rautenberg. Operativ lief daher alles wie gewohnt weiter.
Unmittelbare finanzielle Schäden gebe es demzufolge nicht. Zumindest nicht bei Sim Cargo direkt, wohl aber bei einem Teil der Mitarbeiter. So gebe es „individuelle Problem einzelner Mitarbeiter, deren Familien unmittelbar von der Unwetterkatastrophe betroffen sind, und für die das Unternehmen natürlich auch eine gewisse Fürsorgepflicht hat“, erläutert Rautenberg.
Die sogenannten Transshipment-Points von Sim Cargo blieben vom Hochwasser hingegen ebenfalls verschont. Mittel- und gegebenenfalls längerfristige Probleme befürchtet der Sim-Cargo-Vorstand hingegen aufgrund der lokalen Infrastrukturschäden. „Diese kann das System nicht entschärfen. Das ist eine öffentliche Aufgabe“, sagt Rautenberg. Die Unterspülung der A61 bei Rheinbach wiederum könne auch im Fernverkehr zum Problem werden.
Nur Wassereinbruch bei Zufall in Unna
Für Jens Seidel, Niederlassungsleiter in Unna der Zufall logistics group, blieb die große Katastrophe aus. Trotz eines leichten Wassereinbruchs „konnte der Betrieb aufrechterhalten werden“, berichtet er. Allerdings hätten einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den besonders betroffenen Gebieten Hagen und Altena nicht zur Arbeit kommen – und wurden in Anbetracht der besonderen Umstände bis zum Wochenende freigestellt.
Einer der für Zufall tätigen Transportunternehmer habe allerdings gleich sieben Lkw in den Fluten verloren. Wenigstens gab es dabei keine Verletzten. Die Nachttouren in die die betroffenen Gebiete wie das Sauerland oder Hagen mussten umkehren. „Die Ware wurde gestern tagsüber ausgeliefert oder verbleibt noch im Standort“, erklärt Seidel. Des Weiteren sei aber auch beim einen oder anderen Kunden kein Versand möglich gewesen. Zum Teil, weil diese direkt vom Hochwasser betroffen waren, zum anderen Teil aber auch aufgrund von IT-Ausfällen infolge der Fluten. Aktuell, so Seidel, entspanne sich die Situation aber zum Glück wieder.
Auch DB Cargo leidet unter den Folgen des Hochwassers
Von DB Cargo heißt es, es seien zahlreiche Bahnstrecken in NRW, Rheinland-Pfalz und östlichen Benelux-Ländern vom Unwetter betroffen. Laut einem Sprecher hätten die Wassermassen Gleise, Weichen, Signaltechnik, Bahnhöfe und Stellwerke in vielen Landesteilen stark beschädigt. In NRW seien Gleise auf einer Länge von rund 600 Kilometern betroffen.
Die Schadensermittlung laufe weiter auf Hochtouren, führt der Sprecher aus. Seit Mittwochabend seien alle verfügbaren Mitarbeitenden und beauftragten Firmen durchgehend im Einsatz. Eine genaue Prognose über die Dauer der notwendigen Reparaturen sei erst möglich, wenn das Wasser abgeflossen sei. „DB Cargo hatte Donnerstagnacht vorsorglich etliche Züge in der Region gezielt abgestellt, um nach Freigabe der Hauptstrecken ein schnelles Wiederanfahren zu ermöglichen“, erklärt der Sprecher. Das Unternehmen stehe in Kontakt mit allen Kunden, um individuell Auftragsannahme, Durchschubverfahren oder eine Priorisierung von versorgungsrelevanten Zügen abzustimmen.