Infrastruktur für Oberleitungs-Lkw in Vorbereitung
Der Aufbau der Oberleitungs-Infrastruktur an der B462 im Murgtal in Baden-Württemberg hat begonnen. Im Frühjahr 2021 soll der Feldversuch mit Oberleitungs-Lkw starten.
62 von 65 Masten auf dem ersten elektrifizierten Abschnitt auf der B462 bei Kuppenheim im Murgtal stehen. Es fehlen noch die Ausleger, an denen Tragseil und Fahrdraht angebracht werden, wie Steffen Kese, Projektleiter des Infrastrukturausrüsters SPL Powerlines, bei einem Ortstermin mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), Abgeordneten, Amtsträgern und Journalisten berichtete. SPL und Siemens Mobility sind die Projektpartner des Landes für den Aufbau der Oberleitungs-Infrastruktur.
Pilotbetrieb auf B462 für Frühjahr 2021 geplant
5,2 Kilometer Drähte und Seile benötigt Kese für den ersten 2,6 Kilometer langen Abschnitt. Ein zweiter elektrifizierter Abschnitt ist bei Oberndorf auf einer Länge von 750 Metern geplant – analog wird auch die rechte Spur der Gegenrichtung unter Strom gesetzt. Am 15. Juni haben die beiden Infrastrukturpartner mit den Bauarbeiten begonnen, der Verkehr läuft auf dem betroffenen Abschnitt auf der B462 seitdem nur einspurig. Den Abschnitt bei Oberndorf wollen SPL und Siemens im Zeitraum November bis Februar in Angriff nehmen. „Danach beginnt der Pilotbetrieb“, kündigte Jürgen Skarke, Abteilungspräsident aus dem Regierungspräsidium Karlsruhe, an.
Baden-Württemberg ist damit das dritte Bundesland, in dem Lkw mit Stromabnehmer unterwegs sind beziehungsweise sein werden. In Hessen begann ein Feldversuch auf der A5 im Mai vorigen Jahres, in Schleswig-Holstein auf der A1 im Dezember. Die Besonderheit in Baden-Württemberg ist, dass es sich bei der Teststrecke nicht um eine Autobahn handelt. Die Bundesstraße durchs Murgtal ist aber Autobahn-ähnlich – sprich: je zweispurig – ausgebaut. Allerdings gibt es keinen Seitenstreifen, und die Montage der Oberleitungsinfrastruktur in einer Kurve und unter einer Brücke ist für die Baufirmen besonders anspruchsvoll.
Eine Besonderheit in Baden-Württemberg ist es auch, dass der Fahrzeugbauer Daimler in Ergänzung zu den Oberleitungs-Lkw von Scania auf der Strecke rein batterie-elektrische Lkw ohne Stromabnehmer einsetzen wird, um noch weitere Erkenntnisse zu bekommen. Gleichzeitig vergleicht die wissenschaftliche Begleitforschung die Ergebnisse auf der Straße mit den Möglichkeiten auf der Schiene. Praxispartner des Feldversuchs in Baden-Württemberg sind die Logistikunternehmen Fahrner und Hüttemann, die wie viele andere Speditionen auf dieser Strecke für die Papierindustrie tätig sind. Dritter im Bunde ist das Logistikunternehmen Schmitt, das den besagten Elektro-Lkw von Daimler betreibt – zunächst einen eActros als Motorwagen, später möglicherweise als Elektro-Sattelzugmaschine.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann erhofft sich von dem Versuch vor allem positive Effekte mit Blick auf den Klimaschutz. Er sieht den Güterverkehr am liebsten auf der Schiene, räumt aber selbst ein, dass der Infrastrukturausbau auf der Schiene besonders lange dauert und nennt als Beispiel den Bau eines dritten und vierten Gleises an der Rheintalbahn. „Da ist es doch sinnvoll, über den rechten Streifen einer Straße, wo die Lkw ohnehin sind, eine Oberleitung zu legen.“ Bereits die Elektrifizierung von 4.000 Autobahnkilometern – also etwa einem Drittel des deutschen Autobahnnetzes – könne zwölf Tonnen CO2 im Jahr vermeiden. Zum Vergleich: Tempo 130 auf den Autobahnen bringt laut Hermann „nur“ zwei Millionen Tonnen CO2.
Proteste gegen Oberleitungs-Lkw auf B462
Obgleich Grünen-Politiker Hermann den Schwerverkehr im Murgtal umweltverträglicher gestalten möchte, kann er mit diesem Plan nicht unbedingt Sympathiepunkte sammeln. „Ich kann mich nicht erinnern, bei einem Projekt so viel Proteste erlebt zu haben wie hier“, sagte er und kann die Argumente der Gegner nicht nachempfinden. „Ich hab schon schlimmere Verschandelungen auf einer Strecke gesehen als diese Masten.“ Im Übrigen sei es weder sein Projekt, noch ein grünes Projekt – sondern ein Vorhaben, das zwei Große Koalitionen auf Bundesebene angestoßen hätten.
Im Jahr 2012 hatte der Sachverständigenrat der Bundesregierung gegenüber das erste Mal vom Oberleitungs-Lkw gesprochen, anschließend hat das Bundesumweltministerium (BMU) den Ball aufgenommen und das Ganze vorangetrieben. Das BMU beteiligt sich mit 17,8 Millionen Euro an dem eWayBW – wie die elektrifizierte Strecke auf der B462 heißt. Weitere 1,2 Millionen Euro steuert das Land bei. Der Testbetrieb ist für drei Jahre geplant.