Flüchtlinge: Italien kontrolliert in Richtung Österreich
Recherchen von eurotransport.de zeigen: Italiens Behörden winken entgegen einiger Berichte Migranten nicht einfach Richtung Österreich durch. Von den intensiven Kontrollen ist besonders der Schienenverkehr betroffen.
Welche Auswirkungen hat das Flüchtlingsdrama aktuell noch auf die Transport- und Logistik-abläufe? Immer wieder wurden Informationen gestreut, wonach Italien die aus Afrika und dem Nahen Osten kommenden Migranten einfach Richtung Österreich durchwinken würde, um sich die Kontrollen auf den Straßen und in den Zügen zu ersparen. Nach Recherchen von trans aktuell in Italien und in Österreich scheint eher das Gegenteil zuzutreffen: Italiens Behörden suchen nach illegalen Migranten, die sich aus Italien über den Brenner nach Österreich oder Deutschland absetzen wollen.
Die Südtiroler Caritas, die sich um die Betreuung von Migranten in Südtirol bemüht, hat jedenfalls nicht den Eindruck, dass Italien Richtung Österreich durchwinkt. "Die Polizeikontrollen in den Zügen zwischen Verona und Brenner werden viel mehr, sind streng und sehr genau", erklärt Franz Kripp, Caritas-Direktor von Südtirol. Streng deshalb, um die illegale Ausreise von Italien nach Österreich zu verhindern. "Die derzeitigen Kontrollen in Italien funktionieren und reichen aus", ergänzt Kripp.
"Am Brenner gibt es derzeit keine permanenten Kontrollen wie in Kufstein oder am Walserberg, sondern sporadische Schwerpunktkontrollen", erläutert Nora Kutzbach-Berger von der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Vor allem Klein-Lkw würden streng kontrolliert, aber auch große Lkw werden stichprobenweise aus dem Fließverkehr herausgeleitet und die italienische Polizei nimmt die Fahrzeuge akribisch unter die Lupe. "Das Ganze läuft momentan noch ohne größere Auswirkungen auf den Verkehrsfluss ab", erläutert Kutzbach-Berger gegenüber trans aktuell.
Behinderungen für Güterzüge
Da sich die Flüchtlingsströme auch auf die Bahn verlagern, entstünden dort derzeit gravierendere Behinderungen auch für Güterzüge, heißt es in der WKO. Doch bei den Österreichischen Bundesbahnen sieht man keinen Grund für Hektik: "Der Güterverkehr über den Brenner zwischen Italien und Österreich läuft derzeit ohne betriebliche Störungen durch Migranten", erklärt Clemens Först, Vorstandschef der Rail Cargo Group, die täglich Dutzende von Cargo-Zügen auf der Brennerstrecke abwickelt.
"Zurzeit werden von Österreich am Brenner bei der Einreise nach Österreich keine Personen- und Güterkontrollen durchgeführt, weil das nach den Schengen-Bestimmungen nicht erlaubt ist", betont Alexander Marakovits, Sprecher des österreichischen Innenministers Wolfgang Sobotka gegenüber trans aktuell. Stefan Eder, Sprecher der Landespolizeidirektion Tirol, bestätigt, dass im österreichischen Hinterland "schon stichprobenartig kontrolliert wird, aber nicht lückenlos", weil das laut Schengen-Bestimmungen eben nicht erlaubt sei. Von Jahresbeginn bis Mitte September seien in Tirol 5.412 illegale Migranten aufgegriffen worden, aber nicht aus Italien, sondern solche, die aus Deutschland nach Österreich zurückgeschickt worden sind. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es rund 9.000. Werden Lkw oder Personen auf österreichischem Gebiet kontrolliert, so macht das die Polizei, im Bedarfsfall assistiert vom österreichischen Bundesheer.
Kontrollen führen zu Staus
Nach Aussagen von WKO-Frau Kutzbach-Berger sieht die Situation auf dem Autobahngrenzübergang zu Deutschland anders aus. „Obwohl die Grenzkontroll-Infrastruktur noch aus der Zeit vor Schengen vorhanden ist, wird in Deutschland einige Kilometer nach dem Grenzübergang Walserberg kontrolliert." Das passiert auf zwei Spuren, wenn der Verkehrsfluss verengt wird auf einer Spur. Das führt zu Staus, die Wartezeit für den Wirtschaftsverkehr liegt bei 20 bis 30 Minuten. Und stimmt die Transportbranche nicht gerade froh. "Tatsächlich kontrolliert wird von den Behörden allerdings nicht jeder Lkw, sondern stichprobenartig beziehungsweise auf Verdacht", berichtet Kutzbach-Berger. Der Umfang der Kontrollen hängt von der jeweiligen Einschätzung der Beamten ab.
"Aus unserer Sicht wäre es sinnvoller, wenn auch deutsche Behörden auf der vorhandenen Infrastruktur auf österreichischem Boden kontrollieren können. Dazu bräuchte man ein entsprechendes bilaterales Abkommen", sagt die Fachfrau in der WKO. Sie rechnet konkret vor, was diese stichprobenartigen Kontrollen die österreichische Transportbranche kosten, nämlich 8,5 Millionen Euro pro Tag. Diese Rechnung ¬basiert auf dem Rechenmodell von drei Stunden Wartezeit, 50 Euro Kosten pro Stunde bei Fahrten von Montag bis Freitag.
Die Forderungen
• Die WKO als Interessensvertretung der österreichischen Transportwirtschaft fordert, dass Kontrollen effektiv schon im Vorfeld stattfinden, um massive Schwierigkeiten durch Staus und stundenlange Wartezeiten an den Grenzen zu verhindern.
• An der Grenze müsse die Infrastruktur angepasst werden, damit eine Auffächerung des Verkehrs möglich ist. Zu kontrollierende Fahrzeuge müssten zügig ausgeleitet werden.
• Die WKO plädiert dafür, Güterverkehrskorridore einzurichten, die eine ungehinderte Durchfahrtsmöglichkeit für Lkw ermöglichen. "Tatsächliche Lkw-Kontrollen sollten sich auf Stichproben beschränken", heißt es.