Kep-Dienstleister: Online-Boom fordert Branche heraus

15. Mai 2020
Geschlossene Geschäfte haben einen Online-Boom im B2C-Bereich ausgelöst. Das stellt die Kep-Dienstleister in der Coronakrise vor Herausforderungen.
Bedarfsgerechtes Einkaufen, diese Devise galt gleich zu Beginn der Corona-Krise. Was der stationäre Handel verlor, gewann der Onlinehandel, der im April ein Ergebnis einfuhr, das nach Angaben des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (bevh) 17,9 Prozent über dem Vorjahresmonat lag. Davon profitierten auch die Kep-Dienstleister, die die Mehrmengen vor allem durch das Engagement der Mitarbeiter bewältigen.
Die Mengenentwicklung wird auch vom Branchenverband bestätigt: Unter normalen Bedingungen befördern die Kep-Dienste demnach 12 Millionen Pakete pro Tag, gegenwärtig beträgt das Sendungsaufkommen 14 Millionen Pakete täglich und steigt in Spitzenzeiten auf bis zu 19 Millionen Sendungen, so der Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK). Stark zugenommen habe die Nachfrage nach Konsumgütern, Kleidung, Büchern und Medikamenten. Gleichzeitig habe der Lockdown zu Rückgängen der Sendungsmengen im gewerblichen Bereich (B2B) geführt, weshalb das Sendungsaufkommen im gesamten Kep-Markt auch im Verlauf der Corona-Krise weitgehend unverändert war, wie der BIEK-Vorsitzende Marten Bosselmann gegenüber der Fachzeitung trans aktuell sagt. „Tatsächlich laufen die Zustellungen gegenwärtig sogar besonders reibungslos, da sich aufgrund des deutlich geringeren Individualverkehrs die Fahrtzeiten verringern und deutlich mehr Empfänger an ihren Wohnadressen anzutreffen sind“, sagt Bosselmann.
GLS mit Plus bei B2C und Minus bei B2B
Die Schwankungen im Aufkommen hätten die Mitgliedsunternehmen durch Anpassung der Prozesse gemeistert. Wachstum aufgrund der Corona-Situation meldet auch der Kep-Dienstleister GLS, besonders bei Sendungen an private Haushalte. „Im Geschäftskundenbereich hatten wir aufgrund von geschlossenen Geschäften und Betrieben bei einigen Industrien und Dienstleistungsgewerben einen Rückgang der Mengen zu verzeichnen. In Verbindung mit den Lockerungen der Corona-Beschränkungen sehen wir nun wieder einen Anstieg dieser Mengen“, heißt es von Seiten des Unternehmens.
Das erhöhte Paketvolumen werde durch entsprechend angepasste Sortierzeiten und erweiterte Kapazitäten im Netzwerk abgewickelt. „Zusätzlich haben unsere Zustellpartner ihre standardmäßigen Zustelltouren um weitere Kapazitäten erweitert“, so GLS. Die außergewöhnliche Situation bedeute für die Zustellfahrer mehr Stopps pro Tour, auch seien die Pakete größer geworden, weil vermehrt Waren wie Gartenmöbel und -zubehör, Sportgeräte oder Ähnliches bestellt würden. „Zudem haben sich durch verschiedene Schutz- und Präventivmaßnahmen auch Arbeitsabläufe verändert. All dies trägt dazu bei, dass es bei der Zustellung zu Verzögerungen kommen kann, wofür unsere Kunden aber Verständnis zeigen“, erklärt GLS.
DPD: Paketmengen über Niveau von Weihnachten
Auch der Aschaffenburger DPD hat ein deutliches Plus bei den Paketen an private Empfänger (B2C) und einen Rückgang im B2B-Bereich – die Folge von Geschäftsschließungen und Produktionsstopps. „Seit Ende März verzeichnen wir eine stark erhöhte Nachfrage im Bereich B2C, die Paketmengen bewegen sich sogar noch auf einem leicht höheren Niveau als vor Weihnachten 2019.“ Dank dem Engagement des Teams – darunter deutschlandweit 11.000 Zusteller – laufe die Zustellung bei DPD stabil und in hoher Qualität. „Die schnelle und zuverlässige Zustellung von Paketen können wir mit dem aktuellen Stamm an Arbeitskräften bewältigen. Punktuell stellen unsere Partner jedoch auch neue Arbeitskräfte und Aushilfen ein, um Mengenspitzen abzufangen.
Marktführer Deutsche Post DHL hat in den vergangen Wochen aufgrund der Zunahme des Onlinehandels, aber auch durch das Osterfest, ebenfalls mehr zu tun gehabt: Die Sendungsmengen im DHL-Paketnetz von sonst 5,2 Millionen Pakete pro Werktag seien seit Ende März stark gestiegen, an einigen Tagen mussten rund neun Millionen Sendungen täglich bearbeitet werden. Gerade auch kleine Händler waren nach Angaben eines Konzernsprechers unter den Versendern. Sie wollten ihre Waren auch nach Schließung der stationären Läden an die Konsumenten bringen. Dazu hatte der Konzern die Initiative „DHL lokal handeln“ gestartet.
DHL stellt 4.000 zusätzliche Mitarbeiter ein
Um die Paketflut bewältigen zu können, hat DHL nach eigenen Angaben 4.000 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt sowie Mitarbeiter aus anderen Unternehmensbereichen und Kurzarbeiter aus anderen Branchen eingesetzt. „Derzeit liefern wir wieder etwa 70 Prozent der Pakete einen Tag nach Anlieferung durch die Kunden bei uns aus. Zu längeren Verzögerungen kommt es vor allem in einigen Großstädten, insbesondere in Berlin, und bei Sperrgutsendungen.“ Auch Hermes-Paketversand aus Hamburg hat als Reaktion auf die Mehrmengen seine Kapazitäten schnell hochgefahren und Logistikketten weiter optimiert. „Aktuell stellen wir trotz rund 40 Prozent erhöhter Sendungsmengen stabil zu“, heißt es aus dem Unternehmen. Dies sei vor allem dank flexibler Anpassungen der operativen Prozesse möglich: Für die Paketsortierung wurde auf Aushilfen und Zeitarbeit zurückgegriffen, und allein innerhalb der vergangenen vier Wochen wurden demnach 1.200 zusätzliche Zustelltouren aufgebaut.
Hermes hält Gros der Paketshops geöffnet
Laut Hermes werden mehr als 90 Prozent aller Sendungen bundesweit am nächsten Tag zugestellt. Zudem waren laut Hermes in den vergangenen Wochen etwa 80 Prozent der 16.000 Hermes-Paket-Shops geöffnet, nach der Lockerung der Beschränkungen kehrt auch hier wieder Normalität ein. Hermes zufolge war nicht nur das sehr kurzfristige und starke Mengenwachstum eine Herausforderung, auch die notwendigen Veränderungen in den Abläufen und die zusätzlichen Kosten für den Ansteckungsschutz galt es zu schultern. Um den Abstand von mindesten 1,5 bis 2 Meter einhalten zu können, kann laut Hermes nur noch in kleineren Schichten gearbeitet werden. Schichtdienste müssen so organisiert werden, dass die jeweiligen Mitarbeitergruppen zu keiner Zeit miteinander in Kontakt kommen. Wichtigste Schutzmaßnahme sei die kontaktlose Zustellung beziehungsweise Abholung. Dafür habe Hermes eine Lösung entwickelt, bei der der Zustellnachweis per Foto erfolgt.
Kontaktlose Zustellung auch bei DPD
Bei DPD klingelt der Zusteller wie gewohnt, klärt im nächsten Schritt kurz über den geänderten Prozess auf und stellt das Paket mit zwei Meter Abstand vom Empfänger ab. Anschließend bestätigt der Zusteller mit seiner eigenen Unterschrift, dass er das Paket zugestellt hat. Auch in den Pickup Paketshops von DPD sei ähnlich wie an der Haustüre eine kontaktlose Paketabholung und -abgabe eingeführt. Die Deutsche Post DHL verzichtet ebenfalls bis auf Weiteres auf die eigenhändige Empfangsbestätigung durch den Empfänger. Um Kontakte zu minimieren, sind die Mitarbeiter in der Zustellung außerdem in zwei unterschiedliche Schichten eingeteilt. Für die Zusteller wurden Handdesinfektionsmittel und Wasserkanister zur Verfügung gestellt, so dass sie sich auch während der Zustelltour die Hände waschen können.
BIEK: risikoarmer Exit aus dem Lockdown
GLS hält sich ebenfalls an die offiziellen Empfehlungen der Behörden und des Robert-Koch-Instituts und hat entsprechende Maßnahmen eingeführt. „Die kontaktlose Zustellung via Abstellgenehmigung gab es bei GLS schon vorher – und konnte während der Krise entsprechend schnell ausgeweitet werden. Wünschenswert wäre laut GLS, wenn Empfänger eine Abstellgenehmigung oder anderer alternative Zustellkonzepte wie Paket-Shops auch nach der Corona-Zeit beibehalten würden. Auch Marten Bosselmann vom BIEK richtet seinen Blick in die Zukunft. Jede Person und jedes Unternehmen seien Kunden der Kep-Branche, und jeder weitere Tag im Lockdown bedeute millionenhohe Verluste und derzeit nicht vorhersehbare Folgen für die deutsche Volkswirtschaft. „Wir hoffen daher, dass ein möglichst zügiger, aber auch risikoarmer Exit aus dem Lockdown mit vereinten Kräften umgesetzt werden kann“, sagt Bosselmann. Dass die Unternehmen dabei auf ihre Mitarbeiter zählen können, hat sich in den vergangenen Wochen gezeigt, entsprechend sind sie voll des Lobes: „Zusammen anpacken und gemeinsam Lösungen entwickeln“ habe sich auch in der Krise als erfolgreiche Stärke erwiesen, heißt es etwa bei GLS. DPD zieht für die Ausnahmesituation ebenfalls ein gutes operatives Resümee – „dank des hohen Engagements aller Mitarbeiter und Zusteller“.