Branchenkonferenz KEP: Arbeitsschutz auf der letzten Meile

03. Juli 2018
Die Branchenkonferenz KEP nahm die Themen Arbeitsschutz und Gesundheit der Beschäftigten auf der letzten Meile in den Blick. Bei beiden Themen ist der aktuelle Stand nicht zufriedenstellend.
Die letzte Meile befindet sich im Wandel. Davon sind die Fahrzeuge betroffen, aber auch die Arbeitsprozesse und vor allem das Tempo der Auslieferung an sich. Das machte Wolfgang Steinberg, Vorsitzender Vorstand der BG Verkehr, bei der Branchenkonferenz KEP in Hamburg deutlich. „Welche Entwicklungen ergeben sich dabei für die Gesundheit und den Arbeitsschutz?“, fragte er die rund 100 Teilnehmer.
Eine Antwort zum momentanen Zustand lieferte Dr. Bernd Schildge von der Fachgruppe PPT (Post, Postbank, Telekom) der BG Verkehr: „Die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten auf der letzten Meile ist momentan nicht befriedigend.“ Die rund 570.000 Arbeitnehmer in der KEP-Branche – davon entfallen 70 Prozent auf die Paket- und 30 Prozent auf die Briefzustellung – seien einer hohen körperlichen und psychischen Belastung ausgesetzt. Bei der Anzahl der Fehltage und Arbeitsunfälle hat die KEP-Branche demnach im Vergleich zu anderen Sparten wie der Entsorgung und dem Baugewerbe die traurige Spitzenposition inne. „Das Unfallrisiko ist sehr hoch“, erklärte Schildge.
Hohe Anzahl an Fehltagen
Dieser Ansicht schloss sich Katrin Willnecker von der Bundesfachgruppe Postdienste bei Verdi an. Muskel- und Skeletterkrankungen zählten zu den Hauptgründen für die hohe Anzahl der Fehltage. Dazu führen laut Willnecker unter anderem die hohe Gewichtsbelastung, ausgelöst durch fehlende Waagen zur Gewichtsüberprüfung, sowie ungeeignete Hebe- und Tragehilfen. Zu einer erhöhten psychischen Belastung führen demnach auch Überfälle, Gewaltandrohungen sowie der Zeit- und Leistungsdruck. „Zudem haben viele Zustellfahrzeuge keine Klimaanlage, Assistenzsysteme und ergonomische Sitze“, erklärte Willnecker. In Bezug auf neue Zustellformen mahnte sie zur Vorsicht: „Bei der Nutzung von Robotern müssen die Beschäftigten schon bei der Installation ins Boot geholt werden.“
Professor Alex Vastag, Leiter der Abteilung Verkehrslogistik beim Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML), findet Roboter und Drohnen auf der letzten Meile ohnehin nur für Speziallösungen sinnvoll. „Der Mensch bleibt vor allem bei der Paketübergabe wichtig“, erklärte Vastag.
Die urbane Logistik biete derzeit einige Herausforderungen, sei gleichzeitig auch Innovationstreiber. Zu den Herausforderungen zählen Zufahrtsbeschränkungen, der Kostendruck, der Personalmangel, die hohe Verkehrsbelastung, das Konsumverhalten der Kunden, der Zustand der Infrastruktur sowie die Digitalisierung. Auf der anderen Seite machen alternative Antriebe, Drohnen, Roboter, Lastenräder, Smart Citys oder das automatisierte Fahren die letzte Meile zur Brutstätte von Innovationen.
Digitalisierung und Industrie 4.0 liefern Lösungen
Einige solcher Innovationen stellte Dr. Uwe Radetzki, bei der Deutschen Post verantwortlich für die Robotik, den Teilnehmern vor. Radetzki plädiert für die sogenannte kooperative Robotik, die die Einbeziehung des Menschen vorsieht. „Die Digitalisierung und die Industrie 4.0 liefern Lösungen, die es zu meistern gilt“, erklärte Radetzki. Eine Lösung der Deutschen Post bildet zum Beispiel die Lieferung in den Kofferraum oder die Wohnung, ohne dass der Kunde anwesend sein muss. Damit gelinge die erstmalige Zustellung, der Kurier sei ebenfalls entlastet. Augmented Reality-Lösungen, die in Brillen für die Zusteller eingebaut sind, vereinfachen laut Radetzki zum Beispiel die Adressen-Suche an Briefkästen von Hochhäusern mit vielen Bewohnern und sorgen für eine bessere Planbarkeit.
Exosuits sorgen für körperliche Entlastung
Sogenannte Exosuits, also Anzüge, die mit robotischen Funktionen den Menschen unterstützen, teste die Deutsche Post ebenfalls. Sie könnten die Zusteller vor allem beim Heben und Tragen unterstützen. Schwierigkeiten gebe es allerdings noch beim Sitzen. „In zwei bis drei Jahren werden wir vermutlich die ersten Prototypen erleben“, erklärte Radetzki. Erleichterung verspreche auch der Postbot, ein Begleitroboter für die Zustellung. „Er ersetzt kein Fahrzeug, sorgt aber für eine körperliche Entlastung“, sagte Radetzki.
Voll auf das Thema Roboter setzt das estnische Unternehmen Starship Technologies mit Hauptsitz in London. Die maximal sechs Stundenkilometer schnellen Roboter liefern laut Hendrik Albers, Regional Business Manager Central Europe, schon für englische Supermärkte aus. Albers verglich die Roboter mit dem Automatikgetriebe bei Autos: „Man braucht es nicht zwingend, aber heutzutage will es keiner mehr missen.“ Die Roboter haben demnach schon rund 170.000 Testkilometer absolviert – unfallfrei.
Der Mensch bleibt das letzte Glied
In der abschließenden Podiumsdiskussion bilanzierte Wolfgang Laske, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter Prävention der BG Verkehr, den Sinn solcher innovativen Technologien: „Wo sie Sinn machen, werden sie sich auch durchsetzen.“ Zudem entlasten sie laut Laske die Zusteller. Das letzte Glied der Lieferkette bleibe aber der Mensch.
Deshalb sei es wichtig, nicht nur neue Technologien zu betrachten, sondern auch die Schnittstellen, wie zum Beispiel Übergabepunkte. Die ehemalige Obfrau und Mitglied des Verkehrsausschusses im Bundestag, Dr. Valerie Wilms (Bündnis 90/Die Grünen), warnte die Deutschen vor zu viel Pessimismus, was die letzte Meile betreffe. Es bedürfe allerdings einer klar formulierten Vision: „Wo wollen wir mit der Logistik bis 2050 hin?“
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer beim weiteren Vorgehen in Sachen Arbeitsschutz und Gesundheit auf der letzten Meile: Eine Zusammenarbeit aller Beteiligten ist notwendig. Das bilanzierte auch Bernd Schildge am Ende des Tages: „Wir müssen dem Arbeitsschutz auf der letzten Meile eine Plattform geben.“