Klimaneutraler Verkehr ohne Mehrkosten bis 2045

13. Mai 2024 Newsletter
Deutschland kann im Verkehrssektor bis 2045 ohne Mehrkosten oder Einbußen klimaneutral werden. Allerdings nur, wenn die Regierung unverzüglich zusätzliche Maßnahmen ergreift. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Agora Verkehrswende. Mit der aktuellen Verkehrspolitik würden die Klimaziele verfehlt und je länger die Regierung auf strikte Maßnahmen verzichte, umso teurer wird die Verkehrswende, heißt es weiter.
Die Studie vergleicht die volkswirtschaftlichen Ausgaben und Kosten für den Verkehr in Deutschland bis 2045 anhand von drei Szenarien. Referenzszenario ist die aktuelle Verkehrspolitik mit Projektionsberichten für die Wirkung der aktuellen Klimaschutzpolitik. Im Zielszenario „Wende 2025“ ergreift die Politik weitere Maßnahmen umgehend, im Szenario „Wende 2030“ erst in 6 Jahren. Beide verfolgen dieselbe Grundstrategie: Umstieg von Verbrennungsmotoren auf elektrische Antriebe kombiniert mit Verlagerung von Straße auf Schiene und von Privat-Pkw auf Bus, Bahn, geteilte Fahrzeuge, Fahrrad und Fußverkehr.
In beiden Fällen sei ein klimaneutraler Verkehr bis 2045 möglich. Wenn ab 2025 mehr Maßnahmen gelten, ließen sich im Vergleich zum Referenzszenario rund 60 Milliarden Euro sparen. „Das Ergebnis unserer Studie ist eindeutig. Politisches Zögern hat einen Preis. Der Preis bemisst sich entweder in Geld oder in Treibhausgasen, mit all den damit verbundenen Risiken“, sagt Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende.

Höhere Ausgaben und Emissionen durch verzögertes Handeln

Steuere die Politik erst im Jahr 2030 um, wären die gleichen Emissionseinsparungen nur mit Mehrkosten von rund 500 Milliarden Euro (einem Plus von 5 Prozent) möglich. Im Referenzszenario, das auf den bis heute beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen fußt, würde Deutschland die Klimaziele im Verkehr verfehlen und bis 2045 Mehremissionen von rund 590 Millionen Tonnen CO2 im Verkehr verursachen, heißt es seitens der Organisation. „Würde die Bundesregierung nach volkswirtschaftlicher Logik handeln, müsste sie beim Klimaschutz im Verkehr schnell alle Hebel in Bewegung setzen“, so Zimmer.

Höhere Anfangsinvestitionen zahlen sich aus

Beide Zielszenarien sind anfangs mit höheren Investitionen verbunden – insbesondere für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und für die Anschaffung von E-Fahrzeugen. Im zügigen Verkehrswendeszenario lassen sich dadurch aber schon ab den frühen 2030er Jahren finanzielle Einsparungen im Vergleich zum Referenzszenario erzielen. „Anfangs braucht es höhere Investitionen in die Zukunft, in Summe aber nicht mehr Geld. Vor allem braucht es mehr politischen Willen“, so Zimmer. Die Regierung müsse passende Anreize schaffen und Finanzierungsmöglichkeiten darstellen. „Entschlossener Klimaschutz rechnet sich langfristig, aber er braucht ein solides Finanzierungskonzept“, sagt Carl-Friedrich Elmer, Projektleiter Verkehrsökonomie bei Agora Verkehrswende. „Ein erster Schritt wäre eine am CO2-Ausstoß orientierte Reform der Steuern, Abgaben und Subventionen rund um den Pkw – von Kfz- und Dienstwagenbesteuerung bis zu CO2-Preis mit Klimageld und verursachergerechter Pkw-Maut.“

Verkehrsverlagerung auf ÖPNV

Alle drei Szenarien setzen auf die Elektrifizierung der Antriebe. Die Zielszenarien visieren darüber hinaus aber auch eine deutliche Verkehrsverlagerung an. Der öffentliche Verkehr mit Bus, Bahn, Rad und zu Fuß spielt in den Zielszenarien 2025 und 2030 langfristig eine deutlich größere Rolle als beim Referenzszenario. Somit fallen in den Zielszenarien auch die Kosten für Personal im öffentlichen Verkehr höher aus, so Agora. Digitale Lösungen wie selbstfahrende Busse und Bahnen wurden in der Studie nicht berücksichtigt, können aber perspektivisch Personalengpässe lösen und damit zusätzliche Kosten sparen.

Weniger Pkw-Verkehr in den Zielszenarien

Während im Referenzszenario der Anteil des motorisierten Individualverkehrs im Personenverkehr mit fast 80 Prozent sehr hoch bleibt, gehe dieser Anteil in den Zielszenarien bis 2045 auf unter 60 Prozent zurück, meldet Agora.
Auch im Pkw-Bestand weist die Stude deutliche Unterschiede zwischen den Szenarien auf: Im Referenzszenario steigt die Zahl der Fahrzeuge von 47 Millionen (2019) auf 54 Millionen (2045). Davon werden 45 Millionen (83 Prozent) rein elektrisch sein, so Agora. In den Zielszenarien sinke die Zahl der Fahrzeuge bis 2045 wegen der Verkehrsverlagerung auf 38 Millionen. Im Zielszenario mit umgehenden Maßnahmen sind davon 33 Millionen (87 Prozent) rein elektrisch; im verzögerten Szenario müssten alle Pkw 2045 batterieelektrisch sein, um die Mehremissionen aus den Vorjahren zu kompensieren. Daher sprechen die volkswirtschaftlichen Argumente deutlich gegen das verzögerte Zielszenario, gibt die Organisation bekannt.