Lidl verteidigt umstrittene Rampendienste
Der Discounter Lidl verteidigt seine neuen kostenpflichtigen Rampendienste als zusätzlichen Service für die anliefernden Transportunternehmen. Das Unternehmen ist überzeugt, dass es hierfür einen Bedarf gebe. „Die Motivation hinter den freiwilligen Zusatzangeboten ist es, die Durchlaufzeiten von Anlieferungen deutlich zu reduzieren, einfachere und transparente Prozesse zu etablieren und auf Störungen in der Lieferkette flexibler reagieren zu können“, teilt der Discounter gegenüber der Fachzeitschrift trans aktuell mit.
Damit reagiert das Unternehmen aus Neckarsulm auf Kritik an seinen neuen kostenpflichtigen Rampendiensten. Lidl Deutschland bietet die optionalen Zusatzangebote aktuell in 6 von 39 Logistikzentren (Wenzendorf, Siek, Rostock, Kremmen, Großbeeren und Freienbrink) an. Angebot eins ist eine sogenannte Expressrampe mit Entladung der Ware durch Lidl. Das Unternehmen verspricht eine Abwicklung innerhalb von 90 Minuten. Kostenpunkt: 40 Euro pro Lkw. Die Buchung sei über die IT-Plattform von Mercareon bis fünf Uhr morgens am Anliefertag möglich.
Umbuchen auf den Nachmittag kostet bei Lidl 100 Euro
Angebot zwei ist eine Entladung außerhalb der Wareneingangszeiten. Das Angebot richtet sich an Unternehmen, deren Lkw zum Beispiel aufgrund von Staus nicht mehr pünktlich zur Rampe kommen. Wer – ebenfalls bis fünf Uhr am Anliefertag – diesen Service bucht, kann sich ein späteres Zeitfenster außerhalb der regulären Wareneingangszeit buchen. Damit lässt sich laut dem Lebensmittelhändler verhindern, dass der zu spät eintreffende Lkw bis zum nächsten Morgen warten muss. Dafür verlangt Lidl 100 Euro pro Lkw. Die Zeit außerhalb der üblichen Wareneingangszeit definiert das Unternehmen als Zeitraum zwischen 12 und 18 Uhr.
Der Einzelhändler ist überzeugt, dass es für diese Zusatzdienste einen Bedarf gibt. „Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass ein Bedarf und auch der Wunsch am Markt besteht, solche freiwilligen Sonderservices anzubieten“, heißt es. Dabei sei man sehr am Feedback aus der Branche interessiert. „Wir befinden uns in der Pilotphase des Tests und sind daran interessiert, welche konkreten Angebote dem Transportmarkt eine effiziente Unterstützung bieten, und nehmen auch gerne Vorschläge auf“, erklärt das Unternehmen.
Die Rückmeldung von Branchenverbänden und Beratern jedenfalls ließ nicht lange auf sich warten – dort stoßen die Angebote mehrheitlich auf Ablehnung. „Der Vorstoß geht in die falsche Richtung“, betont Marcus Hover, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL NRW). Die Expressrampe dürfe nicht die kostenpflichtige Ausnahme sein, sondern müsse eher zum Standard werden. Hover hegt die Befürchtung, dass die neue Diskussion um die Rampenabfertigung dem Berufsbild des Fahrers weiter schadet. Damit tut sich seiner Ansicht nach niemand einen Gefallen. Denn der bereits deutlich am Markt spürbare Fahrermangel werde sich auf absehbare Zeit weiter verschärfen uns sich auf den vorhandenen Laderaum auswirken.
VVWL NRW: Rampendiskussion erschwert Fahrersuche
„Unter der stellenweise absurden Situation an den Laderampen hat das Selbstverständnis des Berufskraftfahrers – und damit die Werbung für den Nachwuchs – besonders gelitten“, sagt Hover. So sei es vor Jahren noch verbreitet gewesen, Fahrern den Schlüssel zur Edelstahltoilette zu verweigern und sie als billige Hilfskräfte des Lagerpersonals zu benutzen. „Glücklicherweise findet hier mittlerweile ein Umdenken statt.“
Das Beratungsunternehmen Simon-Kucher & Partners aus Frankfurt ist der Ansicht, dass es eher Aufgabe der Logistikdienstleister und nicht des Empfängers ist, Preismodelle zu entwickeln. „Hier wird das Problem von der falschen Seite aus angepackt“, erklärt Philipp Biermann, Leiter der globalen Logistik- und Business-Services-Abteilung bei Simon-Kucher & Partners. „Lidl versucht jetzt durch eine Preisdifferenzierung, die vorangeschalteten Teilnehmer der Lieferkette zu mehr Effizienz anzuregen.“
Genau das sollte seiner Ansicht nach aber Aufgabe der Logistikdienstleister sein. „Sie haben indirekten Einfluss auf ihre Auftraggeber und können ihnen durch innovative Preismodelle unmittelbare finanzielle Anreize bieten, mit ihrem Verhalten für eine effiziente Lieferkette zu sorgen und die Prozesse nachhaltig zu optimieren“, argumentiert er und nimmt hier auch die Logistikunternehmen in die Pflicht. Sie müssten sich fragen lassen, warum sie nicht selbst schon vor Jahren konsequent Aufpreise und Abschläge in Abhängigkeit vom Verhalten des Versenders durchgesetzt haben, sagt Biermann.