Lkw-Kartell: Hersteller sind am Zug

13. Nov. 2018
Die Musterfeststellungsklage, seit 1. November im Kraft, bringt hier wenig: In den Klagen zu Schadenersatz wegen des Lkw-Kartells sind jetzt die Hersteller am Zug.
Premiere: Am 1. November 2018 hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zusammen mit dem ADAC eine Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG eingereicht – an dem Tag, an dem das Gesetz zur Musterfeststellungsklage auch in Kraft trat. Betroffene VW-Kunden erhoffen sich, mit dem neuen Klageinstrument Schadenersatz von dem Fahrzeugkonzern für ihre Diesel-Pkw zu bekommen. Derweil läuft hinter den Kulissen bereits eine riesige Schadenersatzwelle – die Klage von Unternehmen gegen das Lkw-Kartell von Daimler, MAN, Iveco, DAF und Volvo/Renault. Scania ist derzeit außen vor – das Landgericht Mainz setzte im Sommer eine Schadensersatzklage aus, weil Scania den Kommissionsentscheid zum Kartell nicht anerkennt.
Auch die Ladungskooperation Elvis aus Alzenau hat für ihre Mitgliedsunternehmen Klage eingereicht. Aktuell erwartet das Netzwerk die Klageerwiderung der Gegenseite, die bis Mitte Dezember beim Landgericht Stuttgart eingehen muss, sagt Christine Platt, Prokuristin von Elvis. Für das Verfahren hatte Elvis eigens die Gesellschaft Themis Schaden gegründet, die Ansprüche von rund 310 Mitgliedsunternehmen bündelt – insgesamt geht es um mehr als 16.500 Fahrzeuge, die laut Elvis von den Preisabsprachen der Hersteller im Zeitraum zwischen 1997 und 2011 betroffen waren.
Zweite Klage noch im Laufe des Jahres 2018
Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) hatte noch im Dezember 2017 eine erste Klage für insgesamt 85.000 Lkw beim Landgericht 1 München eingereicht. Im Rahmen eines Abtretungsmodells bündelt der Rechtsdienstleister Financialright die Ansprüche, die durch die Anwaltskanzlei Hausfeld Rechtsanwälte durchgesetzt werden sollen. Noch in diesem Jahr, so sagt ein Sprecher, ist zudem eine zweite Klage gegen das Lkw-Kartell für weitere 60.000 bis 65.000 Fahrzeuge geplant, an der sich auch Mitgliedsunternehmen von Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ), Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) und Deutscher Speditions- und Logistikverband (DSLV) beteiligen.
Die neue Möglichkeit der Musterfeststellklage, die vor allem von Verbraucherschützern verlangt worden war, wird den Kartellgeschädigten dabei nicht helfen: „Die neu eingeführte Musterfeststellungsklage kann nicht für Kartellklagen gegen das Lkw-Kartell genutzt werden, da diese Klageform nur Verbrauchern zur Verfügung steht, nicht aber Unternehmen wie Speditionen“, so der Sprecher des BGL-Klagekonsortiums.
Auch Christine Platt von Elvis sieht darin keinen Mehrgewinn: Es handele sich dabei nur um eine Feststellungsklage, der eigentliche Schadenersatz müsse dann immer noch vom einzelnen Betroffenen eingeklagt werden, auch wenn dieser sich auf das Musterfeststellungsurteil beziehen kann. „Für unseren Fall im Lkw-Kartell sind wir unabhängig von dieser neuen Möglichkeit überzeugt, dass wir mit unserer Vorgehensweise den bestmöglichen Weg für unsere Mitglieder gewählt haben. Nach wie vor scheint zudem unsere Klage die einzige Großklage zu sein, die bereits eine echte Leistungsklage darstellt.“
Viele Geschädigte haben bereits Verfahrenn angestrengt
Laut Rechtsanwalt Carsten Vyvers von der Kanzlei Arnecke, Sibeth, Dabelstein aus Frankfurt, die Elvis bei der Klage unterstützt, haben sich bereits viele Geschädigte - teilweise mit Hilfe von Prozessfinanzierern - an Gerichtsverfahren beteiligen. „Kommt es in solch einem bereits laufenden Verfahren zu einem Urteil, profitieren die jeweiligen Teilnehmer hieran direkt.“ Eine Musterfeststellungsklage mache daher aktuell keinen Sinn, insbesondere weil die EU-Kommission je schon Feststellungen zu Lasten der Lkw-Kartellanten getroffen habe, auf die sich die betroffenen Käufer und Leasingnehmer berufen können.
In Sachen Lkw-Kartell haben die ersten Gerichte inzwischen schon Urteile gefällt, etwa in Stuttgart und Hannover. Allerdings waren dies bislang keine Urteil zu schadenshöhen. Die Kläger müssen also noch weiter warten - und das ziemlich lange.