Lkw-Kartell: Unternehmen lassen Frist verstreichen

15. März 2021 Newsletter
Vier Monate vor der Verjährungsfrist sind viele europäische Unternehmen in Sachen Lkw-Kartell noch nicht aktiv. Dies geht aus einer Umfrage der niederländischen Unilegion Truck Claims Stiftung hervor.
Nach eigenen Angaben hat Unilegion rund 3.500 europäische Transportunternehmen zum Lkw-Kartell befragt. Demnach klagen aktuell in der EU rund 30.000 Unternehmen für knapp eine Million Lkw auf Schadensersatz gegen die Lkw-Hersteller. „Damit sind vier Monate vor Eintritt der Verjährung in vielen EU-Mitgliedsstaaten circa 50 bis 60 Prozent der Unternehmen, auf die etwa weitere 2,6 Millionen im Kartellzeitraum erworbene Lkw entfallen, noch nicht aktiv geworden.“
KMU meist nicht ausreichend über Ansprüche informiert
Laut der Unilegion Truck Claims Stiftung, die im Rahmen von Sammelklagen in den Niederlanden aktiv ist, wurden für die Erhebung Transport- und Industrieunternehmen aus Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien zum Lkw-Kartell befragt. Dabei habe sich gezeigt, dass große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern in der Regel gut informiert seien und entweder eigenständig oder in Sammelklagen bereits gegen das Lkw-Kartell vorgehen. Die überwiegende Mehrheit kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU), die keine Nähe zu Verbänden haben und die Fachpresse nicht aktiv verfolgen, sei bislang außen vor geblieben.
Dabei ist laut der Stiftung der Reifegrad der ersten Prozesswelle in vielen EU-Mitgliedstaaten fortgeschritten, sodass eine Vielzahl von Urteilen vorliege, in den allermeisten Fällen mit positivem Ergebnis für die Kläger. „Soweit bereits Schadensersatzbeträge ausgeurteilt wurden, lagen diese oft in einer Größenordnung von bis zu 10.000 Euro pro Lkw (zuzüglich Zinsen).“
„Klägerfreundliche Entscheidungspraxis in vielen EU-Staaten“
Laut Unilegion sind die rechtlichen Voraussetzungen der Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche in den vergangenen Jahren deutlich verbessert worden. Dabei habe sich in vielen EU-Mitgliedsstaaten eine weitgehend klägerfreundliche Entscheidungspraxis herausgebildet. Für den „bislang größten kartellrechtlichen Verfahrenskomplex der EU-Geschichte“ biete eine Reihe von professionellen Klägerorganisationen finanzierte Sammelklagen ohne Kostenrisiko und Aufwand für die Geschädigten – darunter auch Unilegion. Die Stiftung mit Sitz in Amsterdam wird von der niederländischen Kanzlei und Experten für Kartellschadenersatz Bureau Brandeis vor Gericht vertreten. Die Kanzlei ist demnach bereits in einem der größten Klageverfahren zum Lkw-Kartell tätig und vertritt dort mehrere 10.000 Lkw von Hunderten geschädigter Unternehmen.
Die Stiftung mahnt Unternehmen, die bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche noch nicht aktiv geworden sind, zur Eile: Für das Lkw-Kartell verbleiben demnach dazu noch vier Monate, da in vielen EU-Mitgliedsstaaten im Juli 2021 und damit fünf Jahre nach Erlass der Bußgeldentscheidung der EU-Kommission gegen die Lkw-Hersteller ein Eintritt der Verjährung aller Ansprüche drohe.