Logistik im Seehafenhinterland-Verkehr

16. Sept. 2019
Bei einer Veranstaltung des Kompetenznetzes Individuallogistik (KNI) standen die künftigen Anforderungen an die Logistik im Seehafenhinterland-Verkehr im Mittelpunkt.
In der Region rund um Osnabrück, Münster und Bielefeld finde sich die Logistik geballt, so Rolf Meyer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des KNI und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Textillogistikers Meyer& Meyer: „Die Region lebt von der Trimodalität.“
KV-Terminal Osnabrück wird realisiert
Die Logistikdienstleister der Region blicken daher erwartungsvoll auf das geplante Terminal für den Kombinierten Verkehr in Osnabrück, für dessen Bau im Juli die Ausschreibungen gestartet sind. Auch die Ausbaupläne am niederländischen Standort Twente, der nur 95 Kilometer entfernt sei, könnten für die Unternehmen aus der Region von Vorteil sein, sagte Meyer, da immerhin die Hälfte der Container, die Twente aus den ARA-Häfen beziehe, für den deutschen Markt bestimmt sei.
China als neue Nummer 1
Dass die Mängel in der Infrastruktur einen effizienteren und nachhaltigeren Transport im Seehafenhinterland ausbremst, war eine wiederkehrende Argumentation der Veranstaltung. Klaus Hellmann, Aufsichtsratsmitglied von Hellmann Worldwide Logistics, stellte in Aussicht, dass sich künftig auch die Verkehrsströme ändern müssten, weil bis in 20 Jahren auch die Handelsströme andere seien: China schicke sich an, die USA als Global Player Nummer 1 abzulösen. Als Folge müsse sich die Logistik aus Europa noch mehr in Richtung Asien orientieren. Ein Zeichen dafür sei der Wachstums des griechischen Hafen Piräus, an dem sich China im Rahmen seiner Zukunftsstrategie Anteile gesichert habe und der in den vergangenen zehn Jahren um das Zehnfache auf einen Umschlag von 4,6 Millionen TEU im Jahr 2018 gewachsen sei. Container würden künftig statt nur über die Westhäfen vermehrt auch auf dieser Route zu den Produktionszentren in Süddeutschland sowie in Osteuropa gelangen.
Westhäfen gewinnen Marktanteile
Vorerst haben aber noch die Westhäfen in Europa die Vormachtstellung, gestärkt auch durch Marktanteile, die sie den deutschen Seehäfen abgewinnen konnten. Das berichtete Prof. Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL), das sich auf Analysen der maritimen Wirtschaft und Logistik spezialisiert hat. Einen Grund für die Verschiebung sind laut Lemper die Feeder-Netze, während die deutschen Seehäfen sich eher im Transshipment-Bereich auszeichnen. Ein Merkmal der deutschen Seehäfen sei auch die steigende Entwicklung von Hinterlandverkehren auf der Schiene, etwa beim Hamburger Hafen, der inzwischen im Modalsplit einen Bahnanteil von 46,5 Prozent habe.
Dennoch fehlt ein nationales Konzept für den Hinterlandverkehr von den Seehäfen, kritisierte Claus Brandt, Leiter maritimer Logistik der Unternehmensberatung Price Waterhouse Cooper. Ein solches Konzept, das nicht nur regional ausgerichtet sei, sondern Deutschland oder sogar ganz Europa in Betracht ziehe, sei eine Voraussetzung für ein weiteres Wachstum der Häfen. „Wir brauchen zudem effizientere Transportketten im Seehafenhinterland und eine entsprechende Organisation der Transportkette und der Schnittstellen“, sagte Brandt.
Vernetzung aller Akteure
Um die Logistikprozesse zu verbessern, sei neben einer leistungsstarken Infrastruktur auch die Kooperation und Vernetzung aller Akteure notwendig. Im Schienenbereich müsse für einen funktionierenden Seehafenhinterland-Verkehr weiter die Leistungsfähigkeit erhöht, das Schienennetz modernisiert und die Informationstechnologie verbessert werden, um etwa die Be- und Entladezeiten zu verringern. Brandt regte außerdem ein Netz von Richtungsverkehren an.
Binnenschiff-Anteil rückläufig
Schwieriger sei es beim Binnenschiff-Verkehr, der eher rückläufig sei und damit nur wenig Unternehmen einen Anreiz für Investitionen biete. Um unter den Verkehrsträgern wettbewerbsfähig zu bleiben, sei es notwendig, die Flotte der Binnenschiffe auszuweiten und zu modernisieren sowie die Wasserwege und Schleusen zu ertüchtigen.
Für den Lkw-Bereich, der auch im Hinterlandverkehr tonangebend ist, gibt es ebenfalls Verbesserungsvorschläge, die auf eine effizientere und nachhaltigere Nutzung zielen, darunter den Umstieg auf alternative Antriebe und eine bessere Verkehrssteuerung.