Logistikbranche: Reallohn für Berufskraftfahrer sinkt
In vielen Branchen steigt das Lohnniveau kräftig an. Die Gehaltsforderungen von Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern sind dagegen im 2. Quartal 2023 leicht zurückgegangen – trotz Inflation und Fachkräftemangel. Dies zeigt der aktuelle Gehaltsreport von Jobmatch.me, der auf Daten von bundesweit knapp 50.000 Lkw-Fahrern basiert. Die Lohnzurückhaltung steht im starken Kontrast zu anderen Branchen, die deutlich höhere Lohnanpassungen vornehmen. Die Folgen könnten für die ganze Wirtschaft zur Gefahr werden.
Reallohnverlust für die Lkw-Fahrer
Der bundesweite Durchschnitt der Gehaltsforderungen lag im zweiten Quartal 2023 bei 3.139 Euro brutto pro Monat. Das entspricht einem Anstieg von nur 0,9 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2023 und einem Rückgang von 1,3 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal 2022. Damit liegen die Gehaltsforderungen deutlich unter der Inflationsrate, die im Mai 2023 bei 6,1 Prozent lag. Dies bedeutet einen faktischen Reallohnverlust für die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer.
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Die relative Lohnzurückhaltung mag vorerst eine Entlastung für Logistikunternehmen bedeuten, doch der extreme Fachkräftemangel macht die Situation komplex. Die Attraktivität des Berufsbildes leidet unter den stagnierenden Gehältern und dem Reallohnverlust. Besorgniserregend ist zudem, dass viele andere Branchen attraktivere Löhne bieten und damit die Abwanderung von Lkw-Fahrern aus der Logistikbranche verstärken könnten. Was als kurzzeitiger „Gewinn“ für Arbeitgeber erscheint, könnte sich langfristig ins Gegenteil kehren.
Attraktive Job-Alternativen für Lkw-Fahrer
Aktuelle Tarifabschlüsse in anderen Branchen verdeutlichen, dass die Effekte der Inflation durch höhere Lohnanpassungen aufgefangen werden können. Die stagnierenden Gehaltsforderungen von Lkw-Fahrer setzen die Reallohnentwicklung jedoch unter Druck und führen zu einer niedrigen Attraktivität des Berufsbildes. Als Konsequenz verschärft sich der bereits bestehende Fachkräftemangel in der Logistikbranche. Eine Analyse der Gehaltsentwicklungen in anderen Branchen zeigt, dass viele potenziell attraktive Alternativen für Lkw-Fahrer existieren, die deutlich höhere Lohnsteigerungen bieten. Zum Beispiel stiegen die Gehälter im Baugewerbe im zweiten Quartal 2023 um 4,1 Prozent, im Handwerk um 3,7 Prozent und im Einzelhandel um 3,4 Prozent.
Keine Gewerkschaft, schwache Verhandlungsposition
Die Gründe für die stagnierenden Gehaltsforderungen sind vielfältig. Zum einen könnte es sich um eine Folge des starken Kostendrucks auf die Logistikunternehmen handeln, die in der Corona-Krise mit sinkenden Umsätzen und steigenden Ausgaben zu kämpfen hatten. Zum anderen könnte es auch ein Zeichen für eine geringe Verhandlungsmacht der Lkw-Fahrer sein, die sich in einem hart umkämpften Markt behaupten müssen. Zudem könnte es auch eine Rolle spielen, dass viele Lkw-Fahrer nicht gewerkschaftlich organisiert sind und daher weniger Einfluss auf die Tarifverhandlungen haben.
Kurzfristige Kostensenkung birgt Gefahren
Die aktuelle Situation sendet alarmierende Signale an die gesamte Logistikbranche. Um die Attraktivität des Berufsbildes zu steigern und den Fachkräftemangel zu bekämpfen, sollten die Logistikunternehmen daher nicht nur auf die kurzfristige Kostensenkung setzen, sondern auch in die langfristige Bindung und Qualifizierung ihrer Mitarbeiter investieren. Neben einer angemessenen Bezahlung sind auch andere Faktoren wie flexible Arbeitszeiten, gute Arbeitsbedingungen, Weiterbildungsmöglichkeiten und Anerkennung wichtig, um die Loyalität und das Engagement der Lkw-Fahrer zu stärken.
Erstmals wurden im aktuellen Gehaltsreport Quartalsvergleiche für das erste Halbjahr der vergangenen drei Jahre durchgeführt. Diese Analysen ermöglichen wichtige Einblicke in die Gehaltstrends der Branche und zeigen, dass die Gehaltsforderungen trotz Inflation stagnieren.