Mautpflicht ab Juli auf 52.000 Kilometern
Am 1. Juli wächst das Streckennetz der Lkw-Maut um 37.000 auf 52.000 Kilometer. Alle Bundesstraßen werden mautpflichtig.
Pressetermine in den Nachtstunden sind die Ausnahme. Bei Toll Collect haben sie Tradition. Wenn größere Veränderungen im Lkw-Mautsystem anstehen, lädt der Betreiber am Vorabend Medienvertreter ein, um die Anpassungen zu erläutern und um pünktlich um 0 Uhr zum Stichtag den Startschuss zu geben. So auch an diesem Samstag um elf Uhr abends, wenn sich zum einstündigen Countdown zur Mautausweitung auf alle Bundesstraßen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Toll Collect-Chef Hanns-Karsten Kirchmann und Vertreter der Toll Collect-Gesellschafter Daimler und Deutsche Telekom ein Stelldichein geben. Toll Collect spricht davon, dass eines der größten IT-Projekte in der jüngsten Vergangenheit Deutschlands planmäßig abgeschlossen wird.
Bund erwartet zwei Milliarden Euro an Maut zusätzlich
Von Sonntag, 1. Juli, an müssen Lkw ab 7,5 Tonnen dann auf einem Straßennetz von 52.000 Kilometern Maut bezahlen. Bisher sind rund 15.000 Kilometer Autobahnen sowie Bundesstraßen gebührenpflichtig. Der Bund geht durch die Mautausweitung von zwei Milliarden Euro jährlich an zusätzlichen Einnahmen aus. Für dieses Jahr rechnet er aber "nur" mit knapp einer halben Milliarde Euro mehr. Zum einen erfolgt die Ausweitung erst zur Jahresmitte, zum anderen gelten noch die aktuellen niedrigeren Mautsätze, die geplante Erhöhung soll erst im Januar zum Tragen kommen. Insgesamt rechnet die öffentliche Hand dieses Jahr mit 5,1 Milliarden Euro an Mautmitteln. Seit dem Start der Lkw-Maut im Januar 2015 hat das Transport- und Logistikgewerbe mehr als 53 Milliarden Euro an Maut bezahlt.
600 Kontrollsäulen an Bundesstraßen aufgestellt
Anders als auf Autobahnen setzt das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) zur stationären Kontrolle an Bundesstraßen nicht auf Mautbrücken, sondern auf blaue Kontrollsäulen. 600 davon wurden bundesweit aufgebaut und ergänzen die aktuell rund 300 Mautbrücken an Autobahnen. Mobile Kontrollteams des BAG werden sowohl auf Autobahnen als auch auf Bundesstraßen unterwegs sein.
1,4 Millionen mautpflichtige Lkw bei Toll Collect registriert
Toll Collect geht davon aus, dass einige Branchen, die nicht die Autobahnen, sondern stark die Bundesstraßen nutzen, erstmals Maut bezahlen müssen – zum Beispiel Textilhandwerker. Mit einer Prognose, wie viele Betriebe erstmals von der Mautpflicht betroffen sind, tut sich das Unternehmen aber schwer. Ende April waren 207.700 Unternehmen bei Toll Collect registriert. Sie setzen zusammen 1,4 Millionen mautpflichtige Lkw ein, davon haben 1,1 Millionen eine On-Board-Unit (OBU) für eine automatische Mauterfassung an Bord. Da die meisten Unternehmen am automatischen Verfahren teilnehmen, reduziert Toll Collect sukzessive die Zahl der an Rast- und Tankstellen aufgestellten Terminals – von 3.600 auf 1.100. Hinzu kommt, dass es inzwischen auch eine App gibt, mit der Fahrer von unterwegs aus ihre Strecken buchen können.
Mautbetrag wird nicht mehr in OBU angezeigt
Die größte Herausforderung bei der Umstellung für Toll Collect war die IT-Anpassung bei laufendem Betrieb. Statt von der OBU aus erfolgt die Mauterfassung und -erhebung künftig von der Toll Collect-Zentrale aus. Die OBU liefert dem Rechenzentrum die Positionsdaten, dort erfolgt die Zusammenführung mit den Mautparametern und die Berechnung des Mautbetrags. In der Folge wird dieser künftig nicht mehr in der OBU angezeigt. Alles andere wäre mit den aktuellen Mautgeräten aufgrund des geringen Speicherplatzes nicht ohne Werkstattaufenthalt möglich gewesen.