Fünf Modellstädte sorgen für bessere Luft
Fünf Modellstädte können ihre Luft jetzt mit weiteren Bundesmitteln sauberer machen. Rund 130 Millionen Euro stehen bis 2020 für Herrenberg, Mannheim und Reutlingen in Baden-Württemberg sowie für Bonn und Essen in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Alle Städte wollen die Fahrpreise im ÖPNV senken und das Angebot an Bus- und Straßenbahnlinien ausweiten, auch Verkehrslenkungsmaßnahmen sollen zum Einsatz kommen. Das Geld soll zusätzlich zum „Sofortprogramm Saubere Luft“ fließen und laut Bundesverkehrsministerium für modellhafte Projekte zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) und zur Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung dienen. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten, es wurden erneut technische Nachrüstungen für Diesel-Fahrzeuge gefordert.
Mannheim will ein Konzept für die letzte Meile im Lieferverkehr umsetzen: Von einem Micro-Hub aus sollen Paketdienstleister ihre Sendungen mit elektrischen Lastenrädern zustellen, außerdem ist die Anschaffung von Euro-6-Hybridbussen vorgesehen. Bonn bietet nach dem Vorbild Wiens für Neukunden ein Jahr lang ein „Klima-Jahresticket“ an, das die Käufer am Tag nur einen Euro, also insgesamt 365 Euro, kostet. Die Erweiterung des Fahrradnetzes und eine Taktverdichtung bei Straßenbahn und Bussen stehen in Essen auf dem Programm, Reutlingen will zehn neue Buslinien mit 100 Haltestellen einrichten und den Radverkehr durch Schnellwege fördern, Herrenberg mit seinen 31.000 Einwohnern setzt auf digitale Verkehrssteuerung.
Scheuer will Fahrverbote vermeiden
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will mit den wissenschaftlich begleiteten Modellprojekten Fahrverbote in den Städten vermeiden. Der CSU-Politiker lehnt es weiterhin ab, die Autohersteller mit technischen Nachrüstungen von Dieselfahrzeugen in die Verantwortung zu nehmen, wie es von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gefordert wird. Ob Scheuers Plan aufgeht, dass andere Städte wirksame Maßnahmen kopieren, ohne dafür vom Staat Geld zu bekommen, ist äußerst ungewiss. Würde man die jetzige Fördersumme auf etwa 12.000 weitere deutsche Kommunen umlegen, stünde der Staat mit einer Summe von rund 300 Milliarden Euro in der Pflicht.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte die Förderung Medienberichten zufolge als „ein billiges Trostpflaster“ und forderte wie Jens Hilgenberg vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) flächendeckende Hardware-Nachrüstungen von Diesel-Pkw. Maßnahmen in einzelnen Modellstädten blendeten die Realität aus, sagte Hilgenberg. Es sei ein radikaleres Vorgehen notwendig um den CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich bis 2030 um die angestrebten 40 Prozent zu senken. Die Deutsche Umwelthilfe hat unterdessen Abgasmessungen veröffentlicht, wonach Diesel-Pkw auch nach einem Software-Update die geforderten Grenzwerte nicht einhalten. Dagegen seien bei Fahrzeugen, denen ein SCR-Katalysator eingebaut wurde, „eindrucksvoll verringerte NOX-Werte“ verzeichnet worden, die noch unterhalb des Grenzwertes für Euro 6 gelegen hätten.