Null Verkehrstote als Ziel

07. Juni 2021 Newsletter
Das Bundeskabinett hat ein neues Verkehrssicherheitsprogramm beschlossen. Das Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2030 um 40 Prozent zu senken, ist nicht umstritten, der Weg dahin aber schon.
„Null Verkehrstote – das ist das Ziel“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Er führte die Aktion Abbiegeassistent und die Verbesserung der Straßenverkehrsordnung als zwei der Maßnahmen an, die für mehr Sicherheit sorgen sollen. Nicht nur die Zahl der Verkehrstoten, sondern auch die der Schwerverletzten soll zurückgehen. Neu sei, dass das Verkehrssicherheitsprogramm kein starrer Plan, „sondern ein lebendiger und lernender Prozess (sei), der regelmäßig überprüft und angepasst werden soll“, hieß es. Erstmals würden andere Ministerien – beispielsweise bei der Fahrausbildung oder dem autonomen Fahren - eingebunden.
An vorderster Stelle steht dabei, die Potenziale des automatisierten, autonomen und vernetzten Fahrens zu Verbesserung der Verkehrssicherheit aktiv zu nutzen. Außerdem will man Fahrerassistenzsysteme bei Lkw und Bussen, aber auch bei Pkw und Motorrädern unterstützen, damit sie zum Standard und auch akzeptiert werden. Der Bund hat sich auch eine Verbesserung der Straßeninfrastruktur vorgenommen, auf der Liste stehen zudem der Bau sichererer Radwege, eine Entflechtung des Verkehrs oder mehr Wissen über Unfallursachen.
Konkretere Aussagen und mehr Konsequenz erwünscht
Verkehrsverbänden und auch den Grünen im Bundestag geht das Programm nicht immer weit genug. „Bei der geplanten Umsetzung von Maßnahmen hätte sich der DVR noch konkretere Aussagen gewünscht“, kommentiert der Deutsche Verkehrssicherrat diplomatisch. Begrüßt wird die Ankündigung einer zeitnahen Erarbeitung einer bundesweiten Fußverkehrsstrategie. Der Verband zeigt sich aber enttäuscht, dass der Bund nicht verbindlich erklärt, dass jetzt eine Reform der Bußgeld-Katalog-Verordnung angepackt wird: „Eine solche wird seit mehreren Jahren auch von den Ländern gefordert.“
Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) empfiehlt, das Ziel von null Verkehrstoten „noch konsequenter zu verfolgen“. Alle Verkehrsteilnehmer hätten Anspruch auf sichere Verkehrswege. „Neben neuen technischen Lösungen und besserer Infrastruktur brauchen wir allerdings auch eine Stärkung der gegenseitigen Rücksichtnahme", sagte DVF-Geschäftsführerin Heike van Hoorn. Außerdem müsse das Verkehrsgeschehen gegen Cyberangriffe gesichert, also vernetzte Fahrzeuge und digitale Infrastruktur wirkungsvoll vor unbefugten Eingriffen geschützt werden.
Vernichtendes Urteil von den Grünen
Die Grünen-Sprecher für Verkehrs- und Stadtpolitik im Bundestag, Stefan Gelbhaar und Daniela Wagner, kommen zu einem vernichtenden Urteil: „Das von Verkehrsminister Scheuer vorgelegte Verkehrssicherheitsprogramm ist nur ein aufgeblasener Ballon. Und das, obwohl es mit über einem Jahr Verspätung kommt“, kritisieren sie. Mit vagen Ideen, Prüfaufträgen sowie Technik, die es noch nicht gebe, lasse sich die Zahl der Verkehrstoten ganz sicher nicht reduzieren. „Für eine verantwortungsbewusste Verkehrssicherheitspolitik sollten die StVO, der Bußgeldkatalog und das Fahreignungsregister überarbeitet werden", wird gefordert. Anstelle von Änderungen im Verkehrsrecht setze Scheuer aber lieber auf Testläufe und vergeude so wertvolle Zeit.
Verkehrssicherheitszonen und Tempo 30 in Städten
Gelbhaar verlangt in Städten und Gemeinden Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit. „Das würde sehr viele Gefahrensituationen erheblich entschärfen und viele Unfälle vermeiden oder zumindest die Unfallfolgen reduzieren“, saget er. Das Fahren von Lkw im engen Stadtverkehr würde zudem deutlich stressfreier. Geringfügige Förderprogramme und skurrile Aufkleberaktionen für Lkw-Abbiegeassistenten reichten nicht. Echte Verbesserungen ließen sich nur mit Verkehrssicherheitszonen, konsequenter Einbauförderung und Vergabevorgaben erreichen, erläuterte Gelbhaar. In Verkehrssicherheitszonen dürften danach nur Lkw mit einem Abbiegeassistenten einfahren.
Auf den Daten des vergangenen Jahres kann sich die Bundesregierung jedenfalls kaum ausruhen. Zwar kamen 2020 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 2.719 Personen 10,7 Prozent weniger Menschen im Straßenverkehr ums Leben als im Vorjahr. Die Verbesserung ist aber stark beeinflusst von einem geringeren Verkehrsaufkommen durch die Corona-Pandemie.