Feldversuch: Oberleitungs-Lkw in der Ausschreibung
Die Feldversuche mit Oberleitungs-Lkw rücken näher. Noch hat aber keiner der beteiligten Flottenbetreiber einen Lkw mit Stromabnehmer, wie eine Umfrage der Fachzeitschrift trans aktuell ergeben hat. Aktuell läuft beim Bundesumweltministerium (BMU), das die drei Feldversuche in Hessen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg koordiniert und mit Mitteln aus dem Förderprogramm Erneuerbar mobil unterstützt, dazu eine europaweite Ausschreibung. Die Vergabe soll noch in diesem Jahr erfolgen.
Siemens hat für eigene Zwecke entsprechende Lkw von Daimler und Scania mit Pantographen aufbauen lassen. Auf der IAA Nutzfahrzeuge stellte auch Scania einen Elektro-Lkw mit Geweih vor. Noch ist nicht bekannt, welche Fahrzeughersteller oder -umrüster entsprechende Angebote abgeben werden. Als ausgemacht gilt nur, dass sich Deutschlands Nummer eins für schwere Lkw, Daimler, nicht an der Ausschreibung beteiligen wird. Das Unternehmen sieht den Oberleitungs-Lkw kritisch. Die Technologie habe sich bereits Jahrzehnte auf der Schiene bewährt. „Das ist der ideale Anwendungsfall. Ich sehe daher keinen Bedarf, sie auch noch auf die Straße zu bringen“, sagte Nutzfahrzeugvorstand Martin Daum kürzlich im Interview mit eurotransport.de.
Wahrscheinlich fünf Oberleitungs-Lkw pro Bundesland
Interessierte Unternehmen können Angebote für einzelne, aber auch für alle drei Feldversuche abgeben. Das Ministerium geht davon aus, das gegen Projektende jeweils fünf Oberleitungs-Lkw pro Bundesland verkehren, legt sich aber nicht fest. Aus Baden-Württemberg heißt es zum Beispiel, dass sich noch weitere Unternehmen gemeldet haben, die an einem Einsatz dieser Lkw interessiert sind. „Wir könnten also sicherlich mehr als die fünf Fahrzeuge sinnvoll einsetzen.“
Und welche Technologie kommt bei den Feldversuchen nun zum Tragen? Das BMU ist bestrebt, unterschiedliche Konzepte zu testen. Zu Beginn rechnen die Fachleute damit, dass Diesel-Elektro-Hybride auf der Strecke rollen werden. Das sei auch dem Zeitdruck geschuldet. Rein batterie-elektrische Lkw mit Stromabnehmer müssten erst einmal entwickelt und gebaut werden, sodass sie wohl erst in Stufe zwei in die Fuhrparks und auf die Teststrecken rollen.
Die innovativen Fahrzeuge haben ihren Preis. Die teilnehmenden Speditionen werden die erheblichen Mehrkosten aber nicht schultern müssen. Das BMU will ihnen mit Fördermitteln unter die Arme greifen.
Erster Feldversuch mit Oberleitungs-Lkw in Hessen
Als erstes werden die Oberleitungs-Lkw in Hessen unterwegs sein. Geplant ist der Start zum 1. Januar 2019, wie auch Verkehrs-Staatssekretär Mathias Samson bekräftigt. Der Aufbau der Infrastruktur auf der Teststrecke auf der A5 zwischen Langen/Mörfelden und Darmstadt/Weiterstadt ist weitgehend abgeschlossen. Als zweites Bundesland folgt Schleswig-Holstein. Dort sollen die Bauarbeiten auf der A1 zwischen Reinfeld und Lübeck noch im Oktober beginnen und der Versuch dann Mitte 2019 starten. Baden-Württemberg bereitet aktuell die Ausschreibung für die Infrastruktur vor. Der Praxisbetrieb im Murgtal auf der B 462 zwischen Gernsbach-Obertsrot und Kuppenheim soll zum 1. Januar 2020 erfolgen.
Vom Baufortschritt in Hessen kann sich jedermann ein Bild machen. Die Straßenverkehrsbehörde Hessen mobil informiert seit dem Start der Bauarbeiten am 26. März regelmäßig über die abgeschlossenen Bauarbeiten. Beispielsweise sind die Oberleitungen seit Anfang September in beiden Streckenrichtungen montiert. Noch in diesem Jahr wird es laut dem BMU die ersten Fahrten auf der Strecke geben, weil Hessen mobil den eHighway ja dann auch technisch abnehmen muss.
Siemens: Oberleitungs-Lkw doppelt so effizient
Lieferant der Streckentechnik ist der Siemens-Konzern, der bereits in Schweden und Kalifornien elektrifizierte Strecken auf öffentlichen Straßen betreibt. Nach Siemens-Angaben ist der Stromantrieb eines Lkw über die Oberleitung doppelt so effizient wie der Antrieb mit Verbrennungsmotoren. „Das bedeutet nicht nur eine Halbierung des Energieverbrauchs, sondern auch eine Verringerung der lokalen Luftverschmutzung“, teilt das Unternehmen mit.
Auch in Schleswig-Holstein kommt der Technologiekonzern beziehungsweise ein Konsortium unter Siemens-Leitung zum Zuge und wird die acht Kilometer lange Teststrecke aufbauen. Die Chance liegt darin, eine komplett CO2-freie Lieferkette darzustellen. Der dortige Praxispartner, die Spedition Bode aus Reinfeld, bewegt ihre Einheiten überwiegend im Kombinierten Verkehr, sodass sowohl der Vor- und Nachlauf mit dem Elektro-Lkw als auch der Hauptlauf mit Bahn-Strom rein elektrisch stattfinden können. Mitte 2019, also ein halbes Jahr nach Hessen, wird nach Einschätzung des BMU der Feldversuch eHighway in Schleswig-Holstein (FESH) starten.
Dritter im Bunde ist das Land Baden-Württemberg, das ebenfalls Erfahrungen mit Oberleitungs-Lkw sammeln möchte. Damit es wirklich andere Erkenntnisse als in Hessen und Schleswig-Holstein sind, wurde als Pilotstrecke eine Bundesstraße mit beengten Verhältnissen und Ortsdurchfahrten im Murgtal ausgewählt. Ende Oktober will das Land den Aufbau der Oberleitungsinfrastruktur für das Projekt eWayBW ausschreiben, mit der Vergabe rechnet das Landesverkehrsministerium im Januar.
„Die Bauarbeiten sollen dann bis Anfang September 2019 abgeschlossen sein“, teilt Marcel Zembrot mit, Leiter des Referats Straßen- und Erhaltungsplanung. Anschließend folgen ein erster Testbetrieb, die Schulung der Lkw-Fahrer sowie der Rettungs- und Betriebsdienste. „Somit könnte dann am 1. Januar 2020 tatsächlich der Realbetrieb auf unserer Teststrecke beginnen.“