Oberleitungs-Lkw: Verkehrsministerium gibt sich zurückhaltend

19. Juni 2024 Newsletter / Transport & Verkehr
Seit einiger Zeit gibt es wissenschaftlich begleitete Feldversuche mit Oberleitungs-Lkw im Speditionsbetrieb auf deutschen Autobahnen. Die Projekte eHighway in Schleswig-Holstein, eWayBW in Baden-Württemberg und Elisa in Hessen laufen erfolgreich und könnten eine verfügbare Lösung für die Dekarbonisierung des Güterverkehrs bieten. Doch nach Investitionen in Millionenhöhe zeigt das Bundesverkehrsministerium derzeit wenig Interesse, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
„Nicht voreilig den Strecker ziehen“
So jedenfalls lautet das Fazit einer gestrigen Pressekonferenz der Verantwortlichen des 2017 gestarteten Feldversuchs eHighway Schleswig-Holstein. Die Verantwortlichen appellierten an die Bundespolitik, den deutschen Lkw-Oberleitungsprojekten „nicht voreilig den Stecker zu ziehen“.
„Bei allem Verständnis für die angespannte Haushaltslage wäre es fatal, das Projekt Ende des Jahres mit Auslaufen der Förderung versanden zu lassen, bevor man überhaupt die Ergebnisse bewerten konnte“, sagte Schleswig-Holsteins Verkehrs-Staatssekretär Tobias von der Heide zum eHighway.
Verkehrsministerium zeigt wenig Interesse an Erkentnissen
„Bis heute hat sich das Bundesverkehrsministerium weder in Schleswig-Holstein noch in Hessen oder Baden-Württemberg über die Erkenntnisse aus den Projekten informiert“, kritisiert Projektleiter Jan Bachmann vom zuständigen Forschungs- und Entwicklungszentrum der Fachhochschule Kiel.
Bachmann wies darauf hin, dass 22 Prozent der Treibhausgasemission im Verkehrssektor entstünden, davon ein Drittel durch Schwerlastverkehr. „Der Bund müsste eigentlich ordentlich Stoff geben, ab es wird eher gebremst.“ Das Verfehlen der Klimaziele im Verkehrssektor, so warnte Bachmann, werde aber zu Milliarden Strafzahlungen führen.
Logistikdienstleister brauchen Planungssicherheit
„Wir brauchen den Rückhalt der Politik und Planungssicherheit, insbesondere zu den Investitionen“, sagte Dennis Willers, Fuhrparkleiter der Spedition Bode, die aktuell mit fünf Fahrzeugen am Projekt in Schleswig- Holstein beteiligt ist. Abgesehen von Kinderkrankheiten bei den Fahrzeugen der ersten Generation laufe das Projekt mit den Oberleitungs-Lkw sehr positiv. Die Fahrzeuge laufen im Pendelverkehr mit 26 Tonnen beladen zwischen Reinfeld und dem Hafen Lübeck. „Die Fahrer fahren die Fahrzeuge sehr gerne. Nicht zuletzt aufgrund des langen Radstands laufen die Fahrzeuge sehr ruhig, und die Kraft des E-Motors kommt auch an.“
China und Niederlande an Technik interessiert
Laut den Beteiligten müssen endlich Entscheidungen getroffen werden - auch vor dem Hintergrund, dass Länder wie die Niederlande und China ihrerseits das Thema Oberleitungs-Lkw angehen. So planen etwa die Niederlande einen 100-Kilometer-Oberleitungs-Korridor, und China bemühe sich bereits um internationale Normungsmandate.
„Der nächste Schritt vom Feldversuch hin zu einem ersten großen Pilotprojekt, in dem die Oberleitung sich im direkten Vergleich zu den wenigen sinnvollen Alternativen beweisen kann, ist fällig“, sagt Bachmann - daher müsse das Verkehrsministerium entlang der Autobahn GmbH entsprechend grünes Licht geben, sich mit dem Thema zu befassen.
Whitepaper zeigt großes Potenzial auf
In einem Whitepaper kommen die Technische Universität Dresden, Professur für Elektrische Bahnen, und das Forschungs- und Entwicklungszentrum der FH Kiel zu dem Urteil, dass im Vergleich der Antriebstechnologien die Oberleitung das größte ökologische und auch ökonomisches Potenzial aufzeigt: „Sie sind nicht proprietär, international verbreitet und standardisiert, diversifizierte Lieferketten bestehen. Durch Kombination des Oberleitungssystems mit dem stationären Laden ist die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs besonders effektiv, schon heute umsetzbar und schnell skalierbar. Zudem gilt die Oberleitung als Innovationstreiber für das autonome Fahren, welches die Transportkosten in Zukunft signifikant senken wird.“