Platooning-Projekt: Vier Prozent Spritersparnis
Aus ihrem Platooning-Projekt auf der A9 ziehen DB Schenker, MAN und Hochschule Fresenius eine positive Bilanz.
„Platooning macht das Fahren stressfreier“ – so die Bilanz von Andy Kipping. Der 33-Jährige ist einer von zehn Fahrern, die drei Monate lang am Lkw-Platooning-Projekt von DB Schenker, MAN und der Hochschule Fresenius mitgewirkt haben. „Am Anfang habe ich es mir schlimmer vorgestellt“, sagt Kipping, der für die Spedition Amenda arbeitet und seit zehn Jahren als Lkw-Fahrer arbeitet.
Nicht nur die Fahrer zeigen sich positiv überrascht. Auch die Projektpartner zogen am Freitag im Bundesverkehrsministerium allesamt ein positives Fazit des bundesweit ersten Platooning-Projekts im realen Logistikeinsatz auf öffentlichen Straßen. Die Platooning-Fahrten auf der A9 zwischen den DB Schenker-Niederlassungen in München und Nürnberg haben zu einer Kraftstoffersparnis von drei bis vier Prozent geführt. Die digital gekoppelten Gliederzüge haben von September bis Weihnachten darauf rund 35.000 Testkilometer absolviert. Die Entfernung zwischen den beiden Schenker- Häusern beträgt 145 Kilometer, wovon etwa die Hälfte im Platoon zurückgelegt wurde.
40 Prozent unseres Netzwerks Platoon-fähig
Für die Verantwortlichen von DB Schenker hat das Projekt Elektronische Deichsel – Digitale Innovation (EDDI) den Beweis erbracht, dass sich Platooning in die täglichen Logistikabläufe integrieren lässt. Die Fahrzeuge starteten täglich um 21.30 Uhr in München, retour ab Nürnberg ging es jeweils um 1.30 Uhr. Auf dieser Relation verkehren bei DB Schenker täglich drei bis vier Fahrzeuge. Auf anderen Relationen hat das Logistikunternehmen ähnlich hohe Transportvolumina. „In unserer Analyse haben wir festgestellt, dass rund 40 Prozent unseres Netzwerks Platoon-fähig wäre“, erklärte Alexander Doll, Vorstand für Finanzen, Güterverkehr und Logistik bei der Deutschen Bahn und damit auch zuständig für die Bahn-Tochter DB Schenker. „Das Potenzial ist also da“, betonte er.
Ähnlich sieht es MAN-Vorstandschef Joachim Drees. Er sieht die erzielte Spritersparnis von „nur“ drei bis vier Prozent als Erfolg an. „Es war ein tolles Projekt und wir haben gute Ergebnisse erzielt“, betonte er. Einige Branchenkenner hatten deutlich mehr erwartet und Verbrauchsvorteile von bis zu zehn Prozent in Aussicht gestellt. Durch die Vorgaben der Ausnahmegenehmigung hätten sich diese Effekte nicht einstellen können, erläuterte Drees.
Einsatz des vorausschauenden Tempomaten
Sie sah zum Beispiel eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h und einen Mindestabstand von 15 Metern vor. Der erste Punkt hat den Einsatz des vorausschauenden Tempomaten verhindert, der sich üblicherweise im Korridor von 75 bis 84 km/h bewegt, und zu weiteren Einsparungen führt. Der zweite Punkt hat ebenfalls weitere Erfolge verhindert. Bei einem Abstand von 12,5 Metern wäre die Kraftstoffreduktion demnach spürbar höher ausgefallen.
Was die Auswirkungen auf die Fahrer angeht, steht Amenda-Mitarbeiter Kipping stellvertretend auch für seine Kollegen, die am Anfang allesamt Bedenken hatten. „Machen wir uns damit überflüssig oder verdienen wir bald nur noch die Hälfte?“ Das waren laut Prof. Dr. Sabine Hammer, Sozialforscherin an der Hochschule Fresenius, nur zwei der kritischen Fragen, die die Fahrer im Vorfeld äußerten. Sie hätten ferner Bedenken geäußert, was im Falle einer Vollbremsung passiere, wenn der zweite Lkw dem Vordermann mit nur 15 Metern Abstand im Nacken hängt.
Die weiteren Befragungen während des Versuchs und danach hätten jedoch gezeigt, dass die Fahrer Platooning eher als eine Aufwertung des Berufs ansehen. „Sie haben bemerkt, dass etwas dazu kommt, dass sie mit noch mehr Technik umgehen und der Beruf anspruchsvoller wird“, sagte Hammer und glaubt, dass das auch ein Anreiz für junge Leute sein kann, sich für den Beruf zu entscheiden. „Man muss nicht Lkw-Fahrer bleiben, sondern kann zum Platooning-Piloten aufsteigen“, sagte sie.
Messungen der Hirnaktivitäten
Die Fahrer sind während der Fahrt nicht stärker belastet als Fahrer konventioneller Lkw. Das wiederum haben Messungen der Hirnaktivitäten und der Blickrichtungen der Fahrer durch die Hochschule ergeben. „Es gibt keine neuropsychologischen Unterschiede“, so die Bilanz von Prof. Christian Haas, Direktor des Instituts für komplexe Systemforschung an der Hochschule Fresenius.
Über einen Zeitraum von sechs Wochen trugen die Mitarbeiter an Bord der Lkw sogenannte EEG-Masken, wodurch die Mitarbeiter der wissenschaftlichen Begleitforschung mehrere hundert Milliarden Daten erhielten und auswerten konnten. „Die Platooning-Fahrer sind weder angestrengter noch ermüdeter als andere“, erklärte er. Die Wissenschaftler konnten aber auch nachweisen, dass die Fahrer nach einem Entkoppeln des Platoons, etwa durch einscherende Pkw, die Fahrer etwas länger als gewöhnlich auf das Display schauten, um sich über den Status des Platoons zu informieren. Abhilfe könne ein Head-up-Display schaffen, erläuterte Haas. Bedenklich werde es aber erst, wenn der Blick länger als zwei Sekunden auf das Display erfolgt – und das Verkehrsgeschehen außer Acht gelassen wird.
Etappenerfolg auf dem Weg zum automatisierten Fahren
Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) sieht das Projekt als einen Etappenerfolg auf dem Weg zum automatisierten Fahren an. „Unser Ministerium wird die Ergebnisse nun im Detail auswerten“, kündigte Dr. Tobias Miethaner, Leiter der Abteilung digitale Gesellschaft im BMVI, an. Das Projekt EDDI werde in jedem Fall dazu beitragen, die Einführung von Platooning auch auf europäischer Ebene vorzubereiten. Noch ist seiner Ansicht nach aber nicht nur ein regulativer Rahmen, sondern auch weitere Forschung erforderlich.
Bisher hat das BMVI rund 100 Millionen Euro zur Förderung des automatisierten Fahrens bereit gestellt, einen weiteren Fördertopf über 50 Millionen Euro für die nächsten Jahre hat es eben erst aufgesetzt. Das Projekt EDDI wurde mit 1,86 Millionen Euro durch das BMVI bezuschusst.
Keine Prognose für Platooning im Regelbetrieb
Aufgrund des fehlenden Rechtsrahmens wollten auch weder DB-Vorstand Doll noch MAN-Vorstand Drees eine Prognose abgeben, wann Platooning in den Regelbetrieb gehen wird. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass es Mitte/Ende der 20er Jahre in die Serienreife gehen kann“, kündigte Doll an. Drees peilt einen Start im Zeitraum 2022/2023 an. 2020 werde sein Haus Lkw-Platooning in einem Projekt im Hamburger Hafen weiterentwickeln. Und auch an Mehrmarken-Platoons werde man arbeiten – was Drees im Zusammenspiel mit der Konzernschwester Scania nicht als große Schwierigkeit ansieht.