Solutrans: Alternative Antriebe im Angebot

26. Feb. 2018
Im Rahmen der Messe Solutrans präsentierten die Lkw-Hersteller, was sie in Sachen alternative Antriebe zu bieten haben. Einen Konsens zu finden, ist keine einfache Sache – das bewies eine Konferenz zum Thema alternative Antriebskonzepte auf der Fachmesse Solutrans in Lyon einmal mehr: sechs Marken, sechs Meinungen. Volvo hat sich dabei klar positioniert: Die Schweden setzen auf die Gas-Karte. Über zehn Jahre haben die Techniker in Göteborg die Palette vom Hybrid über den elektrischen Antrieb bis hin zu CNG, LNG, Dual Fuel und DME (Rapsmethylesther) getestet. Mats Franzén, Produktmanager Motoren- und Fahrzeugstrategie, stellte kürzlich den Erdgasantrieb als beste Wahl dar.
CNG-Truck kann in den Niederlanden wirtschaftlich eingesetzt werden
Volvo setzt auf einen gemischten Betrieb mit Erdgas als Treibstoff und Diesel als Zündmittel, was wiederum Adblue zur Abgasreinigung nötig macht. Damit spart man sich bei den 13-Liter-Triebwerken aber den aufwendigen Umbau auf Fremdzündung. Henrik Persson, Geschäftsbereichsleiter bei Volvo Trucks, betonte, dass die neuen LNG-Volvo im Vergleich zu Diesel-Lkw mit gleicher Leistung deutliche Vorteile bei den CO2-Emissionen und der Laufruhe aufweisen, ohne Abstriche bei der Sicherheit machen zu müssen. "LNG hat eine höhere Entzündungstemperatur als Diesel, es ist weniger brennbar, es riecht nicht und es ist nicht ölig", beschwörte der Volvo-Mann die Vorzüge des tiefkalt gespeicherten Gases. Ob die Fahrzeuge wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden können, bestimmen die regionalen Lärm- und Zufahrtslimits und die Kraftstoffkosten.
So kann ein leiser CNG-Truck trotz höherer Anschaffungskosten in den Niederlanden wirtschaftlich eingesetzt werden, während er in Deutschland in puncto TCO hinter dem Diesel rangiert. Weltweit gesehen sieht Volvo dank ausreichender Rohstoffreserven eine blühende Zukunft für den Erdgas-Lkw. Daimler spielt die Gas-Karte derzeit nur mit dem Kommunal-Lkw Econic. Laut eines führenden Lkw-Managers sei man allerdings bereit, mit einem modifizierten "Weltmotor" OM 471 auf einen möglichen Gas-Boom zu reagieren. Alternativen zum Diesel sieht man in Stuttgart vorzugsweise im elektrischen Antrieb. Voll elektrifizierte Verteiler-Lkw laufen in Kundenhand bereits erfolgreich ihre ersten Praxiskilometer. Die Feldversuche mit dem eCanter der japanischen Tochter Fuso mündeten zuletzt in dessen Markteinführung auch in Europa. Mittelfristig soll Fuso im Daimler-Verbund zur reinelektrischen Marke avancieren. Auf der Solutrans-Messe fehlten beide Elektro-Lkw.
Tankstellen-Infrastruktur entscheidend für Erdgastrucks
Iveco wiederum steht seit vielen Jahren konsequent hinter dem Erdgasantrieb. Vorstandschef Pierre Lahuette wird nicht müde, alle Vorteile des LNG/CNG-Konzeptes von Iveco zu preisen. Mit dem neuen Stralis NP 460 haben die Italiener das ausgereifteste Gas-Nutzfahrzeug, das es aktuell auf dem Markt gibt, im Portfolio. Das Management von Leistungsverlauf und die Synchronisation mit einem automatisierten Getriebe haben die Techniker perfektioniert. Als einziger Hersteller verkauft Iveco bislang beträchtliche Stückzahlen auch im Distributionsverkehr. So unterzeichnete der französische Spediteur Jacky Perrenot auf der Solutrans eine Bestellung über 250 LNG-Stralis. Bis 2020 will er gar mehr als 1.000 Erdgas-Lkw der Italiener einsetzen. Clement Chandon, Iveco-Manager für die Geschäftsentwicklung im Bereich Gas, erteilt dem E-Antrieb im Lkw eine klare Absage. "Sie müssen ein Diesel-Fahrzeug schlagen – und das ist extrem schwierig! Denn wir haben Jahr für Jahr Milliarden Euro investiert, um den Dieselmotor so gut wie möglich zu machen."
Entscheidend sei die Tankstellen-Infrastruktur. LNG sei eine machbare Lösung, eine Zapfsäule gebe pro Minute 150 Liter des Kraftstoffs ab. "In dieser Zeitspanne liefert sie mehr Energie als alle Tesla-Schnellladestationen in ganz Frankreich!", so Chandon. "Mit Strom verlieren Sie Nutzlast und Variabilität und Ihnen fehlt die Infrastruktur zum Nachladen. Dazu kostet der Truck dreimal so viel wie ein Diesel-Lkw. Ist ein E-Lkw also eine Alternative zu Diesel? Nein, tut mir leid, Mr. Musk! Das wird noch viele Jahre dauern. Nur CNG und LNG sind echte Alternativen", stellte Chandon fest.
In München wird auf den elektrischen Antrieb gesetzt
Felix Kybart, Leiter alternative Antriebe bei MAN, sieht die Situation anders. Trotz aller Strukturprobleme, die heute noch auftauchen, setzt man in München auf den elektrischen Antrieb im Lkw-Verteilerverkehr. Im Frühjahr noch wird die erste Kleinflotte von fünf elektrifizierten TGM an die testende Kundschaft ausgeliefert. "Wir werden 4x2-Versionen testen, die eine 149-kWh-Batterie und eine Reichweite von bis zu 130 Kilometer aufweisen sowie einen 6x2-Lkw mit einer Batterie von 223 kWh und einer Reichweite von bis zu 200 Kilometern. Wir haben uns entschieden. Wir konzentrieren uns auf elektrische, nicht auf Brückentechnologien", argumentierte der MAN-Techniker. Zudem könne man ein E-Nutzfahrzeug nicht mit einem E-Pkw vergleichen: "Die Lebensdauer eines Elektroautos beträgt etwa 8.500 Stunden – im Gegensatz zu 55.000 Stunden für einen Stadtbus", sagte Kybart.
Die Serienproduktion des eTrucks wird kurzfristig beginnen, die ersten Auslieferungen sind bereits für Ende 2018 geplant. Um Kosten zu sparen, können die Kunden die Anzahl der Batterien, die sie im MAN eTruck einsetzen möchten, je nach Bedarf selbst festlegen. Warum bei MAN im Lkw keine Gas-Motoren laufen, wird beim Blick auf die VW Truck & Bus-Konzernstruktur schnell klar. Die große Schwester Scania hat hier die Hoheit über den Bau von schweren Diesel- und Gasmotoren. Dort hat man zu den bereits seit Jahren im Programm laufenden Neunliter-Gastriebwerken neue fremdgezündete Otto-Gasmotoren entwickelt, die aus 13 Liter Hubraum 410 PS mobilisieren. Ebenso wie bei Iveco und Volvo können die Triebwerke mit CNG oder LNG betrieben werden und kommen so laut Hersteller auf eine Reichweite von maximal 1.100 Kilometern. Lange Strecken nimmt Renault Trucks mit seinen bereits vor Jahren etablierten Gas-Fahrzeugen nicht ins Visier.
"Der Diesel war, ist und bleibt ein dominanter Player"
Die CNG-getriebenen Renault-Lkw laufen im stadtnahen Ausliefer- oder Sammeleinsatz. Für den Langstreckeneinsatz setzt man auf den weiter optimierten Dieselmotor. "Diesel hat in unserer Branche das Energiemonopol. Der Dieselmotor wurde seit Jahrzehnten optimiert und ist der effizienteste Verbrennungsmotor aller Zeiten. Der Diesel war, ist und bleibt ein dominanter Player. Er treibt 99 Prozent der Lastwagen an, die wir heute verkaufen", sagte Francois Savoye, Leiter der Energieeffizienzstrategie bei Renault Trucks. "Gas ist nicht der richtige Weg für die Zukunft. Es bleibt eine auf spezielle Einsätze begrenzte Übergangslösung." Langfristig liege die Zukunft, so der Renault Trucks-Experte, im E-Antrieb.
Wenig begeistert vom Gasantrieb sind auch die Verantwortlichen von DAF Trucks. Technik-Vorstand Ron Borsboom führt die fehlende Infrastruktur, die schwierige Lagerung von tiefkaltem Gas und die Umrüstung der Werkstätten auf die Gastechnik als Gegenargumente an. Der oberste DAF-Techniker sieht vielmehr im schrittweisen Ausbau der Hybridisierung hin zum E-Lkw die Zukunft. Der vorgestellte Prototyp sei ein gutes Beispiel, wie man in kleinen Abstufungen ans Ziel kommen kann. DAF-Chef Preston Feight unterstützt dies: "Bei Paccar denken wir ständig über alternative Antriebe nach. Der Business Case für die Elektrifizierung verbessert sich. Wir brauchen aber eine Standardisierung bei Komponenten wie Batterien, E-Motoren und Batteriemanagement bis hin zu elektrischen Hilfsaggregaten." So unterschiedlich die Perspektiven aus der Sicht der einzelnen Konzerne auch sind, so einig ist man sich im Bezug auf den Mitte November präsentierten Tesla E-Truck: Der habe, so die Experten unisono, sicher mehr das Zeug zur reinen Unterhaltung als zum tatsächlich wirtschaftlich erfolgreichen Einsatz.